Nach eigenen Angaben gründete Durow im Alter von 21 Jahren VKontakte, das russische Pendant zu Facebook und das beliebteste soziale Netzwerk in Russland, der Ukraine und Weißrussland. In den Jahren 2011 bis 2012 hatte die russische Opposition den Dienst genutzt, um Proteste zu koordinieren. Als Reaktion darauf seien die russischen Behörden an Durow herangetreten und hätten ihn aufgefordert, einige dieser Gruppen aus dem Netzwerk zu entfernen. Durow habe sich geweigert, Partei zu ergreifen, da er an den Prinzipien der Rede- und Meinungsfreiheit festhalte.
Im Jahr 2013 hätten russische Sicherheitskräfte von Durow Informationen über die Organisatoren von Protesten in der Ukraine verlangt. Auch hier habe er die Privatsphäre seiner Nutzer nicht verletzen wollen. Er habe die Wahl gehabt, den Forderungen der Behörden nachzukommen oder seine Anteile an dem Unternehmen zu verkaufen und das Land zu verlassen. "Ich habe mich für Letzteres entschieden", sagte er. Seinen erzwungenen Rückzug bezeichnete er als schmerzhaft, da er viel Zeit und Mühe in den Aufbau des Unternehmens investiert habe.
Als Grund für die Gründung von Telegram nannte der Unternehmer den Wunsch nach einer unabhängigen Kommunikationsplattform und einer sicheren Verbindung zu seinem Bruder Nikolai. Die Arbeit an dem Messenger habe begonnen, als er noch in Russland gelebt habe.
"Es war eine sehr stressige Situation, als bewaffnete Polizisten zu mir nach Hause kommen und hätten versuchen können, in mein Haus einzudringen, weil ich mich weigerte, diese oppositionellen Gruppen zu entfernen. Und mir wurde klar, dass es keine sicheren Kommunikationsmittel gibt."
Schließlich sei der Programmierer auf die Idee gekommen, eine App zu entwickeln, die die Kommunikation durch Verschlüsselung schützt. Den Code für den verschlüsselten Messenger habe sein Bruder geschrieben.
Durow erklärte, dass der Dienst derzeit mehr als 900 Millionen Nutzer habe. Die Nutzerzahlen stiegen ohne Werbekosten, Telegram verbreite sich "wie ein Lauffeuer". Täglich meldeten sich 2,5 Millionen Nutzer an. Bis Ende des Jahres könnte die App eine Milliarde Menschen erreichen. Sein Team bestehe aus 30 Ingenieuren.
Gerüchte, dass Telegram von den russischen Behörden kontrolliert werde, seien falsch und würden von Leuten verbreitet, die die Entstehungsgeschichte nicht kennen, sagte Durow. Diese Gerüchte würden von der Konkurrenz unterstützt.
Als er Russland verlassen habe, habe er verschiedene Orte für eine Unternehmensgründung ausprobiert, sei aber überall auf Bürokratie gestoßen. In Deutschland sei es etwa nicht möglich gewesen, Programmierer aus Nicht-EU-Ländern einzustellen, ohne zuvor einheimischen Fachkräften Arbeit anzubieten.
Daraufhin habe der Programmierer überlegt, nach San Francisco zu gehen. Dort sei es jedoch zu einem unangenehmen Zwischenfall gekommen. Nach einem Treffen mit Twitter-Gründer Jack Dorsey hätten ihn drei unbekannte Männer auf der Straße angegriffen und versucht, ihm sein Handy zu entreißen. Durow sagte, die USA seien das einzige Land der Welt, in dem er auf der Straße angegriffen worden sei. Außerdem habe das FBI ihm und den anderen Mitarbeitern des Messengers "zu viel Aufmerksamkeit" geschenkt. Laut Durow habe der US-Geheimdienst versucht, einen seiner Ingenieure zu ködern.
"Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Als ich zuletzt in den USA war, hatte ich einen Ingenieur dabei, der für Telegram arbeitet. Mitarbeiter oder Agenten der Cybersicherheit haben hinter meinem Rücken versucht, meinen Ingenieur zu rekrutieren."
Letztendlich habe man sich für Dubai entschieden. Es sei einfach, dort Geschäfte zu machen, so Durow. Die Vereinigten Arabischen Emirate seien ein "neutrales Land, das mit allen befreundet sein will". In den sieben Jahren, in denen er dort gelebt habe, sei er von den lokalen Behörden nie unter Druck gesetzt worden.
Er habe nicht die Absicht, nach Russland zurückzukehren, und versuche derzeit auch keines der großen geopolitischen Länder wie China oder die USA zu besuchen. Seiner Meinung nach sei das große Problem derzeit der Zwang, Partei zu ergreifen. Dies mache die Welt gefährlicher und unmöglich, Andersdenkende zu verstehen.
Nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington im Januar 2021 habe Telegram einen Brief von Vertretern der Demokratischen Partei der USA erhalten. Ein Kongressabgeordneter habe in dem Schreiben gefordert, alle Informationen über die Demonstranten herauszugeben. "Wir konsultierten unsere Anwälte, die uns rieten, den Brief zu ignorieren, obwohl er sehr ernst zu sein schien und darauf hinwies, dass die Nichtbefolgung der Aufforderung einen Verstoß gegen die US-Verfassung darstellen würde", sagte Durow.
Zwei Wochen später habe Telegram einen Brief von der Republikanischen Partei erhalten. "Wir erhielten einen weiteren Brief von Vertretern der Republikanischen Partei im Kongress, in dem es hieß, dass wir gegen die US-Verfassung verstoßen würden, wenn wir die Daten veröffentlichten. Wir haben also zwei Briefe erhalten: Was immer wir tun, es ist ein Verstoß gegen die US-Verfassung". Die Briefe seien ignoriert worden, so Durow.
Der Unternehmer äußerte sich auch zu anderen sozialen Netzwerken und IT-Konzernen. Laut Durow üben Apple und Google den größten Druck auf Telegram aus.
"Ich würde sagen, dass der größte Druck auf Telegram nicht von Regierungen ausgeht, sondern von Apple und Google. Wenn es um Meinungsfreiheit geht, können diese beiden Plattformen im Wesentlichen alles zensieren, was man auf seinem Smartphone lesen kann."
Gleichzeitig räumte er ein, dass einige Forderungen der Unternehmen berechtigt seien. Als Beispiel nannte er das Verbot der Veröffentlichung von Inhalten, die Gewalt, Diskriminierung oder Kindesmissbrauch beinhalten. In anderen Punkten lehnten Apple und Google jedoch Kompromisse ab.
Der Geschäftsmann erzählte auch von seiner Kindheit in der Sowjetunion und dem Umzug seiner Familie nach Italien, als er vier Jahre alt war. Pawels Bruder Nikolai war ein mathematisches Wunderkind, das sogar im italienischen Fernsehen auftrat. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kehrte die Familie zurück, da sein Vater, der Philologe Waleri Durow, Anfang der 1990er-Jahre ein Stellenangebot an der Staatlichen Universität Sankt Petersburg erhielt.
Über sein Vermögen sagte Durow, er habe mehrere Hundert Millionen Dollar auf seinen Konten: "Ich mache nichts damit. Ich habe keine Immobilien, keine Flugzeuge, keine Jachten." Er wolle sich lieber auf die Entwicklung des Messengers konzentrieren, Jachten und Flugzeuge würden ihn nur ablenken.
Das Video wurde in der Nacht auf Mittwoch veröffentlicht. Durow erklärte, er habe dem Interview zugestimmt, um gegenüber der Öffentlichkeit objektiv zu sein, da er auch einem Journalisten mit liberalen Ansichten ein Interview gegeben habe. Das zweite Interview ist noch nicht erschienen. Der Unternehmer kommuniziert selten mit der Presse.
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