Die Nord-Stream-Pipelines waren ein "legitimes Ziel" für die Ukraine im Konflikt mit Russland, sagte der tschechische Präsident Petr Pavel.
Er betonte jedoch gleichzeitig, dass ihm keine Informationen vorliegen, die bewiesen, dass Kiew tatsächlich hinter dem Angriff auf die Energieinfrastruktur steckt.
In einem Interview mit dem Magazin Novinky.cz wurde Pavel am Mittwoch gebeten, zu einem Artikel des Wall Stall Journal Stellung zu nehmen. In diesem war behauptet worden, dass die Explosionen vom September 2022, die die wichtige Energieinfrastruktur für die Lieferung von russischem Gas nach Deutschland und Westeuropa zerstörten, von Kiew verübt worden waren.
Den Quellen der US-Zeitung zufolge hatte der ukrainische Staatschef Wladimir Selenskij, der den Anschlag zunächst gebilligt hatte, später auf Druck der CIA versucht, ihn abzublasen, doch der damalige Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte Waleri Saluschny hatte die Operation dennoch durchgeführt.
Der tschechische Präsident betonte zunächst, dass er über keine "eindeutig belastenden" Informationen verfüge, die Kiew mit dem Anschlag auf Nord Stream in Verbindung bringen würden.
Er wies jedoch darauf hin, dass "ein bewaffneter Konflikt nicht nur gegen militärische Ziele, sondern auch gegen strategische Ziele geführt wird. Und Pipelines sind ein strategisches Ziel".
"Keine andere Möglichkeit, als die Ukraine zu diesem Zeitpunkt zu unterstützen"
Wenn die Sabotage der Nord-Stream-Pipeline "darauf abzielt, die Gas- und Öllieferungen nach Europa und [den Geldfluss] zurück nach Russland zu unterbrechen, dann (...) wäre das ein legitimes Ziel", sagte Pavel, der ein ehemaliger NATO-General ist.
Er fügte hinzu:
"Pipelines waren und werden immer Ziele sein, weil sie das Potenzial haben, den Konflikt in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen."
Der tschechische Präsident räumte ein, dass eine nachgewiesene Rolle der Ukraine bei der Zerstörung von Nord Stream 1 und 2 "die Bereitschaft der Länder [in der EU] beeinträchtigen könnte, die Ukraine in ihrem Kampf mit Russland zu unterstützen". Und weiter:
"Andererseits haben wir keine andere Möglichkeit, als die Ukraine zu diesem Zeitpunkt zu unterstützen. Es geht nicht darum, ob wir die Ukraine mögen oder nicht, sondern darum, ob wir in einer Welt leben wollen, in der ein Land ein anderes überfallen kann, nur weil es größer und stärker ist."
Hochrangige Beamte in Moskau, darunter der russische Präsident Wladimir Putin, hatten zuvor die USA als möglichen Schuldigen für die Sabotage der Nord-Stream-Pipeline ausgemacht.
Sie argumentierten, dass Washington über die technischen Mittel zur Durchführung einer solchen Operation verfüge und außerdem am meisten von dem Angriff profitiere, der die russischen Energielieferungen an die EU unterbrochen und die Umstellung auf teureres, von den USA geliefertes Flüssigerdgas erzwungen habe.
Anfang 2023 hatte der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Journalist Seymour Hersh berichtet, dass Taucher der US-Marine unter dem Deckmantel einer NATO-Übung Sprengsätze an den Nord-Stream-Pipelines angebracht hätten, die später auf Anweisung von US-Präsident Joe Biden zur Explosion gebracht worden seien.
Das Weiße Haus hatte diese Erkenntnisse als "völlig falsch und frei erfunden" zurückgewiesen.
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