Die russischen Streitkräfte haben schnell erhebliche Gebietsgewinne in der Ukraine erzielt, was auf den Personalmangel in der ukrainischen Armee sowie auf große Fehler der ukrainischen Militärführung zurückzuführen sei, berichtet die Zeitung The Financial Times am Mittwoch. Gleichzeitig befürworten immer mehr Ukrainer Friedensverhandlungen mit Russland.
Der Ostteil des Gebiets Donezk stehe im Mittelpunkt von Russlands Offensive, die im Laufe der vergangenen Wochen aktiver geworden sei. Die Verteidigung offenbare immer mehr Schwachstellen, teilte ein hochrangiger ukrainischer Offizieller, der mit Militäroperationen vertraut ist, der Zeitung mit. Weitere taktische Erfolge der russischen Armee in Donezk seien zu erwarten, falls sich die Situation nicht ändere.
Russlands jüngste Vormärsche haben die Erfolge der ukrainischen Armee im vergangenen Jahr zunichtegemacht, erklärt Pasi Paroinen, Analyst bei der Black Bird Group, einer in Finnland ansässigen Open-Source-Community. Nach seinen Angaben sei das Territorium, das Russland seit Anfang Mai unter Kontrolle genommen hat, fast doppelt so groß wie das Gebiet, das die ukrainischen Truppen während der Sommeroffensive vor einem Jahr zurückerobert hatten.
Der Durchbruchsversuch der ukrainischen Streitkräfte ins Grenzgebiet Kursk am Dienstag sorgte für Kritik unter Experten, die die Zweckmäßigkeit der Truppenverlegung infrage stellen, berichtet die Zeitung.
In der vergangenen Woche sei die russische Armee bis auf 15 Kilometer an die Stadt Pokrowsk und die Außenbezirke des nahe gelegenen Torezk vorgerückt, schreibt das Blatt unter Bezugnahme auf Militärexperten und hochrangige ukrainische Beamte.
Die russischen Truppen haben am Wochenende einige Bezirke der Stadt Tschassow Jar unter Kontrolle genommen, die sich an einer strategisch wichtigen Position befindet. Sollte die Ukraine eine dieser Städte verlieren, würde dies die Kontrolle der Ukraine über den Rest der Region gefährden, so die Experten. "Den Russen ist es im vergangenen Monat gelungen, mehrere Schlüsselstellungen einzunehmen, während sich die Lage für die Ukrainer in diesen Richtungen immer weiter verschlechtert", so Paroinen.
Nach seinen Angaben habe Russland im Zeitraum vom 3. Mai bis zum 2. August ein Territorium von etwa 592 Quadratkilometern unter Kontrolle genommen.
Laut Analysten und Soldaten habe Russlands Militär ukrainische Kommunikationsfehler und schlecht organisierte Rotationen zum eigenen Vorteil genutzt. Diese Situation ermöglichte es, schnell in der Peripherie von Pokrowsk und Torezk vorzurücken.
Die Ergebnisse einer vom Internationalen Kiewer Institut für Soziologie durchgeführten Meinungsumfrage zeigen, dass 57 Prozent der Ukrainer die Aufnahme von Verhandlungen mit Moskau unterstützen. Fast 60 Prozent der Befragten haben sich gegen territoriale Zugeständnisse geäußert.
Das Blatt weist darauf hin, dass die jüngste militärische und finanzielle Unterstützung bisher keine Ergebnisse auf dem Schlachtfeld gebracht habe. Im April genehmigte der US-Kongress ein von Kiew lang ersehntes Militärhilfepaket in Höhe von 55 Milliarden Euro. Am Sonntag kündigte Wladimir Selenskij die Ankunft der ersten F-16-Kampfflugzeuge an, weitere werden noch vor Jahresende erwartet.
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