Der ukrainische Machthaber Wladimir Selenskij hat in einer am späten Sonntagabend veröffentlichten Videoansprache baldige Raketenschläge gegen Russland angekündigt. Selenskij, dessen verfassungsmäßige Amtszeit als ukrainischer Präsident im Mai abgelaufen ist, nahm damit Bezug auf Medienberichte, wonach Joe Biden den Einsatz westlicher Mittel- und Langstreckenraketen auf international anerkanntes Territorium Russlands genehmigt habe.
Wörtlich sagte Selenskij in seiner Videobotschaft, die unter anderem auf seinem offiziellen Telegram-Kanal veröffentlicht wurde:
"Der Plan zur Stärkung der Ukraine ist der Siegesplan, den ich meinen Partnern vorgestellt habe. Einer der wichtigsten Punkte ist die Langstreckenschlagfähigkeit unserer Armee. In den Medien wird heute vielfach behauptet, wir seien zu Vergeltungsschlägen ermächtigt worden. Aber Schläge werden nicht mit Worten geführt. Solche Dinge werden nicht angekündigt. Die Raketen werden für sich selbst sprechen. Mit Sicherheit."
Auch Reuters schreibt am Sonntagabend unter Bezugnahme auf "informierte Quellen", dass ukrainische Raketenschläge gegen Russland in den nächsten Tagen zu erwarten sind.
Zuvor am Sonntag hatte die New York Times berichtet, dass der scheidende US-Präsident Joe Biden der Ukraine den Einsatz von Raketen des ATACMS-Systems auf international anerkanntes Staatsgebiet der Russischen Föderation genehmigt habe.
Die Waffen, so der Bericht, werden wahrscheinlich zunächst gegen die russischen Truppen in der russischen Region Kursk eingesetzt, so Beamte im US-Verteidigungsministerium, die The New York Times zitiert.
Etwas später tauchten unter anderem im französischen Le Figaro Meldungen auf, wonach auch der Einsatz französischer und britischer Landstreckenraketen "Storm Shadow" auf Ziele tief in Russland genehmigt sei. Das Weiße Haus und Pentagon weigerten sich auf Anfragen, die Berichte von NYT und Le Figaro zu kommentieren.
Der Sohn des gewählten US-Präsidenten Donald Trump hat die Berichte auf seinem X-Account inzwischen mit Empörung kommentiert. Er schrieb, der militärisch-industrielle Komplex der USA den Dritten Weltkrieg vom Zaun brechen, bevor sein Vater sein Amt antreten kann:
"Das Leben der Menschen? Kümmert sie nicht! Schwachköpfe!"
Auch die Kongressabgeordnete Marjorie Taylor-Green zeigte sich entsetzt. Biden wolle einen dritten Weltkrieg auslösen, indem er der Ukraine erlaube, Russland mit Langstreckenraketen zu beschießen, sagte sie. Die einfachen Amerikaner würden keine ausländischen Kriege führen und finanzieren wollen, was bei den Präsidentschaftswahlen bestätigt wurde, ergänzte Taylor-Green.
Die Sprecherin des Außenministeriums der Russischen Föderation Maria Sacharowa hatte bereits am Mittwoch gewarnt, dass die Antwort auf Schläge mit westlichen Waffen auf russisches Territorium "verheerend" ausfallen werde. Sie würden den Charakter des Konflikts drastisch verändern und ihn in eine neue Eskalationsphase bringen, in die NATO-Länder direkt hineingezogen werden, so Sacharowa.
Auch der russische Außenminister Sergei Lawrow hatte die NATO vor Verletzung der russischen roter Linie hinsichtlich Langstreckenraketen und Schlägen auf international anerkanntes russisches Staatsgebiet gewarnt. Die NATO befände sich dann in einem "offenen Krieg" mit Russland, warnte er am Dienstag.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bereits im September in einem TV-Interview gesagt, dass der Einsatz westlicher Langstreckenwaffen aus US-amerikanischer, britischer, französischer oder deutscher Produktion gegen international anerkanntes Staatsgebiet des Landes als unmittelbare Kriegsbeteiligung des jeweiligen Herstellerlandes gewertet werden wird, da er technisch nicht ohne die Beteiligung von Spezialisten aus NATO-Ländern möglich ist. Er beschrieb die Reaktion Russlands darauf damals nicht im Detail, machte aber deutlich, dass es eine Reaktion geben wird.
Nach dieser Ankündigung des russischen Staatsoberhaupts hatte Biden Pläne von Paris und London, Kiew den Einsatz von Storm Shadows auf Ziele tief in Russland zu genehmigen, blockiert. Ihr Einsatz ist ohne US-amerikanische Satellitendaten wenig wirksam und bedarf daher der Zustimmung Washingtons. Nach einer Visite von Keir Starmer ins Weiße Haus verschwand das Thema vorerst in der Versenkung, obwohl die Genehmigung laut Berichten auf britisches Betreiben bereits als "beschlossene Sache" galt.
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