Drohneneinsatz in der Ukraine lässt US-Militär umdenken

Anscheinend beeinflusst die Analyse der russischen und ukrainischen Kampferfahrungen während der militärischen Sonderoperation in der Ukraine das US-amerikanische militärische Denken stark. Was hat die Sonderoperation in diesem Sinne gezeigt – und wie versucht das US-Militär nun, Schritt zu halten?

Von Alexander Timochin

Die US-Armee beschäftigt sich aktiv mit den Erfahrungen beim Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge in der Ukraine und hat ein eigenes Programm zur Robotisierung der Truppen. Dieses Programm spiegelt die wichtigste Eigenschaft der US-Militärkultur wider – die Fähigkeit, aus den Fehlern und Erfahrungen anderer zu lernen.

Vor einiger Zeit zeigte eine Analyse der Programme zur Robotisierung der US-Armee, dass die USA bis zu einem gewissen Punkt in dieselbe Richtung tendierten wie einst ihre russischen Kollegen. Sie versuchten, die Armee mit komplexen und teuren Systemen zu überschwemmen, die a priori nicht in großen Mengen produziert werden können und zudem hochqualifiziertes und zahlreiches Personal erfordern.

Das gegenteilige Vorgehen wurde von den syrischen Terroristen praktiziert, dem die ukrainischen Streitkräfte in hundertmal größerem Umfang folgen. Der Ansatz der ukrainischen Streitkräfte ist einfach: Sie produzieren Millionen billiger und primitiver First-Person-View-Drohnen (FPV) für den Einsatz gegen gepanzerte Fahrzeuge und eine Menge nicht sehr komplexer "Flügel" zur Steuerung dieser Drohnen. Ihre Infanterie begnügt sich zwar mit importierten, aber in Massenproduktion hergestellten chinesischen Mavic- und Autel-Drohnen. Erst später begann die russische Armee, die ukrainischen Streitkräfte in diesem Bereich einzuholen, und glich die Überlegenheit der ukrainischen Streitkräfte bei FPV-Drohnen mit Luftbomben und schweren Waffen aus.

Mittlerweile beherrschen FPV-Drohnen das Kampffeld. Die ukrainischen Streitkräfte setzen sie für ihre gesamte Armee ein. Auch Russland kämpft mithilfe von FPV, die den ukrainischen Streitkräften den größten Schaden zufügen.

Und während Russland über die Technologie verfügt, um wirksame Abwehrwaffen gegen dieses Angriffsmittel zu entwickeln, hat die Ukraine diese nicht. Radioelektronische Kampfmittel sind nicht immer hilfreich – beide Kriegsparteien finden neue Frequenzen zur Steuerung von Drohnen. Von russischer Seite wurden bereits Drohnen eingesetzt, die mit Glasfaserkabeln anstelle von Funksteuerung funktionieren. Die ähnlichen FPV-Drohnen deutscher Herstellung werden bis Ende des Jahres auch bei den ukrainischen Streitkräften zum Einsatz kommen. Beide Seiten experimentieren aktiv mit Zielsuchsystemen und automatischen, völlig autonomen Zielselektionssystemen. Im Prinzip ist das alles schon einsatzbereit.

FPV-Drohnen werden nie wieder vom Kampffeld verschwinden. Dabei kann eine Drohne, die weniger als 100.000 Rubel kostet, problemlos einen teuren Panzer zerstören.

FPV-Drohnen können direkt von den Truppen zusammengebaut werden. Es ist möglich, sie modular zu gestalten, sodass die Antennen bei Bedarf ausgetauscht werden können und die Zielsuchmodule direkt im Verlauf der Kampfhandlungen hinzugefügt oder entfernt werden können. Solche Arbeiten sind in den ukrainischen Streitkräften weitgehend organisiert. In unserer Armee sind sie in vielen Einheiten, in denen es Freiwillige mit technischer Ausbildung gibt oder die von zivilen Freiwilligen unterstützt werden, ebenfalls bereits im Gange, wenn auch nicht immer mit dem richtigen Maß an Zentralisierung und Standardisierung.

