Von Geworg Mirsajan
"Die Ukraine bittet China um Unterstützung bei der Beendigung des Krieges mit Russland." Mit diesen Worten charakterisierte die US-amerikanische New York Times den Besuch des Außenministers des Kiewer Regimes Dmitri Kuleba in Peking, was zum ersten Besuch seit dem Beginn der militärischen Sonderoperation überhaupt wurde.
Allerdings wirkte dieser Besuch nicht gerade wie ein Druckmittel. Vom Kiewer Vertreter waren diesmal keine beleidigenden oder demütigenden Sprüche oder Beschimpfungen Chinas zu hören. Im Gegenteil, Kuleba brachte seine Unterstützung für das Ein-China-Prinzip zum Ausdruck (das heißt, er bekräftigte seine Weigerung, die Souveränität Taiwans anzuerkennen) und äußerte die Zuversicht, dass ein "gerechter Frieden" in der Ukraine mit den chinesischen Interessen in Einklang stehen würde.
Schließlich erklärte er auf chinesischem Territorium – also unter chinesischer und nicht europäischer Vermittlung – offiziell, dass das Kiewer Regime bereit sei, sich mit Moskau an den Verhandlungstisch zu setzen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Ukraine solche Verhandlungen kategorisch abgelehnt hatte. Die Ukraine hatte sogar ein Gesetz verabschiedet, das solche Verhandlungen ausdrücklich verbietet.
Dmitri Suslow, stellvertretender Direktor des Zentrums für komplexe europäische und internationale Studien an der Staatlichen Forschungsuniversität Higher School of Economics, erklärt den Wandel der ukrainischen Rhetorik mit drei Faktoren. "Erstens ist die Situation an der Front für die Ukrainer immer ungünstiger und verschärft sich zunehmend."
Dabei geht es nicht nur um die laufende russische Offensive, sondern auch darum, dass sich ihr Tempo und ihre Ausrichtungen intensivieren. Die russischen Einheiten finden Schwachstellen in der ukrainischen Verteidigung und dringen in diese ein, um so weitere Dörfer und Städte zu befreien. Und mit jeder Woche, die verstreicht, wird sich die Lage für das Kiewer Regime weiter verschlechtern.
Nicht nur, weil die ukrainischen Streitkräfte nur über wenige ausgebildete Reserven verfügen und diese auch nirgendwo bekommen können. Sondern auch, weil – und das ist der zweite Faktor – der Fluss der Hilfe aus dem Westen möglicherweise reduziert oder sogar eingestellt wird. Suslow hebt hervor:
"Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Umfang der weiteren Hilfe und Unterstützung aus dem Westen unklar, vor allem im Hinblick auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten."
Der Favorit im US-Präsidentschaftswahlkampf Donald Trump habe (auch mit der Wahl von J. D. Vance, einem der ukrainefeindlichsten US-Senatoren, zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten) deutlich seine Bereitschaft gezeigt, sich aus der ukrainischen Angelegenheit zurückzuziehen oder Moskau Optionen für einen Ausweg anzubieten, meint der Analyst weiter.
Damit riskiere Europa nicht nur, der alleinige Unterstützer des Kiewer Regimes zu bleiben, sondern sich auch gegen die Position der Vereinigten Staaten zu stellen. Es ist nicht verwunderlich, dass einige westliche Politiker nun erwägen, die Eskalation des Ukraine-Konflikts auf Eis zu legen – zumindest bis zum Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen.
Der dritte Faktor schließlich ist das Scheitern des Friedensgipfels in der Schweiz, der von Kiew und dem Westen einberufen wurde, um globalen Druck auf Russland auszuüben und es zu zwingen, die westlichen Friedensbedingungen zu akzeptieren (sprich: zu kapitulieren). Suslow fasst zusammen:
"Es ist überdeutlich geworden, dass das Kiewer Regime nicht in der Lage ist, seine Ziele zu verwirklichen, indem es sich allein auf den Westen verlässt. Es ist nicht in der Lage, Russland militärisch oder auf politischem und diplomatischem Wege zu einer für es akzeptablen Lösung zu zwingen."
Tatsächlich durchläuft das Kiewer Regime derzeit die Phasen der Akzeptanz des Unvermeidlichen (Fünf Phasen der Trauer). Leugnung und Wut sind bereits verklungen – die endgültige Akzeptanz liegt aber noch in weiter Ferne. Im Moment befindet sich der ukrainische Machthaber Wladimir Selenskij in der Phase des Feilschens. Der Chef des Kiewer Regimes versucht nun, mit jemandem zu verhandeln, der über genügend Ressourcen verfügt, nämlich mit China.
