Erstmals seit Jahrzehnten: Peking testet öffentlich Interkontinental-Rakete im Pazifik

China hat zum ersten Mal seit vielen Jahren eine Interkontinental-Rakete in Richtung Pazifik abgefeuert. Das Verteidigungsministerium bezeichnet den Test als eine "Routinemaßnahme". Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund, dass Peking seine Atomstreitkräfte modernisiert.

Am Mittwochmorgen hat China zum ersten Mal seit 44 Jahren eine ballistische Interkontinental-Rakete getestet, teilt das Verteidigungsministerium des Landes mit. Wie es heißt, hätten die Raketentruppen die mit einer Sprengkopfattrappe ausgestattete Rakete auf den Pazifischen Ozean abgefeuert. Die Rakete sei in die "erwarteten Seegebiete" gefallen. "Dieser Teststart ist eine Routinemaßnahme in unserem jährlichen Trainingsplan. Er steht im Einklang mit dem Völkerrecht und der internationalen Praxis und ist nicht gegen ein Land oder ein Ziel gerichtet", so das Ministerium. 

Peking habe "die betroffenen Länder" im Voraus informiert, heißt es in einer Mitteilung der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Der Raketenstart sollte "die Leistungsfähigkeit von Waffen und Ausrüstung und den Ausbildungsstand der Truppen effektiv testen".

Solche Testübungen, bei denen Langstreckenraketen auf das Meer abgefeuert werden, halte das chinesische Militär nur selten ab, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. China ziehe es vor, solche Tests ohne Vorwarnung in isolierten Provinzen, wie der Inneren Mongolei, durchzuführen.

Chinas Raketentruppen, die für die konventionellen und nuklearen Raketen des Landes zuständig sind, wurden mit der Modernisierung der Atomstreitkräfte des Landes beauftragt. Reuters weist darauf hin, dass das hohe Tempo, mit dem China seine Atomwaffen aufrüstet, über ein notwendiges Mindestmaß an Abschreckung hinausgehe. Das heißt, es sei mehr als das minimale strategische Arsenal, das benötigt wird, um Angriffe zu verhindern.

Nach Schätzungen des Pentagons sei China im Besitz von mehr als 500 atomaren Sprengköpfen, davon etwa 350 Interkontinental-Raketen. Bis 2030 werde das chinesische Militär über mehr als 1.000 Sprengköpfe verfügen. Derzeit haben die USA und Russland jeweils 1.770 beziehungsweise 1.710 einsatzbereite Sprengköpfe.

Der letzte Test dieser Art, der öffentlich gemacht wurde, hat in den 1980er Jahren stattgefunden. "Der Abschuss auf den Ozean erfordert eine vorherige Kommunikation mit den Ländern in der Region", erklärte James Char, Assistenzprofessor an der Technischen Universität Nanyang in Singapur, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg.

China feierte seinen ersten erfolgreichen Interkontinental-Raketentest im Mai 1980 und war damit das dritte Land, dem dies gelang. 

Dieser jüngste öffentliche Test erfolge vor dem Hintergrund der anhaltenden Spannungen zwischen China und den USA, so Bloomberg. Zu den heiklen Themen gehöre die Insel Taiwan, die Peking unter seine Kontrolle zu bringen versucht und deren Verteidigung vor einer chinesischen Invasion US-Präsident Joe Biden versprochen hat.

"Dies ist eine ziemlich mutige und provokative Erklärung, und ich denke, der Zeitpunkt ist ziemlich gut gewählt", sagte Drew Thompson, Wissenschaftler an der Nanyang-Universität, gegenüber Bloomberg. Der Raketenstart solle der Welt zeigen, dass Peking seine strategischen Waffen auf jedes Land richten könne.

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