Das Thema des Konflikts zwischen Moskau und Kiew hat die Gespräche unter den Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder auf dem 75. Jubiläumsgipfel in Washington bestimmt. Außerdem ist man dort wegen einer möglichen Wiederwahl von Donald Trump besorgt sowie angesichts der Frage, ob US-Präsident Joe Biden die Macht behalten kann.
Nach dem misslungenen TV-Duell am 27. Juni heizten zahlreiche Stimmen die Diskussion über seine Chancen an, Donald Trump zu besiegen. Am Dienstag ist Biden zum Auftakt des Treffens der NATO-Mitglieder aufgetreten. Die Nachrichtenagentur Reuters weist darauf hin, dass Biden mit diesem Auftritt seinen Verbündeten in den USA und im Ausland habe demonstrieren wollen, dass er sein Land noch immer führen könne. Dennoch wachse laut Reuters unter den NATO-Staaten die Besorgnis darüber, welche Schritte Trump nach seiner möglichen Wiederwahl in Bezug auf den Krieg in der Ukraine unternehmen und wie er das Verhältnis zwischen Washington und der NATO gestalten werde.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sagte dem langjährigen Verbündeten Donald Trump seine Unterstützung zu, sollte Trump ins Weiße Haus zurückkehren. Orbán betonte, dass nur Trumps Politik – im Falle seiner Wiederwahl – den Frieden in der Ukraine sichern könne.
Ungarn sehe die zweite Amtszeit von Donald Trump – im Falle seiner Rückkehr – als eine "Chance für den Frieden" in der Ukraine. Dies erklärte der ungarische Außenminister, Péter Szijjártó, am Mittwoch in einem Interview mit Reuters am Rande des NATO-Gipfels. Er sagte, Budapest strebe an, den Krieg mithilfe von Friedensverhandlungen unter Teilnahme Moskaus und Kiews zu beenden. "Ich denke, es muss ein sehr starker externer Impuls stattfinden, um sie zumindest zu Verhandlungen zu bewegen", sagte Ungarns Außenminister. "Wer hat in der nächsten Zeit die Chance dazu? Das ist nur Präsident Trump, wenn er gewählt wird."
Szijjártó wies darauf hin, dass die jüngsten Treffen von Orbán mit Wladimir Putin und Wladimir Selenskij gezeigt hätten, wie riesig die Distanz zwischen den beiden Staatschefs sei. Was die anderen westlichen Länder anbetrifft, seien sie entweder unwillig oder unfähig gewesen, die beiden Konfliktparteien zusammenbringen. "Wir sehen eine Chance für den Frieden, falls Präsident Trump gewinnt. Wir sehen eine Chance für gute Beziehungen zwischen den USA und Ungarn, falls Präsident Trump gewinnt", sagte Szijjártó.
Ungarns Standpunkt zur Lösung des Konflikts steht im Gegensatz zu anderen NATO-Staats- und Regierungschefs, darunter Biden. Sie behaupten, Kiew müsse entscheiden, wann über ein Ende des Krieges verhandelt werden soll. Die ukrainische Führung erklärte ihrerseits, sie werde im Rahmen eines Friedensabkommens kein Territorium aufgeben.
Für die Ukraine werde es nahezu unmöglich sein, das verlorene Territorium zurückzuerobern, berichtete die Zeitung The New York Times im Vorfeld des NATO-Treffens. Die ukrainischen Streitkräfte seien überfordert und ihnen stünden schwierige Monate der Kämpfe bevor, betonte die Zeitung. Außerdem habe Trump versprochen, dass er im Falle seiner Wiederwahl Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine aufnehmen werde. Die raschen Verhandlungen könnten die Ukraine wahrscheinlich dazu zwingen, große Teile ihres Territoriums abzutreten, so die Zeitung.
Außenminister Szijjártó betonte, dass Budapest Moskau nicht als eine Bedrohung für die NATO und die EU wahrnehme. Die russische Führung bezeichnete er als "rational" und fügte hinzu, dass Russland nicht einen direkten Konflikt mit dem Westen riskieren würde.
Die EU hat Viktor Orbáns Besuche in Kiew, Moskau und Peking scharf kritisiert und dem Politiker vorgeworfen, angeblich im Namen der EU selbst zu handeln. Ungarn hat am 1. Juli für ein halbes Jahr die rotierende Präsidentschaft im EU-Rat übernommen. Szijjártó hat die Vorwürfe der Unionsländer zurückgewiesen: Er sagte, Orbáns Delegation habe nicht die EU-Flagge verwendet und daher signalisiert, dass sie nicht die Interessen der Union vertrete.
Der US-Botschafter in Ungarn, David Pressman, erklärte, dass das Treffen Viktor Orbáns mit Wladimir Putin sowie die wiederholten Besuche von Ungarns Außenminister in Moskau die Beziehungen zwischen Budapest und seinen Verbündeten beeinträchtigen würden. Szijjártó erwiderte darauf, dass eine solche Aussage eine "inakzeptable" Einmischung des US-Diplomaten sei.
In der Abschlusserklärung des NATO-Gipfels kündigten die Mitgliedstaaten am Mittwoch eine langfristige Verpflichtung zur "Sicherheitshilfe" für die Ukraine an. In dieser Hinsicht betonte Szijjártó, Budapest leiste keinen Widerstand gegen diesen Plan, werde sich aber daran nicht beteiligen.
"Wir sehen hier ein großes Eskalationsrisiko."
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