Wie die britische Tageszeitung The Guardian und die israelischen Online-Magazine +972 Magazine und Mekomit (מקומית – Gemeinde) berichten, soll der bis vor drei Jahren amtierende Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad Yossi Cohen Drohungen gegen Fatou Bensouda als die damalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) ausgesprochen haben.
Das Ziel soll gewesen sein, die danach seit 2021 laufenden Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen gegen Israel noch zu verhindern. Konkret sollte eine Untersuchung über die in den besetzten palästinensischen Gebieten begangenen Kriegsverbrechen vermieden werden.
Nach einem geheimen Treffen zwischen Cohen und Bensouda soll sich die Chefanklägerin mehreren Personen anvertraut und berichtet haben, dass Cohen während des Treffens "immer energischer" geworden sei, schreibt The Guardian.
Dabei zitiert die Zeitung eine der angeblichen Drohungen Cohens gegenüber Bensouda:
"Du solltest uns helfen und uns auf dich aufpassen lassen. Du solltest nicht in Dinge verwickelt werden, die deine Sicherheit oder die deiner Familie gefährden könnten."
Ein anderer Informant der recherchierenden Medien bezeichnete Cohens Taktiken gegenüber Bensouda als "abscheulich" und verglich sein Verhalten mit politischem "Stalking".
Der ehemalige Mossad-Chef habe dabei laut einer weiteren Quelle bei The Guardian als "inoffizielles Sprachrohr" Netanjahus fungiert. Dieser wiederum sei von der langjährigen Abhöraktion des IStGH geradezu "besessen" gewesen.
Denn nach Informationen der britischen Zeitung soll der IStGH auch ausspioniert worden sein. Sowohl Telefongespräche von Bensouda wie auch E-Mail-Accounts von NGOs mit Palästina-Bezug sollen dafür gehackt worden sein.
Die Recherche wurde nur wenige Tage nach der Ankündigung des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs Karim Khan veröffentlicht, Haftbefehle gegen Hamas-Führer und hochrangige israelische Politiker, darunter auch gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu beantragen zu wollen.
Ein Sprecher des israelischen Premierministers wies auch die nun erhobenen Vorwürfe als "falsch und unbegründet" zurück. Cohen und Bensouda persönlich gaben keine Stellungnahmen zu den Veröffentlichungen ab.
Der Chefankläger Karim Khan am IStGH betonte kürzlich, dass er auch jegliche Versuche, IStGH-Beamte zu behindern oder einzuschüchtern, verfolgen werde.
Juristen sehen in den Drohungen gegen Khans Vorgängerin Bensouda einen möglichen Verstoß gegen das Römische Statut, den Gründungsvertrag des Internationalen Strafgerichtshofs.
Mehr zum Thema – Der nukleare Elefant im nahöstlichen Raum: Israels "Samson-Option"