IGH: Keine vorläufigen Maßnahmen gegen Deutschland wegen Israel-Unterstützung

Nicaragua hat Deutschland vorgeworfen, in Gaza einen Genozid Israels zu unterstützen und hatte Deutschland deswegen der Beihilfe zum Völkermord vor dem Internationalen Gerichtshof verklagt. Ein Eilantrag zum Stopp deutscher Waffenlieferungen an Israel ist dort nun gescheitert.

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat es am Dienstag abgelehnt, vorläufige Maßnahmen gegen Deutschland wegen der Unterstützung Israels bei dessen Krieg im Gazastreifen zu erlassen. Nicaragua hatte der Bundesrepublik vorgeworfen, unter anderem durch Waffenlieferungen an Israel "Beihilfe zum Völkermord" an den Palästinensern zu leisten.

Nach dem Antrag aus dem zentralamerikanischen Landes sollte das Gericht vor dem Ende des Hauptverfahrens, das mehrere Jahre dauern könnte, mehrere Sofortmaßnahmen verhängen. Dazu zählte auch ein Ende der Waffenlieferungen an Israel.

Wegen "Beihilfe zu einem Genozid" hatte Nicaragua gegen die Bundesrepublik Deutschland geklagt. Aus Sicht Nicaraguas verübt Israel im Gazastreifen einen Völkermord, der auch durch Waffenlieferungen aus Deutschland ermöglicht wird. Nicaragua führte diesbezüglich an, dass Deutschland im Jahr 2023 Lieferungen von Rüstungsgütern im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigte – zehnmal so viel wie im Vorjahr. Nach Angaben der deutschen Verteidigung handele es sich bei diesen Rüstungsgütern jedoch "zu 98 Prozent" nicht um Kriegswaffen, sondern um "allgemeine Güter" wie etwa Helme oder Schutzwesten.

Nicaragua hatte auch gefordert, die Bundesregierung solle ihre Unterstützung für das UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) wieder aufnehmen. Deutschland hatte seine Zahlungen im Januar ausgesetzt, weil Mitarbeitern des UNRWA vorgeworfen worden war, in den Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober verwickelt gewesen zu sein. In der vergangenen Woche hatte die Bundesregierung allerdings bereits angekündigt, nun die deutsche Zusammenarbeit mit dem UNRWA nach der Veröffentlichung eines Untersuchungsberichts fortzusetzen.

Die Bundesrepublik hatte die Vorwürfe Nicaraguas zurückgewiesen. Deutschland liefere Waffen "nur auf der Grundlage einer sorgfältigen Prüfung, die weit über die Anforderungen des Völkerrechts hinausgeht", hatte Tania Freiin von Uslar-Gleichen, die Leiterin der Rechtsabteilung und Völkerrechtsberaterin des Auswärtigen Amts, Anfang April vor dem IGH ausgesagt. Die Sicherheit Israels stehe aufgrund der deutschen Geschichte "im Zentrum der deutschen Außenpolitik".

Einer der Vertreter Nicaraguas, der deutsche Anwalt Daniel Müller, warf der Bundesrepublik Deutschland hingegen vor, einerseits humanitäre Hilfe für die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen zu leisten und andererseits "die militärische Ausrüstung zu liefern, die verwendet wird, um sie zu töten". Eigentlich sind die Vereinigten Staaten von Amerika weltweit die engsten Verbündeten Israels. Diese erkennen den Internationalen Gerichtshof jedoch nicht an, daher habe das mittelamerikanische Land den IGH gegen Deutschland angerufen.

Der IGH wurde als Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen eingerichtet, um über zwischenstaatliche Streitigkeiten zu entscheiden. Die Urteile des Gerichts sind zwar bindend, in der Praxis gibt es jedoch kaum Möglichkeiten, diese Urteile auch faktisch durchzusetzen. Im Dezember hatte der IGH nach einer Völkermord-Klage Südafrikas gegen Israel gewisse provisorische Maßnahmen gegen Israel beschlossen.

Auch wenn der IGH keine Mittel hat, die Durchsetzung seiner Entscheidungen zu erzwingen, können diese Gerichtsentscheidungen jedoch öffentlich politischen Druck ausüben. Für die Bundesrepublik ist der Verdacht einer Mitverantwortung an einem Völkermord bereits eine deutliche Schlappe. Die Völkermord-Konvention kam 1948 unter dem Eindruck der Ermordung von etwa sechs Millionen Juden durch das deutsche Nazi-Regime während des Zweiten Weltkrieges zustande. Seitdem fühlt sich Deutschland – zumindest in der Selbstdarstellung des Landes nach außen – nicht nur Israel besonders verpflichtet, sondern auch dem internationalen Völkerrecht.

Der Krieg Israels im Gazastreifen war durch den beispiellosen Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden. An jenem Tag wurden nach israelischen Angaben etwa 1.170 Menschen getötet sowie rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Durch die anschließende und bis heute andauernde massive israelische Militäroffensive in dem Gebiet wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums bisher mehr als 34.500 Menschen getötet. Die verbliebene Zivilbevölkerung im Gazastreifen lebt unter katastrophalen humanitären Bedingungen.

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