Arktis: Trump will mit Waffen Rückstand der USA gegenüber Russland aufholen

Die Rückkehr von Donald Trump an die Macht in den USA verspricht eine neue Runde von Spannungen in der Arktis. Mit seinen Plänen, Grönland zu erwerben und Kanada anzuschließen, bestätigt er die Ernsthaftigkeit seiner Absichten. Russland bemüht sich, die Stabilität in der Arktis zu stärken.

Von Andrei Restschikow

Der designierte US-Präsident Donald Trump soll kommende Woche in sein Amt eingeführt werden und verspricht radikale Veränderungen nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland. In letzter Zeit hat Trump wiederholt Pläne angekündigt, Grönland zu annektieren und Kanada zum 51. US-Bundesstaat zu machen, was Teil seines Vorhabens sein könnte, die militärische Position der USA in der Arktis zu stärken. Analysten schließen nicht aus, dass die Trump-Regierung auch Interesse an der Inselgruppe Spitzbergen zeigen wird, wo Norwegen und Russland Einrichtungen betreiben.

Russische Diplomaten in den arktischen Staaten haben Trumps Ankündigungen kritisiert. Der russische Botschafter in Dänemark, Wladimir Barbin, hatte erklärt, Russland werde die US-Pläne bei seinen militärischen Planungen berücksichtigen. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur RIA Nowosti betonte der Diplomat, dass "die künftige US-Regierung nicht an einer Stärkung der militärischen und politischen Stabilität in der Arktis interessiert ist".

Gleichzeitig bemüht sich Russland um eine Stärkung der Stabilität in der Arktis, die nur möglich ist, wenn die internationale Sicherheit auf einer gleichberechtigten Basis mit allen arktischen Staaten gestaltet wird, so Barbin.

Experten sind der Meinung, dass das Vorgehen der künftigen US-Regierung in der Arktis nicht nur die Interessen Russlands bedrohen könnte, sondern ebenso die der übrigen arktischen Staaten, zu denen auch Kanada, die Vereinigten Staaten, Norwegen und Dänemark gehören.

Vorbereitung auf einen militärischen Wettlauf in der Arktis

"Die USA haben ihre Position signalisiert und einen großen Schritt in Richtung Arktis gemacht. Das bedeutet nicht, dass ausgerechnet die Vereinigten Staaten einen Wettlauf um die Arktis beginnen. Ein solcher Schritt stellt jedoch eine direkte Bedrohung für Russland dar, denn die US-Amerikaner planen, mit all ihren Waffen in die Arktis zu gehen", sagt Natalja Jeremina, Professorin am Lehrstuhl für Europäische Studien der Fakultät für Internationale Beziehungen der Staatlichen Universität Sankt Petersburg.

Die US-Expansion in der arktischen Region wird unter dem Deckmantel einer Art "Bekämpfung der bedingten Aggression Russlands" präsentiert. "Der Ausbau ihrer militärischen Präsenz kann von Provokateuren genutzt werden. Wir wissen, welche Rolle Provokationen spielen, wenn Kriege beginnen. Die CIA und die britischen Geheimdienste haben dies in verschiedenen Regionen der Welt getan. Daher ist in der Arktis alles möglich", meint die Expertin.

Ihr zufolge sind sich die Länder des Arktischen Rates darüber im Klaren, dass ein militärischer Konflikt die Situation in der Region verschlechtern würde, "aber die USA haben eine andere Position". "Die Vereinigten Staaten versuchen, die verlorene Zeit wieder aufzuholen, denn lange Zeit hat das Land kein Interesse an der Arktis als einer Region gezeigt, in der sich das Schicksal der Welt entscheiden wird. Deshalb wurde von ihrer Seite bereits ein Programm zum Bau einer Eisbrecherflotte angekündigt", erinnert Jeremina.

Neue Transportkorridore in der Arktis

Zuvor hatte die Zeitung Wsgljad berichtet, dass die Vereinigten Staaten neue Logistikrouten in der Arktis nutzen könnten, die theoretisch zu einer Konkurrenz für den Nördlichen Seeweg werden könnten. Aus rechtlicher Sicht kann Russland jedoch den Nördlichen Seeweg schützen und "verhindern, dass die Situation in der Arktis überhitzt", so die Professorin.

