Die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) wurde im Jahr 2002 gegründet und umfasst sechs Mitgliedstaaten: Russland, Armenien, Weißrussland, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan. Bald könnten es nur noch fünf sein.
Am Mittwoch sagte der armenische Premierminister Nikol Paschinjan im Parlament: "Diejenigen, die das Bündnis gegründet haben, dessen Mitglieder einen Krieg gegen uns mit Aserbaidschan planten, sind an all dem schuld." Daraufhin rief einer der Oppositionsabgeordneten: "Dann treten Sie doch aus dieser Allianz aus." Paschinjan antwortete:
"Glauben Sie, wir kehren zurück? Nein, es gibt keinen anderen Weg. Keine Sorge, wir werden nicht zurückkehren."
Noch am selben Tag gab der armenische Außenminister Entwarnung, die jedoch für noch mehr Verwirrung sorgte. "Der armenische Ministerpräsident hat nicht gesagt, dass wir die OVKS verlassen werden. Er hat gesagt, dass wir entscheiden werden, wann wir die OVKS verlassen. Wir werden nicht zurückkehren", sagte Ararat Mirsojan.
Am Donnerstag betonte Paschinjan erneut, dass der Austritt aus der Organisation der nächste Schritt sein werde. "Der nächste logische Schritt wird der Austritt aus der OVKS sein. Wir werden entscheiden, ob das in einem Monat, in einem Jahr oder in drei Jahren passiert". Er erklärte auch, dass weder er noch andere Beamte des Landes Weißrussland besuchen werden, solange dort Alexander Lukaschenko an der Macht ist. Hintergrund ist die jüngste Reise Lukaschenkos nach Aserbaidschan. Im Rahmen dieses Staatsbesuchs hielt er sich auch in der Region Bergkarabach auf und erklärte, dass Minsk und Baku "die Welt und ihre Entwicklung gleichermaßen verstehen". Er bot dem aserbaidschanischen Präsidenten Unterstützung beim Wiederaufbau Bergkarabachs an.
Paschinjan erklärte:
"Einer der OVKS-Staatschefs sagt, er habe an der Vorbereitung des 44-tägigen Krieges teilgenommen, er habe Aserbaidschan ermutigt, an das Land geglaubt und ihm den Sieg gewünscht. Und dann soll ich im Rahmen der OVKS mit dem Präsidenten von Weißrussland diskutieren? Ich möchte betonen, dass ich Weißrussland nie wieder besuchen werde, solange Alexander Lukaschenko dort Präsident ist. Und überhaupt wird kein offizieller Vertreter Armeniens Weißrussland besuchen".
Zudem wurde am Donnerstag der armenische Botschafter in Minsk zu Konsultationen nach Jerewan einbestellt.
Die Beziehungen zwischen Russland und Armenien haben sich seit der Einnahme der Kaukasusregion Bergkarabach durch Aserbaidschan im vergangenen September zugespitzt. Noch im März hatte Paschinjan angekündigt, die Mitgliedschaft in der OVKS zu beenden, sollte sich das Bündnis nicht in zufriedenstellender Weise für die Sicherheit seines Landes einsetzen. Unter anderem weigerte sich Paschinjan im Oktober 2022, eine Erklärung zu den Ergebnissen des OVKS-Gipfels zu unterzeichnen, weil das Dokument keine "klare politische Bewertung" der Handlungen Aserbaidschans enthielt. Im Januar 2023 erklärte er, sein Land werde die geplanten OVKS-Übungen nicht abhalten. Im November nahm das Land nicht am Gipfeltreffen der Länder des Bündnisses in Minsk teil.
Im Februar 2024 drohte Paschinjan im Gespräch mit einem französischen Fernsehsender damit, Armeniens Mitgliedschaft in der OVKS einzufrieren. Grund dafür sei, dass die Organisation ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Aus dem Sekretariat der OVKS hieß es, man habe keine offizielle Erklärung aus Jerewan dazu erhalten.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa erklärte, der mögliche Austritt Armeniens aus der OVKS entspreche nicht den nationalen Interessen des Landes. Eine solche Entscheidung müsse auf den Bedürfnissen der Republik basieren und nicht auf einem "Liebäugeln" mit dem Westen.
Auch auf den Besuch einer armenischen Delegation in den ukrainischen Städten Butscha, Kiew und Odessa reagierte Moskau empfindlich und schickte eine Protestnote nach Jerewan. Sacharowa bezeichnete den Besuch als einen "offen unfreundlichen Schritt" Armeniens.
Gleichzeitig versucht Jerewan, seine Beziehungen mit dem Westen auszubauen. Vor einem Jahr unterzeichneten Armenien und die USA ein Abkommen zur Stärkung der Sicherheitszusammenarbeit. Insbesondere versprach Washington, Reformen in der armenischen Armee zu unterstützen. In den vergangenen Monaten erklärte sich Frankreich bereit, das Land mit modernen Waffen zu versorgen.
Parallel dazu finden seit mehreren Wochen Demonstrationen in Armenien statt. Am Mittwochabend versammelten sich erneut mehrere tausend Menschen auf dem Platz vor dem Parlament. Die Demonstranten forderten den Rücktritt Paschinjans und seiner Regierung. Grund sind territoriale Zugeständnisse an Aserbaidschan, dem Armenien die Abtretung mehrerer Grenzdörfer zugesagt hatte. Ende April haben beide Länder entsprechende Dokumente unterzeichnet.
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