Das georgische Parlament hat am Mittwoch in zweiter Lesung über das Gesetz "Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme" abgestimmt. Von 150 Abgeordneten stimmten 83 dafür – allesamt Abgeordnete der Regierungsparteien. In der ersten Lesung hatten ebenso viele Abgeordnete dafür gestimmt. Die Mehrheit der Opposition nahm wieder nicht an der Abstimmung teil.
Die Debatte um das Gesetz war erneut von Zusammenstößen und Festnahmen geprägt. Mehrere tausend Menschen strömten am Dienstagabend auf die Hauptstraße der Stadt. Nach Angaben des Innenministeriums blockierten die Demonstranten den Eingang zum Parlamentsgebäude und "erklärten, dass sie den Abgeordneten nicht erlauben würden, das Gebäude zu verlassen". Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Kundgebung auf dem Rustaweli-Prospekt aufzulösen. Nach offiziellen Angaben des Innenministeriums wurden 63 Personen festgenommen, sechs Polizisten sollen verletzt worden sein.
Auch am Mittwochabend kam es erneut zu Protesten. Einige Demonstranten wurden dabei gefilmt, wie sie sich der Festnahme gewaltsam widersetzten und sich mit Beamten prügelten. Nach Angaben des georgischen Fernsehens errichteten die Demonstranten Barrikaden und blockierten mehrere Straßen im Zentrum von Tiflis. Die Polizei werde gezwungen sein, die Kundgebung aufzulösen, wenn die Teilnehmer ihre gewalttätigen Aktionen nicht einstellten, warnte der stellvertretende Innenminister.
Russische Nachrichtenagenturen berichten, einer der Demonstranten habe eine russische Fahne an das Tor des Parlaments gebunden und erfolglos versucht, sie anzuzünden, woraufhin die Fahne in Stücke gerissen worden sei.
Auf Bildern ist zu sehen, wie eine große Zahl von Polizisten in Kampfausrüstung auf die sich zurückziehenden Demonstranten zustürmt. Auch Wasserwerfer sind zu sehen.
Präsidentin Salome Surabischwili, die in Opposition zur Regierungspartei steht, unterstützte die Demonstranten, forderte sie aber gleichzeitig auf, keine Zusammenstöße mit der Polizei zu provozieren. "Es gibt Dinge, die nicht getan werden sollten, lasst die Tore des Parlaments in Ruhe", sagte sie in einer Videoansprache, die im georgischen Fernsehen ausgestrahlt wurde.
Die prowestliche Oppositionspartei "Nationale Bewegung" teilte mit, ihr Vorsitzender Lewan Chabeischwili sei am frühen Mittwochmorgen kurzzeitig von der Polizei entführt und geschlagen worden. Später am Tag nahm er mit Verbänden an Nase und Stirn an einer Parlamentssitzung teil.
Der Oppositionelle behauptet, er habe sich "für Jugendliche eingesetzt, die von der Polizei unterdrückt wurden". "Das ist keine Demokratie, wenn der Führer der Mehrheit geschlagen wird. Ich habe eine Bitte: In fünf Monaten sind Wahlen. Ich bitte Sie, dieses Gesetz zurückzuziehen. Wenn Sie es nicht zurückziehen, rufe ich die Bürger auf, auf die Straße zu gehen."
Den Protesten vorausgegangen war eine Erklärung von Bidsina Iwanischwili, Ehrenvorsitzender der Partei "Georgischer Traum". Er erklärte, dass es eine "globale Kriegspartei" gebe, die seiner Meinung nach das Handeln der USA und der EU beeinflusse. Diese wolle Georgien und die Ukraine als "Kanonenfutter" gegen Russland benutzen. Die "globale Kriegspartei" sei gegenüber Georgien aggressiv, weil es ihr nicht gelungen sei, "das Land in eine zweite Front zu verwandeln".
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, schrieb auf X: "Ich verfolge die Lage in Georgien mit großer Sorge und verurteile die Gewalt auf den Straßen von Tiflis". Georgien stehe am Scheideweg.
Der Gesetzesentwurf gefährde die "euro-atlantische Integration" Georgiens, erklärte das US-Außenministerium. "Die Äußerungen und Handlungen der georgischen Regierung sind unvereinbar mit den demokratischen Werten, die der Mitgliedschaft in der EU und der NATO zugrunde liegen, und gefährden Georgiens Weg zur euro-atlantischen Integration", hieß es am Mittwoch in einer Erklärung der Behörde. Ziel des Gesetzes sei es, "Kritiker zum Schweigen zu bringen und die aktive Zivilgesellschaft Georgiens zu zerstören". Ferner hieß es:
"Wir verurteilen den Einsatz von Gewalt gegen friedliche Proteste, auch gegen Journalisten, die über die Demonstrationen berichten."
Ein ähnlicher Gesetzesentwurf war im März 2023 von der Regierungspartei vorgelegt und dann aufgrund der Unruhen in Tiflis auf Eis gelegt worden. Das Gesetz sollte Organisationen und Einzelpersonen, die zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, dazu verpflichten, sich registrieren zu lassen und ihre Geldgeber offenzulegen. In der neuen Fassung wurde der Begriff "Agent mit ausländischem Einfluss" durch "eine Organisation, die die Interessen einer ausländischen Macht verfolgt", ersetzt. Der Rest blieb unverändert.
Die Opposition bezeichnet das Gesetz als "prorussisch" und weist darauf hin, dass es in vielerlei Hinsicht Ähnlichkeiten mit der ursprünglichen Fassung des russischen Gesetzes über ausländische Agenten aufweist.
Bis zur Verabschiedung des Gesetzes steht noch eine abschließende dritte Lesung aus, die voraussichtlich am 17. Mai stattfinden wird. Danach will die Präsidentin wie versprochen ihr Veto einlegen, woraufhin das Gesetz zurück ins Parlament gehen wird.
Premierminister Irakli Kobachidse sagte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz, das Gesetz werde definitiv verabschiedet. "Kompromisse sind in dieser Frage nicht akzeptabel, denn dieses Gesetz wird die Polarisierung in der Gesellschaft verringern. Mitte Mai wird das Gesetz verabschiedet, einige Wochen später wird das Veto der Präsidentin im Parlament überwunden und das Gesetz wird in Kraft treten", zitiert ihn die Nachrichtenagentur TASS.
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