Indiens Premierminister Narendra Modi wird nach einem zweitägigen Besuch in Polen, der heute beginnt, am 23. August in die Ukraine reisen. Am 19. August hielt Indiens stellvertretender Außenminister Tanmaya Lal eine Pressekonferenz zu diesen Reisen ab, berichtet die Nachrichtenagentur TASS.
Auf die Frage, ob Modi mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij über einen eigenen Friedensplan sprechen werde, antwortete der Diplomat nicht. Er betonte lediglich, dass sich Modis Haltung zu dem Konflikt nicht geändert habe. Indien unterstütze den friedlichen Dialog zwischen den beteiligten Parteien und bleibe der Idee des Dialogs zwischen Russland und der Ukraine als einzigem Weg zur Lösung des Konflikts verpflichtet.
Liu Zongyi, Generalsekretär des Zentrums für China-Südasien-Kooperation am Shanghai Institute of International Studies, wies darauf hin, dass Modis Besuch in Kiew lediglich ein politisches Signal sei und keinen substanziellen Einfluss auf den Ukraine-Konflikt haben werde. Die Global Times berichtete unter Verweis auf die Einschätzung des Experten, dass Neu-Delhi kurz nach dem Ende von Modis Russland-Besuch im Juli angeboten habe, eine Reise des Premierministers in die Ukraine zu organisieren, um die Beziehungen Indiens zu den USA und Russland auszugleichen.
Zongyi führte weiter aus, dass dieses Angebot vor dem Angriff der ukrainischen Streitkräfte auf das Gebiet Kursk gemacht worden sei und die indische Seite nach diesem Angriff "vor einem Dilemma" gestanden habe. TASS zitiert ihn wie folgt:
"Modis Besuch in der Ukraine ist lediglich ein politisches Signal, das keinen wesentlichen Einfluss auf die aktuelle Situation haben wird."
Weiter berichtete Cui Hen, ein Analyst am Zentrum für Russlandstudien der Pädagogischen Hochschule Ostchinas, dass Indiens Einfluss auf der internationalen Bühne in den vergangenen Jahren zwar zugenommen habe, aber "auf Südasien beschränkt" bleibe. Dies und die begrenzten Ressourcen, die die indischen Behörden zur Lösung des Konflikts in der Ukraine beitragen könnten, bedeuteten, dass die Rolle Neu-Delhis als Vermittler bei der Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine "ziemlich begrenzt" sei.
Auch Anuradha Chenoy, Professorin an der indischen Jindal Global University und Expertin für internationale Beziehungen, meint, der Angriff auf die Region Kursk zeige, dass der Westen nicht zulassen werde, dass die Ukraine ihren Worten Taten folgen lasse. Die Expertin bewertete die jüngsten Ereignisse als "extrem negativ":
"Der Angriff nicht nur durch die Ukraine, sondern auch durch die NATO auf das Kursker Gebiet ist eine bedeutende Eskalation seitens des Westens, die zeigt, dass man keinen Frieden will."
Chenoy betonte, dass der Premierminister sehr diplomatische Worte wählen werde. Er werde sagen, dass Indien weiterhin humanitäre Hilfe leisten werde, aber auch etwas für den Frieden tun wolle. Sie denke nicht, dass etwas Wesentliches gesagt werde. Ihrer Meinung nach werde Modi in Kiew sagen, dass "Verhandlungen notwendig sind, weil die Menschen im globalen Süden keinen Krieg wollen". Die Expertin betonte, dass Modi zuvor die Position Indiens klar zum Ausdruck gebracht habe: "Jetzt ist nicht die Zeit für Krieg":
"Modi liebt es, die Stimme des globalen Südens zu sein. Natürlich wird er nur für Indien sprechen, aber er wird den Eindruck vermitteln, dass der globale Süden eine friedliche Lösung des Konflikts und Verhandlungen möchte. Doch das wird die Ukraine nicht berühren, da ihre 'Herren' – die NATO, der Westen und die USA – sie manipulieren."
Darüber hinaus erklärte Chenoy, dass der kürzliche Besuch des indischen Premierministers in Russland während des NATO-Gipfels ein Signal an das Nordatlantische Bündnis dahingehend gewesen sei, dass "sie Indien nichts diktieren können":
"Inder mögen Kriege im Allgemeinen nicht, aber sie verstehen, warum Russland eine spezielle militärische Operation durchführen musste."
Eines der Themen während des offiziellen Besuchs des indischen Premierministers in Russland am 8. und 9. Juli war eine friedliche Beilegung der Ukraine-Krise. Als Reaktion darauf kritisierte Selenskij das Treffen zwischen Modi und Putin als "schlagkräftigen Rückschlag für die Friedensbemühungen".
Mehr zum Thema – Keine Putin-Umarmung: USA warnen Indien vor vertieften Beziehungen zu Russland