Ihr zufolge garantiert Russlands weltgrößte Eisbrecherflotte ein gewisses Maß an Sicherheit in der Arktis. Darüber hinaus sind die meisten Experten des Arktischen Rates der Meinung, dass der Verlust der Kontakte zu Russland für die Arktis sehr schädlich wäre, da viele der Probleme der Region nicht ohne Moskau gelöst werden können.

"Offensichtlich hat die US-amerikanische Seite deshalb beschlossen, ihre Präsenz in der Arktis zu verstärken, sodass auch kein Problem mehr ohne sie gelöst werden könnte. Es sieht danach aus, als würde sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen", fügt Jeremina hinzu.

Was die von den Vereinigten Staaten ausgehenden Risiken für den Nördlichen Seeweg betrifft, so werden die USA, solange sie keine eigene Eisbrecherflotte haben, die sogenannte russische Nordostpassage nicht gefährden können. "Sie haben gut etablierte Routen zwischen Grönland und Dänemark, während der Nördliche Seeweg in diesem Fall eine völlig andere Transportader ist, die unter der vollen Kontrolle Russlands steht", erklärt die Expertin.

Andererseits steht der Nördliche Seeweg gemäß internationalen Übereinkommen allen Ländern offen, sodass bei der Durchfahrt von Schiffen unter beliebiger Flagge nur Eis- und Lotsendienste in Rechnung gestellt werden können, bemerkt Nadeschda Samjatina, Dozentin an der Geografischen Fakultät der Staatlichen Lomonossow-Universität Moskau und leitende Forscherin der Abteilung für Stadt- und Regionalentwicklung der russischen Nationalen Forschungsuniversität Higher School of Economics.

Die Nordwestpassage, die von einigen Experten als potenzieller Konkurrent des Nördlichen Seewegs angesehen wird, unterliegt genau denselben rechtlichen Bedingungen. Allerdings wird ihre Nutzung durch eine "natürliche Bremse" behindert: Die Schifffahrt in den Gebieten des kanadischen arktischen Archipels ist schwierig, die Eisbedeckung ist dort höher, sodass Fachleute in naher Zukunft kein Verkehrswachstum auf dieser Route erwarten.

Selbst wenn das Eis unter den Bedingungen der globalen Erwärmung schmilzt, "wird die Nordwestpassage mit Ausnahme der Hoheitsgewässer (Zwölf-Seemeilen-Zone) für alle Schiffe frei sein", erinnert Samjatina.

Ihrer Meinung nach hat Trump die Frage nach dem Status von Grönland und Kanada aus mehreren Gründen aufgeworfen. Erstens geht es um seine politischen Ambitionen und den Wunsch, die Erfolge von Thomas Jefferson zu wiederholen, der 1803 Louisiana kaufte. Zweitens handelt Trump im Interesse der Kapitalisten, die hinter ihm stehen, insbesondere des Unternehmers Elon Musk und anderer Vertreter der "New Economy" (zum Beispiel die PayPal-Gruppe).

"Die Parameter, anhand derer geopolitische Größe gemessen wird, haben sich geändert. Heute geht es nicht mehr so sehr um Erdöl, sondern um Metalle der seltenen Erden, die für die Entwicklung moderner Technologien benötigt werden. Die Tatsache, dass sich Trump für Grönland interessiert, ist eher ein Spiel gegen China als gegen Russland. Es herrscht ein Kampf um strategisch wichtige Ressourcen in der Welt, einschließlich der grönländischen Seltenerdmetalle", erklärt die Dozentin.

Marat Baschirow, Professor an der Higher School of Economics, ist der Meinung, dass "Trump die Arktis zwischen Russland und den Vereinigten Staaten aufteilen und alle anderen Akteure aus ihr verdrängen will". "Der Teil der Arktis, den die USA durch die Einnahme Grönlands erhalten werden, ist als Transportkorridor sinnlos", meint der Politikwissenschaftler.

"Gleichzeitig ist der Nördliche Seeweg kürzer und bietet zuverlässige Garantien für den Transport von Gütern von Südostasien nach Europa und zurück. Trumps Pläne werden Russland also nicht sonderlich behindern. Andererseits könnte er Grönland nutzen, um dort im Interesse der KI-Entwicklung riesige Rechenzentren zu errichten. Datenverarbeitungszentren (DVZ) benötigen eine gute Kühlung, daher ist es sehr praktisch und kostengünstig, DVZ in Grönland zu bauen", so Baschirow.

