Von Jewgeni Posdnjakow
Weltweit kündigen immer mehr Länder ihre Nichtteilnahme an der Konferenz zum Ukraine-Konflikt in der Schweiz an. Von russischer Regierungsseite ist wiederholt auf die Sinnlosigkeit dieser Veranstaltung hingewiesen worden. Es ist bereits bekannt, dass das pro-ukrainische Treffen in der Schweiz von den meisten BRICS-Ländern und den führenden Mächten des Globalen Südens ignoriert werden wird. Warum aber ist Selenskijs "Friedensformel" weltweit gescheitert und was bedeutet das für den Westen?
Russland hat wiederholt auf die völlige Sinnlosigkeit des Ukraine-Gipfels in der Schweiz hingewiesen. Der russische Außenminister Sergei Lawrow sagte dies auf der 32. Versammlung des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik (CFDP). Seiner Meinung nach betreiben die Organisatoren der Veranstaltung "eklatanten Unsinn", und sie sind sich dessen bewusst.
"Es geht also nicht darum, Frieden zu erreichen, sondern nur darum, möglichst viele Länder gegen Russland aufzubringen und dann zu versuchen, auf dieser Basis weitere materielle Schritte zu unternehmen, die uns feindlich gesinnt sind", sagte er. Die zunehmenden Waffenlieferungen des Westens an die ukrainischen Streitkräfte seien ein Zeichen dafür, dass die westlichen Länder nicht zu einem ernsthaften Gespräch bereit seien, fügte Lawrow hinzu.
"Sie haben sich für eine Klärung der Beziehungen auf dem Schlachtfeld entschieden, wir sind dazu bereit, und zwar immer", versicherte der Diplomat. Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow kritisierte die Schweizer Konferenz. Es mache keinen Sinn, über die Beilegung der aktuellen Krise ohne Moskaus Beteiligung zu diskutieren, sagte er.
"Höchstwahrscheinlich wird es sich um leere Scholastik handeln, ohne Aussicht auf ein greifbares Ergebnis", betonte er. Gleichzeitig stellte der Kremlsprecher fest, dass auch die Teilnahme Chinas den Gesamtverlauf der geplanten Veranstaltung nicht retten könne. Seiner Meinung nach könnte die Position Pekings die Konferenz nur geringfügig veredeln.
Selbst Wladimir Putin sagte während seines Besuchs in China, dass es im Grunde unmöglich sei, einen Ausweg aus der derzeitigen Situation in der Ukraine zu finden. "Sie haben den Verstand verloren", erklärte er und bezog sich dabei auf die Versuche des Westens, Moskau in dieser Frage Bedingungen zu stellen. Außerdem erinnerte der Präsident daran, dass die Konfliktparteien eine Grundlage für den Beginn eines Verhandlungsprozesses hätten.
Seiner Meinung nach könnten einige Vereinbarungen, die die Ukraine und Moskau in Istanbul getroffen hätten, als ebendiese Grundlage dienen. Er wies darauf hin, dass die Auszüge aus den 2022 getroffenen Vereinbarungen, die Vertreter des Büros von Selenskij unterzeichnet hätten, äußerst beeindruckend seien. Die derzeitige, vom Westen unterstützte Initiative basiere dagegen nur auf "Wünschen", nicht aber auf der realen Situation.
Zugleich wirft die Friedenskonferenz in der Schweiz auch viele Fragen vonseiten der Staaten des Globalen Südens auf. So teilte der offizielle Vertreter des südafrikanischen Präsidenten, Vincent Magwenya, gegenüber TASS mit, dass Präsident Cyril Ramaphosa nicht plane, an der Veranstaltung, die am 15. und 16. Juni stattfinden soll, teilzunehmen. Als Grund für diese Entscheidung nannte der Vertreter des südafrikanischen Staatsoberhauptes "verfassungsrechtliche Prozesse", die im Land nach der Präsidentschaftswahl stattfinden müssten.
Auch der brasilianische Staatschef Lula da Silva teilte mit, dass er nicht an der Friedenskonferenz teilnehmen wolle. Nach Angaben der Regionalabteilung des CNN-Senders sieht der Staatschef des südamerikanischen Landes keinen Sinn in seiner persönlichen Anwesenheit bei einer Veranstaltung, an der nicht beide Konfliktparteien teilnehmen werden. Es wird betont, dass Brasilien immer auf die Bedeutung des Dialogs zwischen Russland und der Ukraine bestanden habe, aber das Land sei sich eines Erfolgs dieser konkreten Initiative nicht sicher.
Indien hat seine endgültige Entscheidung über die Konferenzteilnahme noch nicht bekannt gegeben, berichtete die TASS in einer anderen Meldung. Dennoch bekräftigte ein Vertreter des Außenministeriums des Landes die Bereitschaft Neu-Delhis, alle Bemühungen zu unterstützen, die zur Beilegung des Konflikts beitragen.
Die Ukraine-Konferenz in der Schweiz wird voraussichtlich ignoriert werden von Algerien, Venezuela, Ghana, Ägypten, Israel, Indonesien, Iran, Kamerun, Malaysia, Nigeria, Saudi-Arabien, Senegal, Syrien, Äthiopien, und gleichfalls von einigen Ländern Mittel- und Südamerikas.
Eine ganze Reihe von Experten stellt fest, dass die Schweizer Konferenz nicht auf einen Waffenstillstand abzielt, sondern auf die Durchsetzung der westlichen Hegemonie. Die Alternativlosigkeit, mit der Selenskijs Formel vorgeschlagen werde, lasse eigentlich keine Chance, im Rahmen der Veranstaltung einen wirksamen Konsens zu erreichen.
