Einige NATO-Verbündete der Ukraine halten sich nicht an ihre Versprechungen, die Lieferung von Luftabwehrsystemen und anderer Abwehrausrüstung zu beschleunigen, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Dienstag mit Bezugnahme auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Die Wehrtechnik, die der Ukraine auf dem NATO-Gipfel in Washington im Juli zugesagt wurde, umfasst mindestens fünf Langstreckensysteme.
Am 6. August haben die ukrainischen Streitkräfte ihre Offensive auf das russische Gebiet Kursk begonnen. Wladimir Selenskij hat wiederholt an die westlichen Verbündeten appelliert, der Ukraine die Militärtechnik so schnell wie möglich bereitzustellen. Er beklagte, dass die Lieferung weiterer US-Waffen an die Front zu lange dauere. "Der Krieg kennt keine Ferien", sagte Selenskij in einer abendlichen Videoansprache. Er bat die westlichen Verbündeten, insbesondere die USA, Großbritannien und Frankreich, um schnelleren Nachschub an Waffen und Munition. "Wir müssen die Versorgung durch unsere Partner beschleunigen, wir bitten darum." Die Ukraine brauche Lösungen, sie sei vor allem auf ein rechtzeitiges Eintreffen der zugesagten Hilfepakete angewiesen, so Selenskij.
Bei dem NATO-Treffen haben die USA, Deutschland und Rumänien jeweils die Überlassung eines Patriot-Systems versprochen. Ein viertes Flugabwehrsystem wird auf Komponenten basieren, die von mehreren Ländern bereitgestellt werden sollen. Italien hat die Lieferung eines Boden-Luft-Raketensystems vom Typ SAMP/T an Kiew zugesagt. Weitere Verbündete haben sich dazu verpflichtet, anderes Kriegsgerät zur Verfügung zu stellen.
Am Dienstag hat Selenskij in einer abendlichen Ansprache erklärt, er habe mit den Partnern über die Lieferung neuer Luftabwehrsysteme gesprochen. "Heute haben wir mit unseren Partnern über unsere Arbeit an der Luftverteidigung gesprochen – über neue Systeme für die Ukraine. Wir bereiten die Verstärkung vor", so Selenskij.
Jedoch sehe es nicht danach aus, dass Kiews NATO-Verbündete ihre Versprechen bis zum Herbst erfüllen werden, so Bloomberg. Während Russlands Truppen vorrückten, bleibe die Unterstützung der ukrainischen Verbündeten uneinheitlich, sagte ein Beamter gegenüber Bloomberg. Ein anderer erklärte, einige Partner Kiews seien mit der Bereitstellung von militärischer Ausrüstung für die ukrainischen Streitkräfte im Rückstand, was die Verteidigung des Landes beeinträchtige.
Kiews Partner verbieten es der ukrainischen Armee, die im Westen hergestellten Langstreckenraketen für Angriffe auf Ziele tief in Russland einzusetzen, weil dies zu einer Eskalation mit Moskau führen könnte und eine Reaktion Russlands gegen die westlichen Verbündeten der Ukraine provozieren würde.
Am Montag hat Selenskij bei einem Besuch in Dnjepropetrowsk darauf hingewiesen, dass Washington und einige europäische Verbündete das Verbot aufheben sollten. Laut ihm beweise die Operation im Grenzgebiet Kursk, dass es keine roten Linien des Kremls gebe, vor denen man sich in Acht nehmen müsse. "Das naive, illusorische Konzept der sogenannten roten Linien in Bezug auf Russland, das die Bewertung des Krieges durch einige Partner beherrschte, ist in diesen Tagen irgendwo in der Nähe von Sudscha zusammengebrochen."
Kiew behauptet, dass der Einsatz von Langstreckenraketen für Angriffe auf Flugplätze und Abschussvorrichtungen im Inneren Russlands notwendig sei, weil die russischen Truppen von dort aus Angriffe auf ukrainische Städte und Infrastrukturen starteten.
Selenskij sagte, es sei "entscheidend", dass Großbritannien, Frankreich und die USA "die Hindernisse beseitigen, die uns daran hindern, die russischen Positionen zu schwächen. Langstreckenfähigkeiten sind die Antwort auf die wichtigsten strategischen Fragen dieses Krieges", fügte er hinzu.
Nach seinem Amtsantritt hat der neue britische Premierminister Keir Starmer das Verbot der konservativen Vorgängerregierung, die in Großbritannien hergestellten Storm-Shadow-Raketen für Angriffe auf Ziele tief in Russland einzusetzen, aufrechterhalten. Selenskij beklagte, dass die britische Unterstützung für Kiew nachgelassen habe. "Leider hat sich die Situation in letzter Zeit verlangsamt", sagte er und bezog sich dabei auf die britische Militärhilfe.
Der Einsatz von Storm Shadow-Raketen innerhalb Russlands erfordere sowohl die Zustimmung Großbritanniens und Frankreichs, die diese Raketen gemeinsam entwickelt hätten, als auch der Vereinigten Staaten. Zudem erfordert der Einsatz von Storm-Shadow-Raketen einige in den USA hergestellte Systeme.
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