Russland hat insgesamt zehn seiner Staatsangehörigen im Austausch gegen 16 Personen zurückgeholt. Zwölf von ihnen flogen nach Deutschland, vier weitere in die USA. Korrespondent Evan Gershkovich und der russische Geheimdienstmitarbeiter Wadim Krassikow sind wohl die beiden prominentesten Namen unter den Freigelassenen.
Von Russland freigelassen:
- Der Wall Street Journal-Korrespondent Evan Gershkovich wurde Anfang Juli der Spionage für schuldig befunden und zu 16 Jahren Haft verurteilt. Die Anklage warf dem 32-Jährigen vor, Informationen über einen russischen Rüstungskonzern gesammelt zu haben.
- Der ehemalige US-Marinesoldat Paul Whelan wurde im Dezember 2018 verhaftet, als er laut Angaben seiner Familie zur Hochzeit eines Freundes nach Moskau reiste und 2020 wegen Spionage zu 16 Jahren Haft verurteilt. Auf höchster diplomatischer Ebene wurde mehrfach versucht, den 54-Jährigen freizubekommen.
- Der in Weißrussland zum Tode verurteilte deutsche Staatsbürger Rico Krieger (Rico Heinemann) ist am Dienstag von Präsident Alexander Lukaschenko begnadigt worden. Der 29-Jährige war Anfang Juli von einem Gericht in Minsk in sechs Anklagepunkten, darunter "Söldnertätigkeit" und "terroristischer Akt", für schuldig befunden worden, weil er im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes eine Sprengladung an einer Eisenbahnlinie gezündet hatte.
- Wladimir Kara-Mursa, russischer und britischer Staatsbürger, wurde im Jahr 2023 wegen Hochverrats zu 25 Jahren Haft verurteilt. Kara-Mursa hatte russischen Truppen Kriegsverbrechen in der Ukraine vorgeworfen.
- Ilja Jaschin, ehemaliger Moskauer Stadtrat, wurde als ausländischer Agent eingestuft und wegen Verbreitung falscher Informationen über die russische Armee zu 8,5 Jahren Haft verurteilt.
- Kevin Leak ist der jüngste, der jemals in Russland wegen Hochverrats verurteilt wurde. Der 19-Jährige mit deutscher und russischer Staatsbürgerschaft erhielt im Dezember vergangenen Jahres vier Jahre Haft.
- Ksenija Fadejewa und Lilija Tschanyschewa sind ehemalige Mitarbeiterinnen von Niederlassungen des verstorbenen Oppositionellen Alexei Nawalny. Fadejewa wurde wegen Extremismus zu neun Jahren Haft verurteilt. Ihre Anwälte argumentierten, Fadejewa habe ihre Zusammenarbeit mit Nawalnys Organisation beendet, bevor diese im Jahr 2021 als extremistisch eingestuft wurde. Tschanyschewa wurde im Juni 2023 für schuldig befunden, eine extremistische Gemeinschaft gegründet, zum Extremismus angestiftet und eine Organisation gegründet zu haben, die die Rechte der Bürger verletzt. Ein Berufungsgericht erhöhte ihre Haftstrafe im April dieses Jahres auf zehn Jahre, da es das ursprüngliche Urteil für zu milde hielt.
- Wadim Ostanin, ebenfalls ehemaliger Leiter einer Niederlassung von Nawalny, wurde im Dezember 2021 verhaftet und der Leitung einer extremistischen Organisation beschuldigt. Im Juli 2023 wurde er zu neun Jahren Haft verurteilt.
- Alexandra Skotschilenko, eine Künstlerin aus Sankt Petersburg, wurde im November 2023 wegen der Verbreitung falscher Informationen über die russische Armee verurteilt. Sie war im April 2022 festgenommen worden, nachdem sie in einem Supermarkt Preisschilder durch Zettel mit der Forderung nach einem Ende des Krieges ersetzt hatte.
- Der 71-jährige Oleg Orlow war jahrelang Leiter der Menschenrechtsorganisation Memorial. Vor zwei Jahren ordnete der Oberste Gerichtshof Russlands die Zwangsauflösung von Memorial an. Orlow hatte kurz nach Kriegsbeginn einen Artikel geschrieben, in dem er den Konflikt in der Ukraine anprangerte und Russland ein Abgleiten in den Faschismus vorwarf. Im Februar 2024 wurde er zu 2,5 Jahren Haft verurteilt.
- Andrei Piwowarow war bis zu seiner Verhaftung im Mai 2021 Leiter der inzwischen verbotenen Bewegung Offenes Russland. Im Juli 2022 wurde er zu vier Jahren Haft verurteilt.
- Alsu Kurmaschewa, eine Redakteurin von Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), die sowohl die US-amerikanische als auch die russische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde vor einigen Wochen wegen der Verbreitung falscher Informationen über das russische Militär zu 6,5 Jahren Haft verurteilt.
- German Moisches, der die russische und die deutsche Staatsbürgerschaft innehat, war ein bekannter Fahrradaktivist in Sankt Petersburg und leitete eine Firma, die Dienstleistungen für Russen anbot, die nach Deutschland auswandern wollten. Er wurde im Mai verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt.
- Dieter Woronin wurde 2021 unter dem Verdacht verhaftet, einen Mitarbeiter der russischen Raumfahrtbehörde im Auftrag des Bundesnachrichtendienstes (BND) für geheime Informationen bezahlt zu haben. Woronin besitzt die deutsche und die russische Staatsbürgerschaft.
