Markt unter Druck: Russisches Palladium und Titan im Visier der Sanktionen

Die USA fordern ein Verbot russischen Palladiums und Titans, die für Schlüsselindustrien unverzichtbar sind. Die EU zögert aufgrund strategischer Abhängigkeiten. Analysten warnen vor Preisexplosionen und Produktionsengpässen in der europäischen Wirtschaft.

Von Jelena Saweljewa

Washington drängt Brüssel, russisches Palladium und Titan zu verbieten. Die EU hat bisher darauf verzichtet, weil diese Materialien strategisch wichtig sind. Die Flugzeug- und Atomindustrie ist stark auf Titan angewiesen, während Palladium für Chips und Auto-Katalysatoren benötigt wird. Ob sich diesmal die Politik gegen die Wirtschaft durchsetzt, analysiert RIA Nowosti.

Lieferungen einschränken

Bloomberg berichtet, dass der Vorschlag bei einem Treffen der stellvertretenden Finanzminister der G7-Staaten in Washington diskutiert wurde. Die USA haben bereits auf russisches Titan verzichtet, kaufen aber weiterhin Palladium.

Auf das russische Bergbauunternehmen Nornickel entfallen 40 Prozent der weltweiten Palladiumproduktion. Auch bei Titan ist Russland mit einem Anteil von sechs Prozent nach China und Japan der drittgrößte Produzent. Der Konzern VSMPO-Avisma kontrolliert rund ein Viertel des weltweiten Titanmarktes.

Mit Engpässen konfrontiert

Russland liefert ein Drittel des Titans für Boeing in den USA, fast 50 Prozent für Airbus in Europa und fast 100 Prozent für Embraer in Brasilien. Im vergangenen Jahr sind die US-Importe um das Fünffache zurückgegangen (auf 47 Millionen Dollar), während die europäischen Importe mit rund 250 Millionen Dollar stabil geblieben sind, so Alexei Rawinski, Geschäftsführer der Zapusk Group.

Sanktionen würden vor allem die High-Tech-Industrien Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens treffen, etwa die Luft- und Raumfahrt und die Automobilindustrie, sagte Swetlana Sasanowa, stellvertretende Leiterin des Lehrstuhls für Institutionelle Ökonomie an der Staatlichen Universität für Management. Großbritannien könnte russisches Titan durch den Ausbau von Minen in Kanada und Australien ersetzen, aber Deutschland und Frankreich müssten auf teurere Lieferanten ausweichen.

Palladium kommt hauptsächlich aus Russland in die EU. Ein Verbot würde zu einem akuten Rohstoffmangel für Katalysatoren führen, ergänzt Pjotr Tschuwachin, Dozent für rechtliche Regulierung des Energiesektors am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen des russischen Außenministeriums.

Mangel bereits spürbar

Europa könnte auf Südafrika, Simbabwe oder Kanada ausweichen, aber deren Produktionskapazitäten sind begrenzt und können Ausfälle kurzfristig nicht kompensieren, betonte Tschuwachin.

China ist führend in der Titanproduktion (110.000 Tonnen pro Jahr, 46 Prozent des Weltmarktes), wobei fast die gesamte Menge auf dem Binnenmarkt verbraucht wird. Auch Japan (40.000 Tonnen, 17 Prozent) könne seine Exporte nach Europa nicht schnell steigern, sagte Wladimir Petrow, Mitglied der Intersessional Financial Advisory Group (IFAG) des IOC UNESCO.

Preisexplosion und Knappheit

Daraufhin hat der Markt bereits reagiert: Der Palladiumpreis stieg um fast 25 Prozent und überschritt erstmals in diesem Jahr die Marke von 1.240 Dollar pro Feinunze. Analysten gehen davon aus, dass die Sanktionen den Preis um weitere 50 Prozent in die Höhe treiben könnten ‒ mit entsprechenden Folgen für die Industrie.

Produktionslinien könnten stillgelegt werden und die Auslieferung von Flugzeugen könnte sich um sechs bis zwölf Monate verzögern. Palladium könnte theoretisch durch Platin ersetzt werden, aber das würde technologische Herausforderungen und höhere Kosten mit sich bringen. Auch der Ausbau von Recycling und Verarbeitung brauche Zeit und Investitionen, so Petrow.

Wie es heißt, gehe es der westlichen Wirtschaft wegen der antirussischen Sanktionen ohnehin nicht gut, eine Deindustrialisierung habe eingesetzt. Energieintensive Industrien verzeichneten Rückgänge von 10 bis 15 Prozent. Die größten Volkswirtschaften befinden sich in einer Rezession. Laut Eurostat sank die Industrieproduktion in der Eurozone von Juli 2023 bis Juli 2024 um 2,2 Prozent, in der EU um 1,7 Prozent.

Weitere Verbote könnten den Kontinent nur in zusätzliche wirtschaftliche Schwierigkeiten und eine drohende Rezession stürzen.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 4. November bei RIA Nowosti.

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