In seinem heutigen Beschluss hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag mit 13:2 Stimmen beschlossen, der Staat Israel müsse "sofort seine militärische Offensive sowie alle anderen Handlungen beenden, die der Gruppe der Palästinenser in Gaza Lebensbedingungen auferlegen, die ihre teilweise oder vollständige physische Zerstörung verursachen können".
Außerdem forderte das Gericht, den Grenzübergang Rafah "für die ungehinderte Versorgung in ausreichender Menge mit dringend benötigten grundlegenden Dienstleistungen und humanitärer Hilfe" offenzuhalten, wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen und dass jede Untersuchungskommission, die von den entsprechenden Organen der Vereinten Nationen beauftragt wird, um den Vorwurf des Genozids zu untersuchen, ungehinderten Zugang zum Gazastreifen erhält.
In einem Monat soll Israel dem Gericht über die getroffenen Maßnahmen Bericht erstatten.
Damit folgte das Gericht teilweise dem Antrag Südafrikas, das am 16. Mai nicht nur ein Ende der Offensive in Rafah, sondern den sofortigen, vollständigen und bedingungslosen Rückzug der israelischen Truppen aus Gaza gefordert hatte. Aber im Gegensatz zu den vorhergehenden Beschlüssen vom 26. Januar und vom 28. März dieses Jahres ergeht die Aufforderung nicht mehr an die israelische Regierung, sie möge dafür Sorge tragen, dass das Militär keine Menschenrechtsverletzungen begeht, sondern es wird das Ende der laufenden militärischen Handlungen gefordert.
Die humanitäre Lage habe sich, so das Gericht, seit dem letzten Beschluss vom 28. März weiter verschlechtert, sodass die damaligen Maßnahmen heute nicht mehr genügten.
Südafrika hatte in seinem jüngsten Vortrag vor dem IGH ausgeführt, bereits die Art und Weise, wie Israel in Rafah wie auch andernorts im Gazastreifen vorgehe, sei in sich genozidal. Daher brauche es "eine explizite Anweisung, dass Israel 'seine militärischen Handlungen einstellt', um zu 'schützen, was an palästinensischem Leben in Gaza übrig ist'".
Das Gericht zitiert in dem neuen Beschluss eine Reihe von Aussagen verschiedenster UN-Organisationen, die die Verschärfung der Lage bestätigen. "Das Gericht erkennt, dass die gegenwärtige Lage, die aus Israels militärischer Offensive in Rafah entsteht, ein weiteres Risiko nicht wiedergutzumachender Schäden der von Südafrika eingeklagten plausiblen Rechte mit sich bringt."
Die beiden abweichenden Stimmen bei dem 13:2 erfolgten Votum des Internationalen Gerichtshofs stammten von der Vizepräsidentin Sebutinde und dem israelischen Richter Barak.
Nach der UN-Charta sind Urteile des Internationalen Gerichtshofs bindend, das Gericht selbst hat aber keine Exekutivgewalt. Das zuständige Organ der Vereinten Nationen, um diese Beschlüsse materiell durchzusetzen, ist der UN-Sicherheitsrat, der sich nun binnen Kurzem mit diesem Urteil befassen müssen wird.
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