Von Pjotr Akopow
Die Tatsache einer "abgelaufenen Legitimität" wird jetzt im Zusammenhang mit Wladimir Selenskij diskutiert und als Instrument des russischen Drucks auf die Ukraine und den Westen insgesamt gesehen. Allerdings hat dieser Begriff selbst eine große Zukunft, und zwar eine nahe Zukunft, die viel ernster ist als der Konflikt in der Ukraine. Die Rede ist von den Vereinigten Staaten.
In der US-amerikanischen Presse wird nun diskutiert, dass die Demokratische Partei Angst hat, die Wahrheit über Joe Bidens Chancen bei den US-Präsidentschaftswahlen im November zu sagen – weil alles so schlecht ist, dass man entweder dringend den Kandidaten wechseln oder sich auf eine Niederlage einstellen muss. Tatsache ist jedoch, dass beide Optionen für das Establishment inakzeptabel sind – es gibt keinen adäquaten Ersatz für den 81-jährigen Joe (außer einer sehr schwierigen und riskanten Option mit Michelle Obama). Der "Washingtoner Sumpf" ist absolut nicht bereit, eine zweite Amtszeit für Donald Trump zuzulassen. Die einzige Möglichkeit, die bleibt, ist, dafür zu sorgen, dass Biden gewinnt, und zwar durch weitaus umfangreichere Machenschaften als noch im Jahr 2016. Dass es daraufhin nicht nur zu Unruhen, sondern auch zu Demarchen einzelner US-Bundesstaaten (die die Nichtanerkennung des Wahlergebnisses erklären) kommen kann, wird von den Demokraten natürlich in Kauf genommen, aber als weniger schädlich angesehen als die Rückkehr von Trump ins Weiße Haus. Im Extremfall, wenn es immer noch nicht gelingt, Bidens Sieg zu sichern, könnte die Demokratische Partei selbst die gleiche Methode anwenden, das heißt Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe geltend machen und sich weigern, Trumps Sieg anzuerkennen (unter Verwendung der von ihr kontrollierten Staaten). In jedem Fall ist das Risiko einer "unvollständigen Wahl" in den Vereinigten Staaten im November extrem hoch.
Wenn das Ergebnis der Wahl umstritten ist und die Wähler keinen Präsidenten wählen können und der US-Kongress ihre Entscheidung nicht billigen kann, wird es am 20. Januar nächsten Jahres keine Amtseinführungszeremonie, das heißt keine Amtsübernahme durch das neue Staatsoberhaupt geben. Ja, die vorübergehende Verlängerung von Bidens Amtszeit wird als legitim angesehen werden, aber nur von einem Teil der US-amerikanischen Gesellschaft. Der andere Teil wird davon überzeugt sein, dass der US-Präsident illegitim, das heißt illegal ist. Und das ist ein großes Problem – nicht nur für die USA.
Es wird vermutet, dass Russland mit dem Westen über die Ukraine verhandeln wird – denn die ukrainische Führung ist eine Marionette und sogar illegitim, was gibt es da also zu besprechen? Der Westen, und vor allem die Vereinigten Staaten, können jedoch als Verhandlungspartner auftreten – mit ihnen werden wir schließlich vereinbaren, dass sie die Ukraine aufgeben. In den USA selbst heißt es oft (eher zu Propagandazwecken), Putin warte sogar gezielt auf den November, also auf Trumps Wiederwahl, um mit ihm konkrete Verhandlungen über die Ukraine führen zu können. Entweder wird Trump Zugeständnisse machen oder, im Gegenteil, schnell die Eskalationsleiter erklimmen – in jedem Fall wird es Verhandlungen geben müssen.
Das Problem ist jedoch, dass Russland, selbst wenn es wirklich mit den Vereinigten Staaten über die Ukraine verhandeln wollte, einfach keine Gelegenheit dazu haben wird. Die Machtkrise in den Vereinigten Staaten wird zum Verschwinden der zweiten Vertragspartei führen – es ist einfach sinnlos, etwas mit einem illegitimen US-amerikanischen Präsidenten zu unterzeichnen. Und wenn er vom Westen und dem größten Teil der Weltgemeinschaft als legitim angesehen würde? In den USA selbst würde er von einigen US-Bundesstaaten (oder sogar von der Mehrheit des US-Repräsentantenhauses) nicht anerkannt. Was würden die getroffenen Vereinbarungen im Falle eines Amtsenthebungsverfahrens oder gar einer Spaltung des Landes wert sein? Nichts.
Es ist klar, dass Russland den Versprechungen und Garantien der Vereinigten Staaten ohnehin keinen Glauben schenken wird, im Falle der Illegitimität (oder unvollständigen Legitimität) des US-amerikanischen Präsidenten jedoch wäre auch der geringste Sinn für Verhandlungen verloren.
Wohin wird das führen?
Dazu, dass das Schicksal der Ukraine nicht von Vereinbarungen mit dem US-Präsidenten abhängt – ob legitim oder nicht. Das Schicksal der Ukraine hängt von der militärischen und geopolitischen Offensive Russlands ab – und davon, dass wir Russen den Sieg erringen, der zur Kapitulation Kiews führen wird. Nur die Zerschlagung der derzeitigen Strukturen in der Ukraine (unter anderem der Regierung) wird zur Befreiung des Landes von der westlichen Kontrolle und zu seiner Rückkehr in die russische Umlaufbahn führen. Die Illegitimität der gegenwärtigen ukrainischen Führung setzt die Illegitimität des gegenwärtigen Modells der Ukraine fort und verstärkt sie, und die bevorstehende Illegitimität des US-amerikanischen Präsidenten wird unsere Arbeit zur Demontage der unnatürlichen, illegalen, russophoben Strukturen, die auf unserem Land errichtet wurden, unterstützen und erleichtern.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 30. Mai 2024.
Pjotr Akopow ist Kolumnist und Analytiker bei RIA Nowosti.
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