Und genau das haben die USA lange Zeit unterschätzt. Sogar jetzt kann man viele Meinungen finden, dass FPV-Drohnen "Waffen der Armen" sind. Schließlich hätten sie Langstrecken-Panzerabwehrraketensysteme mit TV- und Wärmebildsteuerung und einem Sprengkopf, der um ein Vielfaches stärker sei als FPV, und sie bräuchten so etwas nicht.

Es war und bleibt ein großer Fehler ihrerseits. Man könnte froh sein, dass sie an diesem Fehler festhalten. Aber es scheint, dass sie vor Kurzem doch die richtigen Schlüsse gezogen haben.

Im September dieses Jahres veröffentlichte das Erste Kommando für Spezialeinheiten (Luftlandeeinheit) in Fort Liberty, dem Zentrum aller Spezialeinheiten der US-Armee, ein höchst interessantes Dokument. Sein Inhalt zeigt, dass die US-Militärführung ihre konventionellen Ansätze aufgibt und nun die "kleine Robotisierung" ihrer Truppen forciert.

Das Dokument trägt den Titel "Technische Aufgabenstellung für eine robotergestützte Spezialeinheit für ansatzlos integrierte Drohnenmontage innerhalb der Einheit". Es besagt Folgendes: Im Frühjahr 2024 gründeten die Spezialeinheiten der US-Armee die "Robotereinheit für Spezialeinsätze" – Special Operations Robotics Detachment, SORD. Die Aussprache der Abkürzung dieser Einheitsbezeichnung ist ununterscheidbar vom englischen Wort für Schwert" – sword.

Das passierte noch im Frühjahr, aber jetzt gibt es so viele dieser "Schwerter", dass ihre Kommandeure in sozialen Netzwerken zu finden sind. So kann man z. B. auf dem in Russland verbotenen sozialen Netzwerk Linked problemlos Hauptmann Adam Oyler finden, den Kommandeur der Robotereinheit SORD, die zur 7. Gruppe für Spezialeinsätze gehört. Die Aufgabe von SORD besteht in der Ausführung von Aufgaben durch Maschinen, die früher von Menschen geleistet wurden.

Von Oyler erfahren wir, dass die SORD aus Piloten unbemannter Luftfahrzeuge (UAV), Wartungstechnikern, Geheimdienstanalysten, Fernmeldespezialisten und den Soldaten selbst besteht, die Militäraufgaben zwar mit der Waffe in der Hand, aber unterstützt von Drohnen ausführen. Die Integration von Drohnen und Soldaten erfolgt auf der engsten Ebene. Die Gesamtpersonalstärke ist nicht angegeben, aber es gibt allein 22 Piloten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die gesamte Einheit knapp unter ein paar hundert Militärs umfasst.

Aber SORD in seiner ursprünglichen Form ist genau der traditionelle US-Ansatz, der oben erwähnt wurde: teure Drohnen, hochmoderne Aufklärungs- und Kommunikationssysteme, einzigartige Technologien. Damit kann man keinen Krieg gewinnen, wenn er mit denselben Methoden geführt wird, die in der Ukraine zum Einsatz kommen.

Die vom Kommando der Spezialeinheiten der US-Armee herausgegebene technische Aufgabenstellung sieht vor, dass die SORD (im Dokument wurde die 5. Gruppe für Spezialeinsätze und ihre Robotereinheit genannt) ihre eigene Produktion kleiner UAV innerhalb der Einheit einrichten soll. Beim Lesen dieser Aufgabenstellung wird sofort klar, dass es sich bei den UAV um FPV-Drohnen handelt. Deren Herstellung soll die Einheit im Rahmen der Ausbildung erlernen.

