Von Armin Schmitt
Erstmals seit Beginn des Gaza-Krieges forderte der UN-Sicherheitsrat am Montag in New York mit der Annahme einer entsprechenden Resolution eine Feuerpause, weil die USA durch ihre Enthaltung die Annahme dieser Resolution ermöglicht hatten. Alle anderen Mitglieder des höchsten UNO-Gremiums stimmten dafür, angesichts des islamischen Fastenmonats Ramadan eine sofortige Feuerpause im Gazastreifen zu fordern, die danach zu einer "dauerhaften und nachhaltigen Waffenruhe" führen soll.
Die US-amerikanische Botschafterin Linda Thomas-Greenfield hob hervor, sie habe sich enthalten, weil der Text die Hamas nicht verurteile. Die US-Enthaltung war insofern ein schwerer Rückschlag für Israel, weil USA bei dieser jüngsten Gaza-Resolution, in der die Hamas nicht verurteilt wurde, keinen Gebrauch von ihrem Vetorecht machten. Die Regierung in Washington, D.C. hatte nach dem großen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres mit ihrem Veto mehrmals Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verhindert, die bereits eine Waffenruhe forderten, und dies stets mit dem Recht Israels auf "Selbstverteidigung" begründet. Die nun beschlossene Resolution ist auch zugleich ein Sieg für die Hamas, weil sie eine Krise in den Beziehungen zwischen Israel und den USA verursachen könnte.
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu reagierte verärgert auf die Stimmenthaltung von Israels wichtigstem Verbündeten bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat. "Das gibt der Hamas die Hoffnung, dass der internationale Druck es ihr erlaubt, einer Waffenruhe auch ohne die Freilassung unserer Verschleppten zuzustimmen", erklärte Netanjahu laut seinem Büro.
Zudem sagte Netanjahu die geplante Abreise einer hochrangigen israelischen Delegation zu Konsultationen in Washington, D.C. ab. Der israelische Minister für strategische Angelegenheiten Ron Dermer und der Nationale Sicherheitsberater Zachi Ha-Negbi hätten am Montag in die USA fliegen sollen, um sich dort mit hochrangigen Vertretern der US-Regierung zu treffen. Die Gespräche hätten über Israels Bodenoffensive in Rafah an Grenze zu Ägypten geführt werden sollen. Ungefähr zur selben Zeit traf allerdings Israels Verteidigungsminister Joaw Galant, der am Sonntagabend nach Washington abgereist war, mit dem US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan zusammen
Israel treibt trotz der laufenden Verhandlungen über eine Waffenruhe die Vorbereitungen für eine Bodenoffensive in Rafah am Südende des Gazastreifens voran, um nach eigenen Angaben weitere Hamas-Bataillone zu zerschlagen und dort vermutete Geiseln zu befreien.
Die Stimmenthaltung der USA im UN-Sicherheitsrat bedeutet aber keinen vollständigen Politikwechsel der US-Regierung. Die wiederholten Drohungen und Ankündigungen des israelischen Ministerpräsidenten in den vergangenen Wochen in Richtung der USA haben den Anschein erweckt, als stehe die Militäroperation in Rafah ohne Rücksprache mit den USA kurz bevor.
Aber im Grunde geht es darum, dass der Ministerpräsident die Krise im Verhältnis zu den USA forciert, um von der Krise innerhalb der eigenen Regierung abzulenken. Den engsten Verbündeten und wichtigsten Waffenlieferanten zu provozieren und herauszufordern, kann zwar der innenpolitischen Profilierung dienen, aber dies ist ein Spiel, das Netanyahu nur bis zu einem gewissen Punkt treiben kann. Denn Israel ist beim Aufstocken seiner Waffenvorräte vollständig auf die USA angewiesen. Ohne die Koordination mit den USA kann Israel in Rafah nicht operieren. Alles, was Netanjahu derzeit sagt oder tut, dient seinem eigenen politischen Überleben. Nun wird aber die Enthaltung der USA bei der Abstimmung über die Gaza-Resolution auch Auswirkungen auf Israels Kriegführung haben. So könnte die Hamas motiviert bleiben, auf maximalen Vorbehalten für einen neuen Kompromiss mit Tel Aviv über die Geisel-Frage zu beharren.
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