US-Wahlkampf: Trump spitzt zu – "Entweder ich oder Weltkrieg"

Mit Warnungen vor dem Dritten Weltkrieg versucht der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump sich Stimmen zu sichern. Doch unabhängig davon, wer ins Weiße Haus einzieht, besteht die Gefahr einer Eskalation. Für den Frieden sind sowohl Trump als auch Harris gefährlich.

Von Dmitri Bawyrin

Unruhe herrscht im sonnigen Kalifornien, betrübt sind die Gesichter der einfachen Kalifornier. Der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump ist zu einem Gastauftritt in einen Bundesstaat gekommen, wo ihn die Mehrheit nicht ausstehen kann, und warnte: Die Apokalypse sei nah, es bleiben drei bis vier Monate.

"Ich mache mir Sorgen über die nächsten drei bis vier Monate in der Hinsicht, dass wir uns in einem Weltkrieg wiederfinden, wegen Leuten, die bei uns in der Regierung sitzen."

Freilich werde ein Weltkrieg im Falle seiner Rückkehr ins Weiße Haus nicht passieren, verspricht Trump. Er werde schon sowohl den Konflikt in der Ukraine regeln als auch dem "Chaos im Nahen Osten" ein Ende bereiten.

Es ist Trumps Standard-Repertoire, ein Hit der letzten Wochen. Anstelle von "Make America great again" trat die Losung "Entweder ich oder Weltkrieg" (manchmal, zur Abwechslung, heißt es "Atomkrieg"). Der Republikaner meint, dass seine Gegnerin Kamala Harris – eine inkompetente Kichererbse mit niedrigem IQ, so Trump wörtlich – den Planeten in eine Katastrophe treiben werde, falls sie Präsidentin werde. Oder aber Trump werde kommen und alles richten.

Diese Rhetorik funktioniert. Die jüngsten landesweiten Umfragen zeigten die gleichen Werte bei beiden Kandidaten, allerdings überholt der Republikaner die Vizepräsidentin bei der Mehrheit der wichtigen sogenannten Swing States. Darüber hinaus geben die Befragten Trump Vorzug in Angelegenheiten der Wirtschaft, der Außenpolitik und des Ukraine-Konflikts. Dafür liegt Harris in Punkten wie Gesundheitsfürsorge und Bildungswesen vorn.

Einer von den beiden hat dem Land Angst eingejagt: entweder Trump mit seinen apokalyptischen Prognosen oder Harris, als ihr Verhalten Trumps Einschätzungen bestätigte. In jedem Fall gelang es dem älteren Milliardär, um den Politologen-Jargon zu bemühen, den negativen Trend umzukehren: Am Anfang des Herbsts lag er noch merklich hinter der frischeren und weniger faden Kandidatin Harris zurück. Also wird er weiter die Angst vor einem Krieg heraufbeschwören.

Kurz, es ist ein ganz gewöhnlicher Wahlkampf. Doch leider bedeutet dies nicht, dass in drei bis vier Monaten (eher später als früher) keine Krise kommt, die dem Dritten Weltkrieg oder einem ersten Atomkrieg gleichkäme. Allerdings ist eine Wahl Trumps keinesfalls eine Sicherheitsgarantie dagegen: Er könnte eine solche Krise durchaus selbst verursachen.

Im Fall des Nahen Ostens lügt Trump schlicht und ergreifend. Der Hauptgrund für das dortige Chaos ist Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der verbissen immer neue roten Linien im Gazastreifen, im Libanon und in Iran überschreitet und Washingtons Proteste ignoriert, wo der Krieg Harris' Wahlkampagne stört.

Netanjahu hat seine eigenen Motive. Ein Kriegsende würde für ihn einen Machtverlust und ein Ende der politischen Karriere bedeuten, in seinen Augen leuchtet der Wunsch, so viele Feinde wie möglich zu töten, zumal Israel bisher in allen Schlachten zu gewinnen scheint. Und vor allem hält er Biden für eine "lahme Ente" und wartet auf Trump, den israelfreundlichsten Präsidenten in der Geschichte der USA. Mit einem solchen Mann in Washington lassen sich noch mehr rote Linien überschreiten.

Wenn Trump tatsächlich hofft, "das Chaos zu beenden", verlässt er sich nur noch auf seine Unwiderstehlichkeit und auf sein gutes Verhältnis zu Netanjahu. Er rechnet damit, dass Israels Ministerpräsident einen solchen Prachtkerl wie ihn schon nicht abweisen und alles beenden werde, weil er auf Trump und nicht auf seine Machtliebe und sein Verständnis von Israels Interessen Rücksicht nehmen werde. Der wirkliche Netanjahu wird aber davon ausgehen, dass Trump Israel erst recht nicht fallen lässt, egal, was es treibt.

