Im Gespräch mit dem Magazin The Economist hat der NATO-Generalsekretär die verbündeten Staaten aufgerufen, gewisse Einschränkungen für den Einsatz der aus dem Westen an die Ukraine gelieferten Waffen zu revidieren. Somit stellte er sich in der Debatte, ob die Ukraine Ziele in Russland mit solchen Waffen angreifen darf, eindeutig auf die Seite der Regierung in Kiew. Der Chefredakteurin Zanny Minton Beddoes sagte der Norweger, dies sei insbesondere jetzt wichtig, wenn es viele Kämpfe im Gebiet Charkow in der Nähe der russischen Grenze gebe.
"Der Ukraine die Möglichkeit zu verweigern, diese Waffen gegen legitime militärische Ziele auf russischem Territorium einzusetzen, erschwert der Ukraine die Selbstverteidigung sehr."
Stoltenberg sprach von einem Angriffskrieg Moskaus, in dem Kiew im Einklang mit der UN-Charta sein gutes Recht habe, sich zu verteidigen. Dies impliziere nun auch Angriffe auf Ziele in Russland.
Gleichzeitig lehnte der NATO-Generalsekretär die Idee ab, russische Raketen und unbemannte Luftfahrzeuge über der Ukraine mit in benachbarten NATO-Staaten stationierten Luftabwehrsystemen abzuschießen. Der Norweger sprach sich auch gegen eine Entsendung von NATO-Bodentruppen ins osteuropäische Land aus. Solche Maßnahmen könnten den bewaffneten Konflikt weiter eskalieren lassen. Stoltenberg betonte:
"Wir werden nicht Teil des Konfliktes werden."
Dass der Westen der Ukraine Waffen liefere und ukrainische Armeeangehörige schule, mache ihn nicht zu einer unmittelbaren Konfliktseite, erklärte Stoltenberg.
In Bezug auf eine Mitgliedschaft der Ukraine im westlichen Militärbündnis wollte der NATO-Generalsekretär keine Prognosen geben. Man helfe aber Kiew dabei, notwendige Bedingungen dafür zu schaffen. Das Land sollte den Standards der Allianz entsprechen und die Kompatibilität mit dem Militärbündnis erhöhen. Außerdem sollten alle NATO-Staaten dem Beitritt zustimmen, wofür man einen politischen Willen der Mitgliedsstaaten brauche.
Am 23. Mai hatte die New York Times berichtet, dass innerhalb der US-Regierung eine Diskussion darüber stattfinde, ob die Ukraine bei Angriffen auf Russland US-Waffen einsetzen dürfe. US-Außenminister Antony Blinken habe diese Initiative nach seinem jüngsten Besuch in Kiew und im Zusammenhang mit den Erfolgen der russischen Streitkräfte bei Charkow unterbreitet.
Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij pocht schon seit langem auf diese Erlaubnis. Bislang besteht US-Präsident Joe Biden aber auf der Bedingung, dass Kiew US-Waffen nur zur Verteidigung auf dem eigenen Territorium zum Einsatz bringt. Großbritannien hat diesbezügliche Restriktionen dagegen schon teilweise aufgehoben.
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