Europa bereitet sich auf finstere Zeiten in den USA vor

In der Europäischen Union wird eine spezielle Gruppe zur Vorbereitung auf einen neuen US-Präsidenten eingerichtet. Offenbar haben die Europäer Angst vor der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus, da dies mit enormen Kosten für sie verbunden wäre. Doch selbst wenn Kamala Harris in den USA gewinnt, drohen Europa Probleme.

Von Geworg Mirsajan

So sollen speziell ausgewählte Beamte und Experten eine Strategie für das Verhalten der EU im Falle "dramatischer Veränderungen in der US-Herangehensweise an europäischen Angelegenheiten" entwickeln. Das heißt, für den Fall, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahlen im November gewinnt.

Dies scheint ein absolut logischer Schritt zu sein, wenn man bedenkt, dass die europäischen Medien regelmäßig alarmistische Aussagen über Trump äußern und die Wahrscheinlichkeit seines Sieges als hoch eingeschätzt wird. Der republikanische Kandidat wird quasi als Antichrist positioniert und im Falle seiner Rückkehr ins Weiße Haus wird der Zusammenbruch der transatlantischen Beziehungen prognostiziert.

Problematisch ist hier nicht nur die Persönlichkeit des republikanischen Kandidaten, sondern auch, wer hinter ihm steht.

"Trump persönlich ist unberechenbar. Allerdings gibt es neben seiner Persönlichkeit auch ein parteipolitisches Moment. Die Republikaner neigen im Allgemeinen dazu, die Meinung Europas weniger zu berücksichtigen als die Demokraten. Die Beziehungen der EU zu republikanischen US-Regierungen waren schon immer schlechter", erinnert Wadim Truchatschow, Dozent an der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften.

Der Grund dafür ist seiner Meinung nach, dass die Republikaner Imperialisten sind, für die die USA das eigentliche Zentrum des Universums sind, während die Demokraten zu den Globalisten gehören, die dazu neigen, "Helfer" in anderen Ländern zu rekrutieren. Auch die europäischen Eliten sind größtenteils Globalisten, sodass sie mit den Demokraten auf derselben Seite stehen.

Darüber hinaus ist die Republikanische Partei nach "rechts" gerückt: Trump repräsentiert den sogenannten neoisolationistischen Flügel. Dieser Flügel fordert, sich vorrangig auf die Lösung inner-US-amerikanischer Probleme zu konzentrieren und weniger Ressourcen für ausländische Abenteuer bereitzustellen.

Europa kann nicht die gewünschte Person (wie zum Beispiel in Moldawien) zum US-Präsidenten ernennen. "Niemand fragt die Europäer jetzt irgendetwas. Es geht nicht darum, ob die Europäer den Ausgang der Wahl überhaupt beeinflussen können. Sie haben nur eine Möglichkeit – sich anzupassen", erklärt Dmitri Ofizerow-Belski, leitender Forscher am Nationalen Primakow-Forschungsinstitut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften (IMEMO RAS).

Man kann sich auf verschiedenen Ebenen anpassen. Zum Beispiel auf nationaler Ebene, wenn jedes Land nach dem Prinzip "die Rettung des Ertrinkenden ist die Angelegenheit des Ertrinkenden" vorgeht. Einige Länder retten sich bereits auf diese Weise.

"Viele europäische Politiker haben keine Kontakte mit Trumps Team oder Trump selbst. Deshalb werden zum Beispiel die Polen Finanzmittel bereitstellen, um ihre Interessen über die US-amerikanischen Medien und Lobbystrukturen zu fördern. Sie wollen sich als diejenigen positionieren, mit denen Trump verhandeln kann", sagt Ofizerow-Belski.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, sich auf der Ebene der Europäischen Union als Ganzes anzupassen, das heißt, sich kollektiv zu retten und nach Methoden zu suchen, mit denen Europa seine Interessen gemeinsam vor einem republikanischen Weißen Haus schützen kann.

