"Aufstachelung zu Hass" – EU-Außenbeauftragter Borrell will israelische Minister sanktionieren

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat den Regierungen der 27 EU-Staaten einen Vorschlag für Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder unterbreitet. Die Sanktionen würden zwei Minister im Kabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu treffen.

Wie mehrere EU-Beamte der Nachrichtenagentur dpa kurz vor einem EU-Außenministertreffen am Donnerstag bestätigten, plant der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder.

Bestraft werden sollen demnach Finanzminister Besalel Smotritsch und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Sowohl Smotritsch als auch Ben-Gvir sorgten zuletzt mit Äußerungen gegen Palästinenser für Empörung und sind rechtsextreme Koalitionspartner von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Zudem sind beide Verfechter der aus Sicht des Internationalen Gerichthofs (IGH) illegalen Siedlungspolitik in besetzten Gebieten im Westjordanland.

Ben-Gvir hatte sich zuletzt unter anderem dafür ausgesprochen, Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu stoppen, um die dort herrschende Terrororganisation Hamas zum Aufgeben zu bewegen. Ähnlich äußerte sich Smotritsch. Er bezeichnete eine mögliche Blockade von Hilfsgütern bis zur Freilassung aller israelischen Geiseln der Hamas als moralisch und gerechtfertigt, selbst wenn das den Hungertod von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen bedeuten würde.

Dem Vorstoß Borrells zufolge könnten die Sanktionen gegen Smotritsch und Ben-Gvir wegen Aufstachelung zu Hass und Menschenrechtsverletzungen verhängt werden. Es müssten demnach in der EU vorhandene Vermögenswerte dieser Politiker eingefroren werden, und sie dürften nicht mehr in die Europäische Union einreisen.

Bremst Deutschland wieder?

Ob und wann der Vorschlag umgesetzt werden könnte, ist noch unklar. Hintergrund ist, dass Sanktionsbeschlüsse in der EU einstimmig gefasst werden müssen und Länder wie Deutschland, Tschechien und Ungarn Sanktionsforderungen gegen Israel bisher kritisch gegenüberstanden.

Als ein Argument gegen eine Sanktionierung der Minister nennen Diplomaten in Brüssel die anhaltenden Bemühungen um eine Deeskalation des Konflikts im Nahen Osten. Vor diesem Hintergrund könnte es kontraproduktiv sein, durch Sanktionen Gesprächskanäle in die israelische Regierung zu gefährden, heißt es.

Bis jetzt hat die EU nur Sanktionen gegen einige radikale israelische Siedler und deren Strukturen verhängt.

Der israelische Außenminister Israel Katz schrieb am Mittwochabend auf der Plattform X:

"Wir arbeiten unermüdlich mit unseren europäischen Verbündeten zusammen, um israelfeindliche Entscheidungen auf dem morgigen Treffen der EU-Außenminister zu verhindern, die von israelfeindlichen Elementen vorangetrieben werden."

Angesichts einer "Bedrohung Israels durch den Iran und seine stellvertretenden Terrororganisationen" müsse die "freie Welt an der Seite Israels stehen und dürfe sich nicht gegen das Land wenden."

Dennoch werden Forderungen nach einem Kurswechsel der EU im Umgang mit Israel lauter. So forderte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kurz vor dem EU-Außenministertreffen scharfe europäische Sanktionen wegen der israelischen Siedlungspolitik im Westjordanland.

In einem Brief an die Teilnehmenden sprach sich Amnesty für ein umfassendes Waffenembargo und ein Verbot von Investitionen in bestimmte israelische Unternehmen und Banken aus. Zudem empfahl die Organisation, in der EU den Handel mit Gütern aus israelischen Siedlungen in besetzten Gebieten zu verbieten. Auch Ostjerusalem solle darin eingeschlossen werden.

"Israel muss Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht nachkommen"

Unterdessen zeigte sich UN-Generalsekretär António Guterres zutiefst besorgt über die explosive Lage im Westjordanland und Israels großen Militäreinsatz in dem besetzten Gebiet. "Er verurteilt auf das Schärfste den Verlust von Menschenleben, darunter auch von Kindern", sagte sein Sprecher Stéphane Dujarric. Der Generalsekretär fordere die sofortige Beendigung dieser Einsätze.

Israel müsse seinen Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht nachkommen und Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergreifen. Israel hatte zuvor einen großen Militäreinsatz im nördlichen Westjordanland begonnen, bei dem es nach offiziellen palästinensischen Angaben auch mehrere Tote gab.

Israel hatte das Westjordanland, den Gazastreifen und Ostjerusalem im Sechstagekrieg von 1967 erobert und besetzt. Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen eigenen Staat. 2005 räumte Israel zwar den Gazastreifen, es kontrolliert aber weiter die Grenzen zu Lande, zur Luft und auf dem Wasser.

In einem am 19. Juli 2024 veröffentlichten Gutachten stufte der IGH die israelische Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten als Verstoß gegen das Völkerrecht ein. Das UN-Gericht erklärte:

"Das Überführen von Siedlern ins Westjordanland und nach Jerusalem sowie die Aufrechterhaltung ihrer Präsenz durch Israel verstößt gegen Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention." 

Palästinenser seien einer systematischen Diskriminierung ausgesetzt. Das Gericht forderte die Zahlung von Reparationen und die Rückgabe des seit 1967 von Israel in Besitz genommenen Lands.

Der Gerichtshof war Ende Dezember 2022 von der UN-Vollversammlung mit der Erstellung des rechtlich nicht bindenden, aber politisch und diplomatisch bedeutsamen Gutachtens beauftragt worden.

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