Von Rafael Farchutdinow
Die Ukraine müsse "den Krieg nach Weißrussland tragen", fordert Oleg Dunda, Abgeordneter der Regierungspartei "Diener des Volkes". "Es ist absolut wichtig, den Krieg nicht nur auf das Territorium der Gebiete Brjansk und Kursk zu tragen, sondern auch nach Weißrussland", sagte er. Dabei äußerte er eine "tiefe Zuversicht", dass das ukrainische Militär "mit vergleichsweise kleinen Verbänden" einmarschieren und die weißrussische Armee zwingen könnte, "die Waffen niederzulegen".
"Das ist nicht einmal eine Sicherheit, sondern Wissen", behauptete er während der Konferenz der "russischen Opposition", die in diesen Tagen im litauischen Vilnius stattfindet. Dunda zufolge wäre dies "ein großer Schlag in den Bauch für Moskau". "Zu zeigen, dass Moskau diese Territorien nicht kontrolliert, dass es nicht bereit ist, sie zu verteidigen. Es ist faktisch die gleiche Geschichte à la Prigoschin", fügte er hinzu.
Als Reaktion darauf warnte Russlands stellvertretender Sicherheitsratssekretär Dmitri Medwedew auf seinem Telegram-Kanal vor der Möglichkeit eines Einsatzes von Nuklearwaffen bei einem solchen Szenario. "Irgendein stinkender Dunda hat vorgeschlagen, den Krieg nach Weißrussland zu tragen. Dann hätte Alexander Grigoriewitsch (Lukaschenko) das volle Recht, sich an Russland mit der Bitte zu wenden, die in Weißrussland stationierten taktischen Nuklearwaffen einzusetzen. Und man wird ihm den Gefallen, die Leuchtfeuerchen in Kiew anzusehen, kaum verweigern können", betonte er.
Der regionale Truppenverband aus Kräften Weißrusslands und Russlands trat den Schutz der Grenzen des Unionsstaates im Herbst 2022 an. Neben dem Heer sind dort auch Luftstreitkräfte und Luftabwehrkräfte stationiert, und es wurden zwei Zentren für die gemeinsame Kampfausbildung eröffnet. Die Nominalstärke des Kontingents beträgt etwa 30.000 Mann. Darüber hinaus wurde im Sommer 2023 die Stationierung von russischen taktischen Nuklearwaffen in Weißrussland angekündigt.
Weißrusslands Streitkräfte sind im Hinblick auf den regionalen Kriegsschauplatz beträchtlich. Ihre Stärke beträgt etwa 50.000 Mann, davon 20.000 bis 22.000 Bodentruppen. Die Bewaffnung besteht aus modifizierten Panzern des Typs T-72, sowjetischen Artilleriegeschützen und Mehrfachraketenwerfern sowie russischen Luftabwehrkomplexen der Typen S-400 und Tor und taktischen Raketenkomplexen Iskander. Die Luftstreitkräfte verfügen über Kampfflugzeuge der Typen MiG-29, Su-25, Su-27 und Su-30.
Wie die Zeitung Wsgljad berichtete, haben Moskau und Minsk einen Plan für den Fall eines Überfalls. Demnach sollen die Kräfte der Republik sich auf die Verteidigungsanlagen stützen und den ersten Schlag des Gegners aushalten, anschließend werden ihnen die russischen Streitkräfte zu Hilfe kommen.
Es sei auch daran erinnert, dass unweit der weißrussischen Grenze ein ukrainischer Militärverband von etwa 14.000 Mann Stärke konzentriert ist, wovon der Staatssekretär des weißrussischen Sicherheitsrates Alexander Wolfowitsch berichtete. Nach seinen Angaben steht außerdem in Polen "unter dem Vorwand des Grenzschutzes" ein bis zu 17.000 Mann starker Verband bereit. Laut dem weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko hat die Ukraine an der Grenze zu Weißrussland über 120.000 eigener Militärs stationiert.