- Der 38-jährige Deutsche Patrick Schöbel wurde im Februar in Sankt Petersburg festgenommen, nachdem in seinem Gepäck Cannabis-Gummibärchen gefunden worden waren. Ihm wurde Drogenschmuggel vorgeworfen.
Gershkovich, Whelan, Kara-Mursa und Kurmaschewa flogen in die US, wo sie von US-Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris empfangen wurden. Noch im Flugzeug sagte Kara-Mursa in einem Telefongespräch mit seiner Familie, er glaube nicht an das, was gerade passiere: "Ich war mir sicher, dass ich im Gefängnis sterben würde. Ich glaube nicht an das, was hier passiert. Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich in meiner Zelle in Omsk schlafe und nicht deine Stimme höre".
Wenige Stunden später landeten zwei Maschinen mit insgesamt 13 Personen am Flughafen Köln/Bonn. Bundeskanzler Olaf Scholz unterbrach seinen Urlaub und flog ebenfalls nach Köln. Auf einer Pressekonferenz sagte er, der Austausch sei für Deutschland "nicht einfach" gewesen, bezeichnete ihn aber als richtige Entscheidung. "Und wenn man da irgendwelche Zweifel hatte, dann verliert man die nach dem Gespräch mit denjenigen, die jetzt in Freiheit sind."
Medienberichten zufolge wurden die Freigelassenen vom Kölner Flughafen in ein Krankenhaus gebracht, wo sie einige Tage verbringen werden.
Inzwischen hat Jaschin das erste Foto auf Telegram gepostet. "Ich werde euch bald alles erzählen. In der Zwischenzeit möchte ich allen danken, die sich Sorgen gemacht haben. Ich umarme euch alle!" Auf dem Foto ist zu sehen, dass er noch in Gefängnisuniform gekleidet ist.
Wer nach Russland zurückkehrte:
- Wadim Krassikow ist ein mutmaßlicher Geheimdienstmitarbeiter, der seit 2020 in Deutschland inhaftiert ist. Ein Berliner Gericht verurteilte ihn zu lebenslanger Haft, weil er 2019 den tschetschenischen Separatisten mit georgischer Staatsbürgerschaft Selimchan Tschangoschwili im Berliner Tiergarten ermordet haben soll.
- Artjom Dulzew und seine Frau Anna wurden vor zwei Jahren in Slowenien verhaftet. Die slowenische Regierung verdächtigte das Ehepaar, als Geheimagenten jahrelang unter falscher Identität im Ausland gelebt und für Russland spioniert zu haben. Zwei ihrer minderjährigen Kinder wurden ebenfalls ausgetauscht.
- Maxim Martschenko bekannte sich im Februar der Geldwäsche und des Schmuggels schuldig. Er wurde erst vor wenigen Wochen zu drei Jahren Haft verurteilt.
- Wadim Konoschtschjonok wurde 2022 aufgrund eines US-Haftbefehls von den estnischen Behörden festgenommen und an die USA ausgeliefert. Der 48-Jährige wurde beschuldigt, Verbindungen zum FSB zu haben und illegale Munition für "Moskaus Kriegsmaschinerie" geschmuggelt zu haben, was einen Verstoß gegen das Embargo der USA und der EU gegen Russland darstellt.
- Wladislaw Kljuschin wurde 2021 in der Schweiz verhaftet und im Dezember an die USA ausgeliefert. Ein Gericht in Boston verurteilte den 42-jährigen Geschäftsmann wegen Diebstahls von Daten aus Computernetzwerken zu neun Jahren Haft.
- Der mutmaßliche Hacker Roman Selesnjow wurde 2017 in den USA wegen Betrugs, Computerhackings, Besitzes illegal erworbener Kreditkarten und Identitätsdiebstahls zu 27 Jahren Haft verurteilt.
- Michail Mikuschin wurde 2022 unter dem Verdacht der Spionage für Russland verhaftet. Der 46-jährige Akademiker lehrte an der Arktischen Universität Norwegens in Tromsø und benutzte einen brasilianischen Pass.
- Pawel Rubzow, auch bekannt als Pablo González, wurde 2022 in Polen unter dem Verdacht der Spionage festgenommen. González hat die russische und die spanische Staatsbürgerschaft inne, arbeitete seit 2014 als freier Mitarbeiter für verschiedene spanische Medien und berichtete häufig über den Donbass-Konflikt. Der polnische Geheimdienst warf ihm vor, Informationen gesammelt zu haben, deren Weitergabe an den russischen Geheimdienst sich negativ auf die Sicherheit des Landes auswirken könnte.
Russlands Präsident Wladimir Putin begrüßte die Freigelassenen persönlich auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo mit den Worten: "Zunächst möchte ich Sie alle zu Ihrer Rückkehr ins Vaterland beglückwünschen. Nun möchte ich mich an diejenigen wenden, die mit dem Militärdienst verbunden sind: Ich möchte Ihnen für Ihre Treue zum Eid, zu Ihrer Pflicht und zum Vaterland danken, das Sie nicht eine Minute lang vergessen hat. Sie alle werden mit staatlichen Auszeichnungen geehrt."
Die russische Botschaft in den USA betonte, man werde weiterhin alles unternehmen, um russische Staatsbürger zu befreien, die in US-Gefängnissen sitzen.
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