Was die Lage um die Ukraine angeht, lässt sie dem Hauptgegner Russlands – und das ist weder Joe Biden noch Kamala Harris, sondern das sind die USA als Staat – gar nicht so viele Optionen offen. Für Washington gute Optionen sind gar nicht dabei. Gut für die USA wäre diejenige Variante, bei der sich Russland Bedingungen aus einer Position der Stärke diktieren ließe – so etwas würden sich sowohl Harris als auch Trump selbst wünschen. Doch so etwas zeichnet sich nicht ab – die Ukraine ist gescheitert.

Erstens naht dort der Verlust von Krasnoarmeisk (Pokrowsk), der für die ukrainische Stahlindustrie fatal wäre. Zweitens brennt das Abenteuer des ukrainischen Militärs im Gebiet Kursk durch. Drittens erreicht die Jagd auf Kanonenfutter in der Ukraine eine neue Ebene: Männer werden buchstäblich überall eingefangen, und man droht bereits mit Wohnungsdurchsuchungen, die ukrainische Städte in ein Reich von Frauenneurose verwandeln würden.

Damit das ukrainische Projekt der USA nicht zusammenbricht, muss etwas getan werden, egal, ob man Trump oder Harris heißt. Von beiden sind unter den gegebenen Bedingungen gewisse Vorschläge an Moskau zu erwarten, um den Konflikt einzufrieren und der Ukraine und ihren Sponsoren eine Verschnaufpause zu gewähren. Doch alle Bedingungen Russlands zu akzeptieren käme für Washington einer Kapitulation gleich, deswegen wird das Weiße Haus als eine Art Kompromiss einen Plan vorlegen, der Moskaus Forderungen nur teilweise erfüllt.

Offensichtlich wird Russland die Kontrolle über jene Gebiete behalten, die seine Armee bis dahin besetzt. Ebenso offensichtlich ist, dass Washington die Grenzänderungen nicht offiziell anerkennen wird, zumal es seinerzeit nicht einmal den Beitritt der baltischen Staaten zur Sowjetunion anerkannt hatte. Moskau wird von Kiew das Versprechen erhalten, die Territorialfragen nicht mit Gewalt zu lösen zu versuchen, und Kiew bekommt vom Westen irgendwelche Sicherheitsgarantien, die eine Einbeziehung der NATO in den Konflikt im Falle seines Wiederaufflammens voraussetzen werden.

Nach geleakten Informationen zu urteilen, ist es das Beste, was Washington bisher vorschlagen kann. Dabei sind die besagten "Sicherheitsgarantien" entweder eine Einladung der Ukraine in die NATO oder einseitige Verpflichtungen der Allianzmitglieder, die dieser gleichkämen. In jedem Fall widerspricht dies Russlands Grundforderung nach einem neutralen Status der Ukraine.

Damit ist Moskaus Absage sicher, deswegen wird der Vorschlag durch die Drohung "wenn ihr nicht zustimmt, werden wir es tun" bekräftigt. Bei der Auswahl, was "es" sein könnte, haben sowohl Trump als auch Harris nur wenige Optionen. Es ist ein Eskalationsszenario, bei dem einige Forderungen von Wladimir Selenskij befriedigt werden. Wohl kaum wird es sich dabei um neue Waffenberge handeln, sondern eher um die Aufhebung der Beschränkungen für den Einsatz der vorhandenen Waffen, also der Langstreckenraketen.

Dies bringt alle zur Warnung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zurück, der betonte, dass eine solche Aktion als ein gemeinsamer Angriff der Ukraine und der NATO auf Russland gewertet würde, denn nur NATO-Spezialisten können den Langstreckenraketen die Ziele vorgeben.

Sollten die USA diese Warnung tatkräftig ignorieren, wird sich Europa tatsächlich am Rande eines Atomkriegs wiederfinden. Dies wird nicht vor den Wahlen im November und kaum vor dem Schichtwechsel im Weißen Haus geschehen, doch danach besteht das Risiko, dass der Meinungsaustausch zwischen Moskau und Washington recht kurz wird.

Die Ukraine ist noch nicht verzweifelt genug und der Westen noch nicht geschlagen genug, um sich so weit zurückzuziehen, dass es Russland zufriedenstellt. Doch auch Trump hofft vergeblich, dass sich Russland angesichts seines Charmes entwaffnen und auf eigene nationale Interessen verzichten wird. Und der reizbare und impulsive Milliardär sieht sogar eher als Harris nach jemandem aus, der aus einer Position der Stärke agieren und zu Drohungen greifen wird. Zumindest schert sich Harris nicht um die Ukraine. Und es ist kaum möglich, ein größerer Egozentriker als Trump zu sein.

Wegen der wahnsinnigen und selbstsicheren Aktionen des Westens gewann der militärische Konflikt eine Dynamik, die jetzt schwer überwunden werden kann. Wer auch immer zum neuen Präsidenten der USA wird, diese Person wird vor einer Wahl zwischen Eskalation und Kapitulation stehen. Und beide Kandidaten sind eher bereit, die Kapitulation sowohl aus politischen als auch aus persönlichen Gründen zu verweigern.

Trump behauptet, dass Harris den Dritten Weltkrieg entfesseln werde und er nicht. In Wirklichkeit sind beide gefährlich.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 16. Oktober.

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