Von Elem Chintsky
Die neue, neoliberale Regierung Polens hatte kürzlich erst 125 Amtstage seit ihrem knappen Wahlsieg letzten Dezember nur schleppend und mit weiterhin ungelösten, internen Krisen hinter sich gebracht, als ihr Chef, Donald Tusk, von der Notwendigkeit sprach, die EU bald als den größten Hegemon in die große weite Welt ausfahren lassen zu wollen.
Währenddessen verbringt aber das der PiS nahestehende polnische Staatsoberhaupt den Ausklang seiner zweiten und somit letzten Amtszeit damit, den wahrscheinlichsten Anwärter auf die neue US-Präsidentschaft in dessen Heimatstadt New York zu besuchen: Donald J. Trump, seinen ehemaligen Amtskollegen in den Jahren 2017 bis 2021. Laut den Äußerungen beider Seiten sprach man über den Ukrainekrieg und den Gazakrieg. Duda versicherte erneut, dass die Notwendigkeit der zweitrangigen NATO-Staaten – also aller anderen, außer den USA –, ihre Militärausgaben und BIP-Beiträge für das Bündnis signifikant zu erhöhen, weiterhin steht. Das ist also dieselbe Rhetorik wie vor sieben Jahren, als beide Männer noch am Anfang ihrer Präsidentschaften waren.
Im Hintergrund dazu tobt der immer größer werdende Widerstand polnischer Bauern – manifestiert vor allem an der südpolnisch-ukrainischen Grenze –, der sich nach seinen letzten Höhepunkten in den Monaten Februar und März seit Donnerstag wieder zu verschärfen beginnt. Die Bauern sehen ihr eigenes landwirtschaftliches Produkt, damit ihr Gesamtgeschäft und letztendlich ihr berufliches Dasein durch die von Brüssel von oben genehmigte Flutung des EU-Marktes mit billigen ukrainischen Agrarprodukten existenziell gefährdet. Dieser Widerstand hat direkten Einfluss auf die öffentliche Meinung innerhalb Polens und die langfristige Bewertung sowohl des Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland als auch somit des gesamten NATO-Bündnisses mit der Russischen Föderation – selbst wenn die polnischen Leitmedien versuchen, diese Prozesse so effektiv wie möglich auszublenden und aus der medialen Wirklichkeitskonstruktion fernzuhalten.
Trump gilt bekannterweise nahezu als Persona non grata für die neoliberal-progressive Brüssel-Clique, darunter nicht nur für die nicht demokratisch ins Amt gekommene EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sondern eben auch für den ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk (2014–2019), weil Trump im Kontrast zu deren globalistischen Plänen einer technokratischen Konvertierung der ganzen Welt in eine neoliberal-etatistische, pseudopluralistische Zwangsgenossenschaft stehe.
Wenn man den machtpolitischen Irrsinn von Tusk zu jeglichen künftigen EU-Hegemonieansprüchen irgendwie doch rationalisieren müsste, dann mit dieser Auslegungsschablone: nicht nur Duda, sondern auch Tusk weiß, dass Trump der nächste US-Präsident wird. Der eine entscheidet sich, Trump in New York zu besuchen, der andere spricht öffentlich darüber, wie er und seine EU gar keine Hilfe von "sonst wem" (gemeint ist: von Donald Trump) brauche, da die EU vermeintlich vollkommen eigenständig und als plutokratischer Staatenbund souverän und mit übermäßiger wirtschaftspolitischer Macht ausgestattet sei.
Duda tanzt auch anderswo aus der Reihe
Nur zwei Tage vor seinem USA-Besuch bei Trump führte Duda in einem Interview gegenüber litauischen Medien Dinge an, die nicht von ihm zu erwarten waren. Auf die Frage, wie er die neu aufflammenden Bauernproteste in seinem Land bewertet, erläuterte er:
"Aber das ist wirklich ein Problem für unsere Landwirte, weil Lebensmittel aus der Ukraine billiger sind und die lokalen Märkte zerstören. Unser Markt ist viel kleiner, wir sind nur halb so groß wie die Ukraine. ... Ich möchte besonders auf die industrielle Landwirtschaft hinweisen, die nicht wirklich von Ukrainern betrieben wird, sondern von großen Unternehmen aus Westeuropa, aus den USA. Wenn wir uns heute die Eigentümer der meisten Ländereien ansehen, sind es keine ukrainischen Unternehmen.
Das ist eine paradoxe Situation, und es ist kein Wunder, dass sich die Landwirte wehren, denn sie haben in ihre Betriebe in Polen investiert ... und billige Agrarprodukte aus der Ukraine sind für sie dramatisch schädlich."
Über die Tatsache, dass das faschistische Kiewer Regime über einen Legislatur-Trick von 2021 das enorme, fruchtbare ukrainische Agrarland von ukrainischem Privat- und Staatsbesitz an westliche Agrar-Monopole wie Cargill, DuPont und Monsanto (hinter ihnen BlackRock, Vanguard Group Inc. und Blackstone) überträgt, berichteten wir bereits im Mai 2022. Im Februar 2023 hatte auch das Oakland Institute diese Tatsachen von weiteren Blickwinkeln her ermittelt, aufgearbeitet und publiziert.
Dass nun ausgerechnet der polnische Staatspräsident diese verschleierten Umstände offen anspricht, bedeutet, dass er wohl auf eine verfassungswidrige 3. Amtszeit sowieso verzichten werde – und demnach auch viel mehr Klartext sprechen könne, als in den letzten Jahren. Wohl aber ließ Duda diese Enthüllungen den litauischen Medien zuteilwerden, statt den eigenen. In jedem Fall gehen solche Äußerungen von hoher Stelle konträr zu den vereinfachten Narrativen, um nicht zu sagen Märchen, der NATO-Medien über einen Kampf um eine demokratische, souveräne und freiheitliche Ukraine – besiegelt durch das freundliche Händeschütteln von Selenskij mit BlackRock, Blackstone und anderen, wie in Davos 2024.
Dass Duda den Lebensabend seiner Amtszeit sichtlich genießt und sich inmitten der immer straffer gegürteten Wirklichkeit europäischer Diskursfreiheit etwas mehr diplomatischen Freiraum erlaubt, zeigte auch unlängst im Februar seine Äußerung bei einem Gespräch im polnischen YouTube-Kanał Zero, als er bezweifelte, dass die Halbinsel Krim jemals zu Kiew zurückkehren würde, da sie "historisch speziell" sei und sie die meiste Zeit sowieso "Russland unterstand". Der Präsident zeigte sich im selben Interview jedoch zuversichtlich, dass die Ukraine irgendwann den Donbass zurückerlangen werde. Das half ihm dann aber nicht mehr, die Wogen des Entsetzens und der Anklage seitens der vielen professionellen wie auch der ehrenamtlichen Empörten im eigenen Land wieder zu glätten.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.
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