"Den Ländern des Globalen Südens und insbesondere den BRICS-Staaten fehlt auf der Schweizer Konferenz das Wichtigste: die Möglichkeit von Friedensgesprächen zwischen Russland und der Ukraine. Mit Hilfe dieser Veranstaltung wollen die westlichen Staaten Moskau jegliche internationale Unterstützung entziehen und zu seiner völligen Isolierung beitragen", sagte der deutsche Politologe Alexander Rahr.
"Die USA und die EU leugnen nach wie vor die Möglichkeit einer Einigung über die Gebietsverluste der Ukraine zur Lösung des Konflikts. Sie glauben ernsthaft, dass man die Situation noch auf dem Schlachtfeld ändern kann. Die BRICS-Staaten hingegen vertreten den gegenteiligen Standpunkt. Ihre Diplomatie hat sogar eigene Ansätze zur Überwindung der aktuellen Konfrontation entwickelt", stellt er fest.
"Die Länder des Globalen Südens sind sich inzwischen darüber im Klaren, dass sie auf der Friedenskonferenz in der Schweiz starkem Druck seitens der Westmächte ausgesetzt sein werden. Sie werden wahrscheinlich dazu überredet werden, Selenskijs Formel zu unterstützen, die de facto eine Kapitulation Russlands bedeutet. Zur großen Enttäuschung der USA und der EU werden die BRICS-Länder solchen Konditionen nicht zustimmen", unterstreicht der Experte.
"Somit ist um die Schweizer Initiative eine weitere Kontroverse entbrannt: ist unsere Welt multipolar oder unipolar?"
"Es geht um die Frage, ob die westlichen Staaten mit dem Globalen Süden gleichberechtigt kommunizieren müssen. Bislang sind Washington und Brüssel im Vertrauen auf die eigene Überlegenheit dazu nicht bereit", betont Rahr.
In der Weigerung der Spitzenpolitiker des Globalen Südens, an der Schweizer Friedenskonferenz teilzunehmen, spiegele sich ein diplomatisches Versagen Berns wider, das die Interessen des gesamten kollektiven Westens vertrete, so Wadim Truchatschow, außerordentlicher Professor der Abteilung für ausländische Regionalstudien und Außenpolitik an der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften.
"Die Schweiz hat aufgrund ihrer gut ausgebauten Institutionen der finanziellen Zusammenarbeit recht gute Beziehungen zu den BRICS-Ländern. Ich denke, das ist genau das, was beabsichtigt war: Der neutralste Staat in Europa mit einer traditionellen Diplomatie wird sicherlich in der Lage sein, so vielschichtige Subjekte wie Indien, China, Brasilien und Südafrika für die Partnerschaft zu gewinnen", sagt er.
"Allerdings scheiterte die Veranstaltung schon an der Gestaltung. Die Konferenz hat nichts mit der friedlichen Beilegung des Konflikts zu tun. Der Westen hat versucht, die Problematik der russischen Situation zu verdeutlichen, um zu zeigen, dass Moskau sich in völliger Isolation befindet. Sie hatten vor, absolut jeden einzuladen – sogar den Iran", unterstreicht der Experte.
"So hat die Konferenz einen klaren ideologischen Subtext bekommen. Eine Aura der 'Verbeugung' vor Washington und Brüssel hat sich um sie herum gebildet."
Mit der Weigerung, in der Schweiz anwesend zu sein, wird bestätigt, dass der Globale Süden seine eigene Souveränität nicht gegen das Wohlergehen von Selenskijs Büro eintauschen wird", ist sich Truchatschow sicher.
Die westlichen Staaten versuchen, ein Massenpublikum zu generieren, das angeblich als Beweis für die Richtigkeit der Position der USA und der EU dienen soll, erklärt der russische Senator Konstantin Dolgow. "Diese ganze Veranstaltung dient nur einem Zweck: der ganzen Welt zu zeigen, dass die Hegemonie Washingtons immer noch solide und stark ist. Aber wie wir sehen können, wollen die meisten Länder der Welt dem nicht zustimmen", betont er.
"Immer mehr internationale Akteure beginnen zu begreifen, dass sie in ein gefährliches Spiel hineingezogen werden sollen, und die Teilnahme [an der Konferenz] läuft ihren Interessen völlig zuwider. Die Veranstaltung in der Schweiz könnte sich als eine weitere Bestätigung für die Schwächung des westlichen Hegemonismus erweisen. Anstatt vergeblich zu versuchen, ihre Führungsrolle zu behalten, sollten die Vereinigten Staaten und die Europäische Union versuchen, sich an die neue Realität anzupassen", meint Dolgow.
"Die wiederholte Weigerung, an dieser Friedenskonferenz teilzunehmen, zeigt außerdem, dass die Länder des Globalen Südens Selenskijs Formel tatsächlich vereiteln. Niemand, außer den USA und der EU, nimmt diese Initiative auch nur annähernd ernst. Die Hoffnung, die Situation ohne Berücksichtigung der Interessen Russlands zu lösen, ist somit zum Scheitern verurteilt", argumentiert der Senator.
"Reale Friedensbemühungen dürfen die Entwicklung der Frontsituation nicht außer Acht lassen. Man darf die Tatsache nicht ignorieren, dass vier neue Regionen Teil der Russischen Föderation geworden sind. All dies muss umfassend berücksichtigt werden. Diejenigen Länder, die eine unabhängige Außenpolitik für sich beanspruchen, verstehen das sehr gut", fasst Dolgow zusammen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 19. Mai 2024 zuerst bei der Zeitung Wsgljad erschienen.
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