Immer wieder fordert die Ukraine von den westlichen Verbündeten die Erlaubnis, Waffen mit großer Reichweite gegen Ziele auf Russlands Territorium einzusetzen. Jetzt erhalte Kiew "positive Signale" in dieser Frage. Dies hat der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij am Montag auf einer Pressekonferenz in Kiew erklärt, berichtete die Zeitschrift Politico.
"Wir haben erste positive Signale über den Einsatz von Langstreckenwaffen erhalten. Es gibt einen Punkt, von dem aus eine Rakete oder eine Bombe abgefeuert wird, und wir wissen, woher sie kommt, und es ist ungerecht, dass wir nicht darauf reagieren können, woher sie kommt."
Wenn diese Erlaubnis nicht erteilt werde, dann werde die Ukraine ihre eigenen Waffen einsetzen, um Russland zu treffen, so Selenskij. "Wir haben damit begonnen, unsere eigenen Mittel zu entwickeln ... und wir haben bereits Drohnen, aber nicht nur Drohnen", fügte er hinzu. Wegen der Position des Westens sei die Ukraine gezwungen gewesen, ihre eigene Rüstung für Angriffe tief im russischen Territorium zu entwickeln, sagte Selenskij. Der Westen erlaubt bislang nur den beschränkten Einsatz der gelieferten Waffen gegen Russland. Nach Ansicht der ukrainischen Führung mache dies es für die ukrainischen Streitkräfte unmöglich, etwa Luftwaffenstützpunkte und die kritische russische Infrastruktur zu treffen.
Vergangene Woche unterzeichneten Kiew und Warschau ein Abkommen über Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit. Laut Wladimir Selenskij sehe dieses die Möglichkeit vor, im ukrainischen Luftraum Raketen abzufangen, die aus Russland in Richtung Westen abgefeuert werden. Polens Premierminister Donald Tusk verkündete, Warschau werde diese Idee mit den NATO-Verbündeten besprechen.
Der Generalsekretär der Allianz Jens Stoltenberg sprach sich seinerseits gegen die Idee aus, russische Raketen abzufangen, die über die Ukraine in Richtung Polen fliegen.
"Die Politik der NATO ist unverändert – wir werden uns nicht an diesem Konflikt beteiligen."
Kiew kann auf von Norwegen, Dänemark, Belgien und den Niederlanden gelieferte F-16-Kampflugzeuge aus US-Produktion hoffen. Die Lieferung kündigte die Biden-Administration vergangene Woche an. Der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, wies darauf hin, dass die Kampfflugzeuge auf ukrainischem Territorium stationiert sein würden. Er weigerte sich jedoch anzugeben, wie viele Flugzeuge an Kiew geliefert werden sollen.
Selenskij betonte indes, dass die Ukraine von den Verbündeten zu wenige Kampfjets erhalte. Sie reichten nicht aus, um die Situation in der Luft zu verbessern. Und er führte weiter aus:
"Wir hoffen auf mehr. Wir müssen die Zahl der Jets, die wir bekommen, in Kürze erhöhen, aber nicht erst in drei oder fünf Jahren."
Die Lieferung von sechs bis zwölf F-16-Kampfflugzeugen werde es den ukrainischen Streitkräften nicht ermöglichen, die Situation an der Front zu verändern, erklärte der Berater des ukrainischen Präsidialamtes, Michail Podoljak, am Freitag. Deshalb wolle die ukrainische Führung 130 Flugzeuge von diesem Typ auf einmal erhalten.
"Die Frage ist die Anzahl der Flugzeuge. Wenn man zwischen sechs und zwölf F-16-Flugzeuge hat, werden diese den Verlauf der Ereignisse an der Frontlinie nicht wesentlich beeinflussen. Um tatsächlich strategisch Einfluss zu nehmen, braucht man zwischen 128 und 130 Flugzeuge."
Mehr als zwei Jahre lang weigerte sich die Biden-Administration, das Verbot für Angriffe mit US-Waffen auf Russlands Territorium aufzuheben, weil dies zu einem direkten Konflikt zwischen Moskau und Washington führen könnte.
Ende Mai erteilte die US-Regierung Kiew schließlich die Erlaubnis, russische Ziele mit US-Waffen anzugreifen. Diese Erlaubnis galt bislang aber nur für die Umgebung von Charkow, berichtete Politico. Seit neuestem hätten die ukrainischen Streitkräfte aber auch die Möglichkeit, US-Waffen gegen russische Truppen einzusetzen, die sich im Grenzgebiet nahe Charkow versammelten, oder gegen russische Flugzeuge, die Bomben auf das ukrainische Militär abwerfen. Diese Änderung in Washingtons Politik sei auf die sich verschlechternden Bedingungen für Kiew auf dem Schlachtfeld und Russlands Vormarsch sowie die verbesserte Position russischer Truppen in Charkow zurückzuführen.
Moskau übt harsche Kritik an dem Vorgehen des Westens. Für den Fall, dass westliche Raketen für Angriffe auf russisches Territorium eingesetzt werden, droht Russlands Präsident Wladimir Putin mit einer asymmetrischen Antwort.
"Wenn jemand es für möglich hält, solche Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern, um unser Territorium anzugreifen, warum haben wir dann nicht das Recht, unsere Waffen derselben Art in jene Regionen der Welt zu liefern, in denen sensible Objekte jener Länder getroffen werden, die dies mit Russland tun?", erklärte Putin auf einer Pressekonferenz Anfang Mai.
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