So wird Donald Trump vor allem das US-Engagement im Ukraine-Konflikt reduzieren. Für Europa ist diese Vorgehensweise inakzeptabel – die europäischen Eliten betrachten den aktuellen Konflikt mit Russland durch ein ideologisches Prisma und lassen keine Gedanken an eine Niederlage zu. Daher bereiten sie sich darauf vor, einen erheblichen Teil der Kosten für den Unterhalt der Ukraine zu übernehmen.

"Sie arbeiten an der Option, Kiew ohne die USA zu unterstützen – zusammen mit Großbritannien, Kanada und Norwegen. Zu diesem Zweck verstärkt die EU die militärische Dimension", sagt Wadim Truchatschow.

Die Chefin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sprach sich daher nicht umsonst für die Idee einer Europäischen Verteidigungsunion aus. "Die EU-Mitgliedsstaaten werden immer für ihre Streitkräfte verantwortlich sein, von der Doktrin bis zum Einsatz", sagt sie. Die Europäische Kommission verspricht, Ende Herbst einen detaillierten Plan (das sogenannte "Weißbuch über die Zukunft der europäischen Verteidigung") vorzulegen.

Sollte Trump jedoch nicht nur bereit sein, sich vom Kiewer Regime zu distanzieren, sondern auch Kompromisse mit Moskau anzustreben, werde Europa notwendig in einen Konflikt geraten.

"Auch wenn Trump es wünscht, werden sie nicht direkt in Verhandlungen eintreten, sondern müssen dazu gezwungen werden. Washington hat dafür genügend Instrumente. Die USA können weniger für europäische Stützpunkte ausgeben, die Energiepreise für die Europäer erhöhen und sogar Sanktionen gegen europäische Unternehmen auf dem US-Markt verhängen", so Truchatschow weiter.

Seiner Meinung nach wird Europa Trump durch eine Zusammenarbeit mit dem "Washingtoner Sumpf", den Demokraten und den "systemischen Republikanern" antworten und diese Instrumente nicht nur dazu nutzen, den Druck in der Ukraine-Frage abzuwehren.

"Es geht sowohl um Handelszölle auf europäische Waren, die in die USA importiert werden, als auch um Rüstungsausgaben", erläutert Ofizerow-Belski. Dem Experten zufolge ist Trump mit der militärisch-industriellen Lobby verbunden und wird verlangen, dass die Europäer so viel wie möglich für Rüstungsgüter ausgeben. Und zwar für US-Rüstungsgüter, da die europäische Industrie nicht in der Lage sein wird, die erhöhten Bedürfnisse zu befriedigen.

Die Ironie der Situation besteht darin, dass sich diese spezielle Gruppe nicht nur mit der Ukraine und nicht nur mit Trump befassen wird. Sie wird auch eingerichtet, um die Folgen eines möglichen Einzugs von Kamala Harris ins Weiße Haus zu analysieren.

Einer Version zufolge wird die Zusammenarbeit mit ihr einfacher sein. "Sie ist in internationalen Angelegenheiten völlig unerfahren, und die Europäer werden in der Lage sein, sie bis zu einem gewissen Grad zu manipulieren. Das gilt insbesondere für den sehr erfahrenen neuen NATO-Generalsekretär Mark Rutte, der mit ihr über das Nordatlantische Bündnis und – indirekt – über die Europäische Union zusammenarbeiten wird", so Wadim Truchatschow.

Darüber hinaus ist Harris eine linksgerichtete Demokratin und Globalistin, die dem "Clinton-Clan" angehört. Das heißt, sie ist praktisch "vom gleichen Blut" wie die derzeitige EU-Führung.

Ihre Unerfahrenheit und die Präsenz radikaler Persönlichkeiten in ihrem Team könnten der EU jedoch einen üblen Streich spielen. Der außenpolitische Eskalationskurs und das Bedürfnis von Harris, ihren "eisernen Willen" zu beweisen, könnten den kollektiven Westen in eine schwere politische Krise stürzen.

Die EU muss dieses Szenario durchkalkulieren und herausfinden, wie sie mit minimalen Verlusten aus dieser Krise herauskommen kann. Es gibt also viel zu tun für diese spezielle Gruppe.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 3. August 2024 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er machte seinen Abschluss an der Staatlichen Universität des Kubangebiets in Krasnodar und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.

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