Im Westen herrscht die Auffassung, dass Xi Jinping der einzige Staatschef ist, der die Entscheidungen Moskaus in Bezug auf die militärische Sonderoperation beeinflussen kann. Dementsprechend will Selenskij, dass Genosse Xi Moskau zu Friedensgesprächen überredet. Aber nicht zu russischen, sondern zu ukrainischen Bedingungen – wenn auch ohne Selenskjs "Friedensformel" (die den Abzug der russischen Truppen aus den inzwischen russischen Gebieten, Reparationszahlungen und so weiter vorsieht). Suslow betont:
"Das bedeutet keineswegs, dass sie zu bilateralen Gesprächen mit Moskau bereit sind – schon gar nicht zu russischen Bedingungen und schon gar nicht auf der Grundlage des Istanbuler Abkommens von 2022. Kiew versucht lediglich, Chinas Teilnahme am Friedensgipfel sicherzustellen. Es versucht nicht nur, China zu überreden, selbst zu kommen, sondern auch die Teilnahme anderer Staats- und Regierungschefs der Weltmehrheit sowie Russlands selbst sicherzustellen."
Einfach ausgedrückt: Russland solle in einen sinnlosen Verhandlungsprozess um der Verhandlungen willen hineingezogen werden, um so die russische Offensive zu stoppen, den Konflikt auf Eis zu legen und so weiter.
Wird sich Peking darauf einlassen? Ja, China hat den Kiewer Minister empfangen – schließlich wertet der Besuch selbst Chinas Status als Verhandlungspartner in der ukrainischen Frage auf, und er kann auch als öffentliche Buße des Selenskij-Regimes für alle früheren Beleidigungen Chinas gewertet werden. Allerdings haben die chinesischen Genossen nicht signalisiert, dass sie gewillt wären, mit Kiew gemeinsame Sache zu machen. So empfingen sie Kuleba lediglich aufgrund seines Status, das heißt, dass sich bloß sein Vis-à-Vis, der chinesische Außenminister Wang Yi, mit ihm traf.
Von einem Treffen mit Xi (das zumindest den Beginn ernsthafter Verhandlungen signalisiert hätte) war nicht die Rede.
Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass Peking das Spiel Kiews nicht unterstützen wird. Zum einen, weil die Ukraine China nichts zu bieten hat, weder wirtschaftlich noch politisch. Zum anderen, weil ein strategischer Sieg Russlands in der Ukraine in Chinas Interesse liegt, da er ein schwerer Schlag für die US-Hegemonie wäre.
Die russische Seite nimmt ihrerseits weiterhin eine konstruktive Position in Bezug auf die Verhandlungen ein, die ihre Interessen schützt. Das bedeutet, dass Moskau immer zu Verhandlungen bereit ist – allerdings nur, wenn das Kiewer Regime eine Reihe von Bedingungen erfüllt. Laut Dmitri Peskow, dem Pressesprecher des russischen Präsidenten, besteht das Problem in der "Illegitimität von Wladimir Selenskij als ukrainischem Präsidenten und dem von ihm verhängten Verbot der Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau".
Nominell gibt es für beide dieser Probleme Lösungen. Die Aufhebung des Verhandlungsverbots würde jedoch eine demonstrative Revolte der Berufspatrioten in der Werchowna Rada auslösen. Selenskij könnte aber nur dann schnell an Legitimität gewinnen, wenn er den Status eines Abgeordneten und dann eines Sprechers der Werchowna Rada erlangen würde. Die Werchowna Rada ist heute das einzige Gremium des Landes, dessen Vorsitzender in Abwesenheit des Präsidenten die Rolle des amtierenden Staatschefs der Ukraine wahrnehmen muss. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige personelle Umschichtung die politische Instabilität des ukrainischen Machtsystems, das bereits jetzt Risse aufweist, nur noch verstärken wird.
Offenbar hat das Selenskij-Regime bereits erkannt, dass Kulebas China-Reise ergebnislos verlaufen ist. Der Minister selbst hat seine Formulierung korrigiert – seine Worte über die Bereitschaft zu Verhandlungen wurden durch einen Passus ergänzt, der besagt, dass diese Verhandlungen erst dann beginnen werden, wenn Moskau bereit ist, sie "in gutem Glauben" zu führen. Im Moment, so heißt es, sei dies nicht der Fall. Das bedeutet, dass die Ukraine ihren Weg zur Akzeptanz des Unvermeidlichen, einer Niederlage im Konflikt mit Russland, fortsetzen wird.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 25. Juli 2024 zuerst auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.
Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er machte seinen Abschluss an der Staatlichen Universität in Kuban und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.
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