Russland und die Vereinigten Staaten könnten also ihre Datenzentren in der Arktis ansiedeln und anderen Ländern Datenspeicherungs- und -verarbeitungsdienste anbieten, erläutert der Experte weiter. Das Thema Bergbau in Grönland ist jedoch nicht nur für Russland und die Vereinigten Staaten, sondern auch für andere Länder von Bedeutung.

Samjatina erinnert daran, dass China bereits über Lizenzgebiete in Grönland verfügt, wo in den letzten Jahren aktive geologische Explorationen durchgeführt wurden. Nun ist China dank seiner eigenen Reserven an Seltenerdmetallen de facto zum Monopolisten in diesem Bereich geworden und möchte seine Position bewahren. Darüber hinaus verfügt China über eine eigene Eisbrecherflotte und Satelliten, die "ausschließlich auf die Vorhersage der Eisverhältnisse spezialisiert sind".

"Alle westlichen Länder suchen nach Metallen der seltenen Erden auf ihren Territorien, deren Fehlen eine innovative Entwicklung behindert. Vor allem in Kanada, Grönland und Russland gibt es nachgewiesene Reserven. Wenn die USA China aus Grönland verdrängen, könnte dies zu einer Eskalation des Kampfes um die Ressourcen führen", erklärt die Dozentin der Staatlichen Lomonossow-Universität Moskau.

Russlands "Hochburgen" in der Arktis

Experten erinnern daran, dass Russland über eine Liste von 16 Hochburgen in der Arktis verfügt. Sie umfasst sowohl Städte als auch kleine Siedlungen, die für das Land von strategischer Bedeutung sind. Für jeden dieser Orte wurde ein Masterplan bis zum Jahr 2035 entwickelt. Der Amtsantritt der neuen US-Regierung ist für Russland ein Grund, die Arbeiten zum Ausbau seiner "Hochburgen" in der Arktis zu beschleunigen.

Die Entwicklung von Fördergebieten in der Arktis muss nun mit dem Übergang zum sechsten technologischen Paradigma in der Wirtschaft einhergehen, bei dem die Fahrzeuge unbemannt werden, meint Samjatina. Dies erfordert auch eine zuverlässige Internet- und Satellitenkommunikation.

Darüber hinaus konzentrieren sich die Masterpläne der arktischen Städte jetzt weitgehend auf die Entwicklung der städtischen Umgebung. Gleichzeitig ist es jedoch notwendig, in Medizin, Wissenschaft und Bildung zu investieren, "weil in diesen Städten der Wert des lokalen Wissens zunimmt: Wir brauchen Universitäten, die darauf  'abgestimmt' sind, Technologien für die spezifischen lokalen Bedürfnisse zu entwickeln". Baschirow weist darauf hin, dass der Nördliche Seeweg auch die Entwicklung von Stützpunkten für die Betankung und die Reparatur von Schiffen sowie für die Lagerung von Gütern und Waren erfordert.

"Der Seehafen Dudinka beispielsweise, in dem derzeit nur Nornickel tätig ist, ist ein isoliertes Gebiet, das heißt, man kann von Krasnojarsk aus nicht mit dem Auto dorthin fahren. Man kann nur mit dem Flugzeug oder über den Fluss Jenissei dorthin gelangen. Dementsprechend sehen wir im Falle des Nördlichen Seewegs eine enorme logistische Unterbrechung. Daher sollten die 16 unterstützenden Städte über eine optimale Hafen- und Verkehrsinfrastruktur verfügen", so der Experte weiter.

"Darüber hinaus müssen wir auch unsere Arbeit im Bereich der Rettungsmaßnahmen verstärken. In unangenehmen Situationen wird diese Erfahrung nützlich sein. Wir müssen zudem neue Hubschrauberlandeplätze bauen und manövrierfähige Schiffe, einschließlich Luftkissenfahrzeugen, entwickeln, um eine Vielzahl von Aufgaben zu erfüllen. All diese Entwicklungen werden es uns in Zukunft ermöglichen, die Arktis umfassend zugänglich zu machen", schließt Jeremina.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 15. Januar 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Andrei Restschikow ist Analyst bei der Zeitung Wsgljad.

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