Von Geworg Mirsajan
Der georgische Maidan scheint an Kraft zu verlieren. Der Anführer der radikalen georgischen Opposition wurde festgenommen, bei seinen Mitstreitern wurden Waffen beschlagnahmt, und die Nacht zum 5. Dezember verlief zum ersten Mal seit mehreren Tagen ohne Proteste oder Zusammenstöße.
Allerdings erzielen die georgischen Behörden Erfolge bisher nur auf der innenpolitischen Bühne. Im Ausland werden sie weiterhin belagert. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union weigern sich entweder, die Parlamentswahlen in Georgien als fair und gerecht anzuerkennen, oder verlangen, dass die regierende Partei Georgischer Traum die auf den Straßen demonstrierenden Oppositionellen gewähren lässt.
Eine Reihe von EU-Mitgliedstaaten (insbesondere die baltischen Staaten) verhängte bereits Sanktionen gegen Tiflis, während andere Länder noch über die Angelegenheit diskutieren. Offenbar werden in den nächsten zwei Wochen weitere Sanktionen verhängt, wenn das Parlament einen neuen georgischen Präsidenten wählt und die derzeitige Präsidentin (Salome Surabischwili, Ex-Mitarbeiterin des französischen Außenministeriums) vor die Tür gesetzt wird. Surabischwilis Verbleib im Amt ist für die EU von entscheidender Bedeutung, da sie unter den Bedingungen eines (nach europäischer Auffassung) illegitimen Parlaments eine Übergangsregierung bilden kann, falls der Georgische Traum fällt.
Die Versuche der "Träumer", eine Einigung mit Europa zu erzielen, sind gescheitert. Aus diesem Grund beschlossen die georgischen Behörden, mit der EU unter Einbeziehung der US-amerikanischen Seite zu verhandeln.
Nicht aber unter Einbeziehung der derzeitigen Ansprechpartner, unter denen etwa der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, die Aussetzung der strategischen Partnerschaft mit Georgien ankündigte. Tiflis setzt auf den Aufbau der Beziehungen zum neu gewählten Trump-Kabinett, das seinerseits die europäischen Unterstützer des georgischen Maidan in die Schranken weisen wird. Gerade deshalb erklärte der georgische Premierminister Irakli Kobachidse, dass die Beziehungen zu Trump für ihn "von größter Bedeutung" seien und "alles andere (das heißt die EU – Anm. von Wsgljad) zweitrangig" sei.
Trump kann Georgien tatsächlich helfen – aus drei Gründen.
Erstens teilen sie mit Georgien gemeinsame Werte. Wenn die EU mit ihrem liberal-demokratischen Kreuzzug die national-konservative georgische Regierung nicht akzeptiert, so wird Trump dies sicher tun. Der georgische Politikwissenschaftler Petre Mamradse erklärte gegenüber der Zeitung Wsgljad:
"Donald Trump und sein Team sprechen offen über unglaubliche Ausgaben für Nichtregierungsorganisationen und werben auch für die Werte der Familie. Hier gibt es also eine völlige ideologische Übereinstimmung mit der Position des Georgischen Traums, der für die entsprechenden Gesetze kritisiert wird."
Irakli Kobachidse zufolge stimmen die beiden kürzlich von Georgien verabschiedeten Gesetze – über ausländische Agenten und das Verbot von LGBT-Propaganda – völlig mit den Ansichten des Trump-Kabinetts überein. Diese Übereinstimmung "wird einen vollständigen Neustart der bilateralen Beziehungen gewährleisten", erklärte der Premierminister zuversichtlich.
Zweitens ist Trump – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Joseph Biden und den derzeitigen europäischen führenden Politikern – nicht bereit, alles auf den Altar der Unterstützung für das Kiewer Regime zu legen. Kobaсhidse betonte:
"Die derzeitige Regierung versucht, der nächsten Regierung eine möglichst schwierige Situation in unserer Region zu hinterlassen. Das gilt für die Ukraine, für Georgien, für die gesamte Region."
Trump wird nicht verlangen, dass Tiflis eine zweite Front gegen Russland eröffnet – derartige Forderungen kamen nach Angaben von Kobaсhidse von zwei europäischen Beamten.
Drittens beabsichtigt Donald Trump, mit Moskau über die Beendigung des Konflikts in der Ukraine eine Einigung zu erzielen. Wenn dies geschieht, wird der Druck des Westens auf Georgien (sowohl in Bezug auf die zweite Front als auch auf den Abbruch der Beziehungen mit der Russischen Föderation) drastisch abnehmen. Außerdem werden die westlichen Länder daran interessiert sein, die Beziehungen zu Tiflis wiederherzustellen – schließlich brauchen sie keinen Präzedenzfall, bei dem sich ein prowestliches Land wieder Russland zuwendet.
Das Kabinett Trumps unterstützt die Hoffnungen der "Träumer". Kimberly Lowe, die Kandidatin für den Posten des US-Sonderbeauftragten bei der EU, erklärte:
"Die Beziehungen zwischen den USA und Georgien haben sich verschlechtert. Wir wissen, dass sich dies mit dem neuen Trump-Kabinett verbessern wird, und haben vor, bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Mitgliedschaft (EU-Mitgliedschaft, Anm. Wsgljad) mitzuwirken."
Sollten sich Kobachidses Annahmen bewahrheiten, wird Trump die Beziehungen zwischen den USA und Georgien ganz neu gestalten.
Trump wird Georgien vor dem Druck der europäischen Liberalen schützen – so wie er Ungarn, die Slowakei und andere konservativ geprägte Länder schützen wird. Auch wird er den Aufbau konstruktiver Beziehungen zu Moskau nicht verhindern (Georgien will der Eurasischen Wirtschaftsunion und der OVKS nicht beitreten – nur die Beziehungen zur Türkei auf Kosten Russlands ausgleichen und seine eigene Wirtschaft ankurbeln). Schließlich wird er Georgien als das erfolgreichste prowestliche Experiment im postsowjetischen Raum zu schätzen wissen.
Alle Hoffnungen der georgischen Behörden beruhen jedoch auf einer Voraussetzung: nämlich der, dass Trump einen Kurs zur Stabilisierung der Beziehungen zu Russland einschlagen wird. Wenn kein "Neustart" der russisch-amerikanischen Beziehungen stattfindet, ist nicht ausgeschlossen, dass der republikanische Präsident Georgien zwingen wird, sich dem Druck auf Russland anzuschließen. Und zwar durch Sanktionen, durch die Unterstützung der Ukraine und sogar durch eine zweite Front. Dann stehen die "Träumer" vor der Wahl: Entweder sie verabschieden sich von ihrem Traum, Georgien zu regieren, oder von dem Traum, das Land in Richtung Westen zu führen.
Doch in Tiflis zieht man es vor, vorerst von guten Dingen zu träumen und auf den 20. Januar zu warten, den Tag der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 8. Dezember 2024 zuerst in der Zeitung "Wsgljad" erschienen.
Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er erlangte seinen Abschluss an der Staatlichen Universität in Kuban und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Von 2005 bis 2016 forschte er am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.
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