Ein australischer Richter hat am Dienstag einen ehemaligen Armeeanwalt zu fast sechs Jahren Gefängnis verurteilt, weil er geheime Informationen an die Medien weitergegeben hatte, die Vorwürfe über australische Kriegsverbrechen in Afghanistan enthüllten.
David McBride, 60, wurde von dem Gericht in der Hauptstadt Canberra zu fünf Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt, nachdem er sich in drei Anklagepunkten schuldig bekannt hatte, darunter Diebstahl und Weitergabe von als geheim eingestuften Dokumenten an die Presse. Ihm hatte eine mögliche lebenslange Haftstrafe gedroht.
Richter David Mossop ordnete an, dass McBride 27 Monate im Gefängnis absitzen muss, bevor eine Entlassung auf Bewährung in Betracht kommt.
Kritiker des Prozesses bemängelten, dass McBrides verurteilt wurde, noch bevor die mutmaßlichen Kriegsverbrecher, die er zu entlarven half, ihre Strafe bekommen hätten. Dies zeige einen Mangel an Schutz für Informanten in Australien.
McBride wandte sich vor der Urteilsverkündung noch an seine Unterstützer. Vor dem Gerichtsgebäude erklärte er:
"Ich war noch nie so stolz darauf, ein Australier zu sein wie heute. Ich mag gegen das Gesetz verstoßen haben, aber ich habe meinen Eid gegenüber dem australischen Volk und den Soldaten, die für unsere Sicherheit sorgen, nicht gebrochen."
Der Anwalt von McBride, Mark Davis, kündigte direkt nach der Urteilsverkündung an, dass sein Mandant Berufung einlegen werde.
McBrides Dokumente bildeten die Grundlage für eine siebenteilige Fernsehserie der Australian Broadcasting Corporation (ABC) im Jahr 2017, die Vorwürfe über Kriegsverbrechen enthielt, darunter die Tötung unbewaffneter afghanischer Männer und Kinder durch Soldaten des Australian Special Air Service Regiments im Jahr 2013.
Die Polizei führte 2019 eine Razzia in der ABC-Zentrale in Sydney durch, um Beweise für eine undichte Stelle zu finden, entschied sich aber dagegen, die beiden für die Untersuchung verantwortlichen Reporter anzuklagen.
Bei der Urteilsverkündung sagte Richter Mossop, dass er McBrides Erklärung, dass er dachte, ein Gericht würde ihn für sein Handeln im öffentlichen Interesse rechtfertigen, nicht akzeptiere.
McBrides Argument, dass sein Verdacht, dass die höheren Ränge der australischen Verteidigungsstreitkräfte in kriminelle Aktivitäten verwickelt seien, ihn dazu zwang, geheime Papiere zu veröffentlichen, "entspreche nicht der Realität", so Mossop weiter.
Ein australischer Militärbericht, der 2020 veröffentlicht wurde, fand Beweise dafür, dass australische Soldaten 39 afghanische Gefangene, Bauern und Zivilisten getötet haben. Der Bericht empfahl, gegen 19 derzeitige und ehemalige Soldaten strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten.
Die Polizei arbeitet mit dem Office of the Special Investigator, einer 2021 eingerichteten australischen Ermittlungsbehörde, zusammen, um Fälle gegen Elitesoldaten des SAS und des Commando Regiments zu ermitteln, die zwischen 2005 und 2016 in Afghanistan gedient haben.
Der ehemalige SAS-Soldat Oliver Schulz war im vergangenen Jahr der erste dieser Veteranen, der wegen eines Kriegsverbrechens angeklagt wurde. Ihm wird vorgeworfen, 2012 in einem Weizenfeld in der Provinz Uruzgan einen Zivilisten erschossen zu haben.
Ebenfalls im vergangenen Jahr befand ein Zivilgericht, dass Australiens höchstdekorierter lebender Kriegsveteran Ben Roberts-Smith wahrscheinlich vier Afghanen getötet hat. Er wurde jedoch nicht strafrechtlich angeklagt.
Die australische Direktorin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Daniela Gavshon, sagte, die Verurteilung von McBride sei ein Beweis dafür, dass die australischen Whistleblowing-Gesetze im öffentlichen Interesse Ausnahmen benötigen. Sie erklärte:
"Es ist ein Schandfleck für den Ruf Australiens, dass einige seiner Soldaten wegen Kriegsverbrechen in Afghanistan angeklagt wurden, aber die erste Person, die im Zusammenhang mit diesen Verbrechen verurteilt wurde, ist ein Whistleblower und nicht die Täter."
Sie fügte hinzu:
"Die Haftstrafe für David McBride bestätigt, dass Whistleblower nicht durch australisches Recht geschützt sind. Es wird eine abschreckende Wirkung auf diejenigen haben, die Risiken eingehen, um auf Transparenz und Rechenschaftspflicht zu drängen."
Andrew Wilkie, ein ehemaliger Geheimdienstanalyst, der ein Whistleblower war und jetzt ein unabhängiger Abgeordneter ist, sagte, australische Regierungen "hassen Whistleblower". Er fügte hinzu:
"Die Regierung wollte David McBride bestrafen und anderen Insidern signalisieren, dass sie im Inneren bleiben und schweigen sollten."
Wilkie kündigte seinen Job beim australischen Geheimdienst Office of National Assessments wenige Tage bevor sich australische Truppen den US-amerikanischen und britischen Streitkräften bei der Irak-Invasion 2003 anschlossen.
Er argumentierte damals öffentlich, dass der Irak keine ausreichende Bedrohung darstellte, um eine Invasion zu rechtfertigen, und dass es keine Beweise für eine Verbindung zwischen der irakischen Regierung und al-Qaida gab.
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