Das Ganze ist klar geregelt. Die SORD der 5. Gruppe für Spezialeinsätze erhält entsprechende Auflistungen von Ausrüstungsgegenständen, Komponenten und sogar Drohnen, die zu erwerben sind. Dies ist notwendig, um sowohl die Herstellung und Entwicklung von Drohnen als auch deren Einsatz zu erlernen.

In den Auflistungen der Ausrüstungen und Güter, die die Einheit erhalten soll, findet man viele FPV-Trainingsdrohnen verschiedener Typen sowie Bausätze mit Komponenten für den FPV-Testbau durch Militärs. Außerdem gibt es Messgeräte und Instrumente zur Untersuchung des Drohnenaufbaus und der Funktionsweise seiner Systeme sowie zur späteren Reparatur, Diagnose und Montage. Vorgesehen ist alles: 60 Motoren für Testaufbauten, Propellersätze, Kameras und Verbrauchsmaterial, 3D-Drucker – wirklich alles. Sogar Lötzinn zum Löten und natürlich Lötstationen sind inbegriffen.

Es würde bei den russischen Streitkräften viel Zeit in Anspruch nehmen, all diese Ausrüstung von Freiwilligen zu beschaffen. Die USA versorgen ihre Einheiten auf zentraler Basis mit allem, was sie brauchen. Ein Soldat, der mit einem Heft und einem Stift zu einem Lehrgang kommt, verlässt diesen als ausgebildeter FPV-Techniker- und Drohnenmonteur und kann sogar eine Drohne steuern.

Die 5. Gruppe für Spezialeinsätze muss bis Mitte Februar 2025 ihre Kompetenzen unter Beweis stellen, aus Standardkomponenten FPV-Drohnen herzustellen, die an die aktuelle Aufgabenstellung und Umgebung angepasst sein sollen. Dann werden die USA versuchen, die erworbenen Kenntnisse irgendwo in Syrien oder im Irak anzuwenden. Sie werden Fehler identifizieren, sie korrigieren, die FPV-Drohneneinheit in ihre endgültige Form bringen, Fachliteratur über die Kampferfahrungen verfassen und Anweisungen für die Ausbildung des Personals erstellen. Dann werden sie dieses fertige, funktionierende Modell des FPV-Drohneneinsatzes auf alle Spezialeinheiten (Green Berets) übertragen, was bis Herbst 2025 zu erwarten ist.

Dann soll diese Thematik höchstwahrscheinlich auch bei den Bodentruppen eingeführt werden. Da die Green Berets mit der Ausbildung ausländischer Truppen betraut sind, werden sie problemlos mit ihren eigenen Truppen zurechtkommen, wobei die gesamten Ausbildungsunterlagen und die Ausrüstung bereits zur Verfügung stehen werden.

Mit diesem Tempo sind die USA in der Lage, bis Ende 2026 sowohl Russland als auch die Ukraine beim Einsatz von FPV-Drohnen zu überholen, und zwar ohne Kampfhandlungen in der Ukraine.

Das US-Beispiel wirft eine wichtige Frage auf – das Tempo der Adaption der heimischen Streitkräfte an neue Formen der Kriegsführung. Es gibt Indizien dafür, dass die nicht an Kampfhandlungen beteiligten USA bei der Übernahme unserer eigenen Kampferfahrungen mit uns wenigstens Schritt halten. Das ist inakzeptabel.

Die russische Armee steht im Hinblick auf den organisatorischen Wandel vor vielen Herausforderungen. Eine dieser Herausforderungen besteht darin, den Gegner bei der Analyse der Kampferfahrungen, bei der Vermittlung der notwendigen Schlussfolgerungen an die Streitkräfte und bei der Schnelligkeit der Truppenausbildung im Hinblick auf alles aus den Kampferfahrungen resultierende Neue zu übertreffen. Andernfalls könnten uns sehr unangenehme Überraschungen erwarten, wenn wir auf diejenigen treffen, die ordentlich gelernt haben.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 3. Oktober 2024 zuerst auf der Seite der Zeitung Wsgljad erschienen.

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