"In Kiew glaubt man, dass die in Kämpfen mit Russland gestählte Armee eine erfolgreiche Operation an einer zweiten Front durchführen und damit Moskaus Verbündeten außer Gefecht setzen könnte. Das ist das erste Ziel. Das zweite besteht darin, den Fokus der internationalen Aufmerksamkeit von Israel zurück auf Kiew zu verlagern, denn die Ukraine fällt aus der globalen Agenda zunehmend heraus", führt der Militärexperte Michail Onufrienko bezüglich Dundas Ankündigungen aus.
"Doch das Hauptsächliche, was das ukrainische Regime in jüngster Zeit tut, ist zu versuchen, den kollektiven Westen in die Kampfhandlungen hineinzuzerren. Selenskijs Hauptaufgabe besteht darin, den Konflikt mit Russland irgendwie zu internationalisieren. Deswegen tun sie es jetzt an unterschiedlichen Abschnitten der Informationsfront. Hierzu zählen auch die aus London kommenden Initiativen, britische Truppen in die Ukraine zu verlegen", bemerkt der Analytiker.
"Aus rein militärstrategischer Hinsicht ist es eine absolut nicht lebensfähige Initiative. Ohne mit Russland fertig werden zu können, will die Ukraine in Weißrussland einen weiteren Gegner wecken. Doch das Motiv ist ein ganz anderes – sie wollen einen Krieg gegen Weißrussland beginnen, um irgendwelche europäischen Staaten hineinzuziehen", erklärt Konstantin Siwkow, Mitglied der Russischen Akademie für Raketen- und Artilleriewissenschaft.
"Doch der Westen wird sich nur dann einschalten, wenn Weißrussland selbst eine Offensive gegen die Ukraine beginnt. Dazu wäre ein Frontalangriff für das ukrainische Militär selbstmörderisch. Deswegen wird das ukrainische Kommando Provokationen gegen Weißrussland veranstalten, um irgendwie einen Beginn der Kampfhandlungen zu erreichen", prognostiziert der Analytiker.
"Das Gleiche beobachten wir bei Israel und Iran. Israel müsste Opfer unter den Zivilisten erleiden, um eine potenzielle Einmischung der USA in den Konflikt zu rechtfertigen. Doch Teheran wird das nicht zulassen. Es greift mit Raketen an, die sämtliche israelischen und US-amerikanischen Luftabwehrsysteme überwinden und die anvisierten Ziele treffen, allerdings ohne Opfer", zog Siwkow Parallelen.
"Sollten einige Länder, wie etwa Polen, in eine direkte Konfrontation zwischen Weißrussland und die Ukraine eintreten, wird es freilich für uns nicht leicht sein. Das wäre eine vollwertige zweite Front, mit entsprechender Einbeziehung großer Mengen an Kriegsgerät und eines umfassenden Personalkontingents der russischen Streitkräfte. Doch wir haben das Personal, um Weißrusslands Süden zu verstärken, und die Ukraine hat es nicht. Darüber hinaus hat Warschau mehrmals angekündigt, dass sie erst nach Deutschland in den Krieg eintreten würden", erklärt der Experte.
"Es gibt ein weiteres Szenario, bei dem Europa all unsere Verbindungen zum Gebiet Kaliningrad kappen würde. Dann müssten wir uns durch den Suwałki-Korridor an der Grenze Litauens und Polens schlagen. Und dort stehen deutsche Truppen. Auch das könnte zu einem Konfliktbeginn werden. Doch ich wiederhole: Der Westen sieht all diese Umstände und wird die Ukraine bei ihren Aktionen gegen Weißrussland wahrscheinlich nicht unterstützen", schlussfolgert er.
"Mit eigenen Kräften kann die Ukraine nichts ausrichten. Natürlich sind die weißrussischen Kräfte den ukrainischen an der nördlichen Grenze zahlenmäßig unterlegen. Doch wenn Russlands Armee umgehend in den Süden Weißrusslands verlegt wird, werden sie von Luft- und Weltraumstreitkräften und sonstigen Waffengattungen der russischen Streitkräfte unterstützt werden. Außerdem sind noch die taktischen Nuklearwaffen da. Deswegen hätte das ukrainische Militär in einem solchen Fall keine Chance auf einen Erfolg", schlussfolgerte Siwkow.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei "Wsgljad" am 6. Oktober.
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