Von Kirill Strelnikow
Vor dem Hintergrund des unartikulierten Quietschens internationaler politischer Mäuse unter dem Teppich machte der stellvertretende russische Außenminister Sergei Rjabkow gestern mehrere wichtige Ankündigungen.
Erstens könnte Russland den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den USA in Erwägung ziehen, falls diese "bei ihrem Versuch, uns zu bedrängen, alles auf eine Karte setzen". Zu den offensichtlich erfolglosen Schritten der "Bedränger" würden sowohl der Versuch, die eingefrorenen Vermögenswerte Russlands ‒ um die Selenskij in Erwartung eines möglichen Abstellens des Finanzhahns verzweifelt bettelt ‒ zu konfiszieren, als auch jegliche "Eskalationsmaßnahmen, die zu einer Komplikation der Situation an der Kontaktlinie in der Ukraine führen", zählen.
Zu solchen Eskalationsmaßnahmen würden zweifellos eine drastische Erhöhung der Militär- und Finanzhilfe, die versuchte Einführung von NATO-Soldaten in die Ukraine sowie die Erlaubnis für das Kiewer Regime gehören, mit westlichen Langstreckenwaffen tief in russisches Territorium vorzudringen.
Zweitens wird Russland in Kürze seine aktualisierte Nukleardoktrin vorlegen, die aufgrund der akuten Krise in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen und der Situation in der Ukraine unter bestimmten Umständen den Rückgriff auf die Nuklearoption ermögliche: "Sobald das Dokument in seiner endgültigen Form erscheint, wird alles, sozusagen, offengelegt werden. Jeder wird alles verstehen."
Auf den ersten Blick kontrastieren solche Äußerungen sehr stark mit der Meldungsflut nach dem Motto "Trump kommt, stellt die Ordnung wieder her und serviert den Russen den Kopf von Selenskij auf einem Tablett". In der Tat herrscht in Kiew und in den europäischen Hauptstädten eine wilde Panik: Selenskij eilte nach Budapest zu Trumps Freund Orbán, damit dieser ein gutes Wort für ihn einlegt, und bat dann um ein Telefonat mit Trump, während dem er ihn lange anflehte, ihn nicht im Stich zu lassen.
Der verängstigte französische Präsident Macron verlangte von Donald Trump "echte Zugeständnisse" von Russland im Falle von Ukraine-Verhandlungen. Der Chef der EU-Diplomatie, Borrell, eilte nach Kiew, um Trost zu spenden und eine "vorrangige Unterstützung für die Ukraine" zu versprechen. Der finnische Präsident Stubb sprach plötzlich vom Wiederaufbau der Beziehungen zu Russland. Der britische Premierminister gab zum Gefallen Trumps eine baldige Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 2,5 Prozent des BIP bekannt, und der polnische Präsident Duda eilte nach Washington, um Premierminister Tusks frühere Anti-Trump-Rhetorik dringend zu widerlegen. Und so weiter und so fort.
Einer der Hauptgründe für diese Erschütterungen ist die jüngste Veröffentlichung im Wall Street Journal. Dort wurde streng vertraulich der Friedensplan des neuen US-Präsidenten für die Ukraine dargelegt, der durch Leaks und Insider-Informationen von den sachkundigsten Personen und engsten Vertrauten erhalten wurde. Erwartungsgemäß erwies sich der Plan als hundertprozentig funktionstüchtig und so zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk: Einfrieren des Konflikts entlang der derzeitigen Frontlinie, Fixierung des ukrainischen Verzichts auf einen NATO-Beitritt für mindestens 20 Jahre, Schaffung einer 1.200 Kilometer langen Pufferzone zwischen den ukrainischen und den russischen Streitkräften, Einführung eines europäischen Militärkontingents in diese Zone, Verschiebung der Finanzierung aller ukrainischen Angelegenheiten von den USA auf Europa.
Und anscheinend ging der Kollektive Westen davon aus, dass all dies der Wahrheit entspricht und dass sich die "zerfetzten" Russen beeilen sollten, die Übergabeprotokolle zu unterzeichnen und ihre Tankstellen auf der Flucht zu verlieren.
Zur Überraschung westlicher Experten reagierte die russische Staatsführung sehr zurückhaltend auf Trumps rosige Versprechungen und den geleakten Plan. Der russische Präsidentensprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Veröffentlichung dieses Friedensplans als "abstrakt und entpersönlicht", während das russische Außenministerium erklärte, dass "die russische Seite bereit ist, sich die Vorschläge des designierten US-Präsidenten Donald Trump zur Lösung der Situation in der Ukraine anzuhören, wobei es jedoch keine einfache (und schnelle) Lösung für dieses Problem gibt".
Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass echte Verhandlungen nicht über die Veröffentlichungen westlicher Presse geführt werden: Dafür gibt es spezielle Kanäle, die sogar in den krisenanfälligsten Zeiten funktionstüchtig geblieben waren. Und niemand bei klarem Verstand würde Einzelheiten eines potenziellen Abkommens veröffentlichen, solange es nicht finalisiert ist (wenn es überhaupt als solches in Betracht gezogen würde).
Es wäre im Übrigen völlig unseriös, die Meldung eines derartigen Printmediums für bare Münze zu nehmen, das im Jahr 2022 autoritär behauptete, dass "Putin isoliert ist und nur von einer Gruppe von Falkenberatern unterstützt wird", und während des US-Präsidentschaftswahlkampfs erklärte, dass "Trump wieder wie ein Verlierer aussieht" und dass seine Aussagen in drei Kategorien eingeteilt werden könnten: "falsch, dumm und verrückt".
Trotz der von der russischen Staatsführung wiederholt erklärten Tatsache, dass unsere Ziele im Konflikt in der Ukraine klar definiert sind und nicht revidiert werden können, besteht immer die Möglichkeit, dass es auf der anderen Seite Personen gibt, die dies nicht nachvollziehen und die offensichtlichen Tatsachen akzeptieren können. Auch der künftige US-Präsident Donald Trump könnte in diese Kategorie fallen.
Deshalb vermittelt Russland der "anderen Seite" geduldig und konsequent, dass die schönen Versprechungen, den Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden, bestenfalls für ein internes Publikum im Eifer des Wahlkampfes gedacht sind, aber nicht der Realität entsprechen. Wladimir Putin, der dem Weltpublikum bisweilen als sanfter und bedachtsamer Mann erscheint, ist in Wirklichkeit ein hervorragender Psychologe und versteht Trumps Motivation sehr gut.
Trump ist ein sehr erfolgreicher milliardenschwerer Geschäftsmann sowie ehemaliger und künftiger Präsident eines der mächtigsten Länder der Welt. Alle Stufen der Maslowschen Pyramide (Bedürfnishierarchie) wurden von ihm bereits durchlaufen, und er hat nur noch eine vor sich: seinen Namen in der Geschichte zu hinterlassen. Dies könnte in Kombination mit Trumps Charaktereigenschaften zu dem starken Bestreben seinerseits führen, in der Ukraine-Angelegenheit alles "schnell, cool und schön" zu erledigen und im Falle eines Misserfolgs radikale Schritte zu provozieren.
Aus diesem Grund warnt Russland den künftigen Herrscher des Weißen Hauses auf sanfte Weise vor einem radikalen Vorgehen — es ist gefährlich, auch für die Geschichtsschreibung. Bei Russland handelt es sich eben nicht um Europa, Israel oder die Palästinensische Autonomiebehörde, denen Trump bereits erste Befehle erteilte.
Hoffentlich wurde es begriffen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 10. November 2024 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.
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