Die ukrainischen Streitkräfte stehen massiv unter Druck, an der Kriegsfront im Osten hat Russland zunehmend die Oberhand gewonnen. Westliche Militärexperten warnen: Sollte die Ukraine nicht bald mehr westliche Waffensysteme und vor allem Munition erhalten, droht sie weiter ins Hintertreffen zu geraten. Weil vor allem auch Soldaten fehlen, diskutiert Kiew seit Monaten über eine mögliche Zwangsmobilisierung wehrpflichtiger Ukrainer im Ausland. Hunderttausende haben das Land in den vergangenen zwei Jahren verlassen. Ein großer Teil von ihnen hält sich in Deutschland auf. Nach der gescheiterten und verlustreichen Gegenoffensive im Sommer will das ukrainische Militär wieder Hunderttausende Soldaten auf das Schlachtfeld schicken. Bei der jüngsten Gegenoffensive sollen rund 100.000 ukrainische Soldaten getötet worden sein.
Seit Beginn des Ukraine-Krieges sind laut dem Ausländerzentralregister (AZR) 252.692 männliche Ukrainer nach Deutschland eingereist, die zum Stichtag 31. Januar 2024 im wehrfähigen Alter waren. "Von diesen hielten sich nach Angaben des AZR zum 31. Januar 2024 noch 209.842 Personen in Deutschland auf", antwortete nun das Bundesinnenministerium auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten Petr Bystron. Das Schreiben liegt der Berliner Zeitung vor. Aktuellere Zahlen gibt es demnach nicht.
Laut einem Bericht der Welt waren davon Ende Februar 159.512 Männer zwischen 27 und 60 Jahre alt und somit wehrpflichtig in der Ukraine. Das teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Zeitung mit. Die Ukraine hatte im Jahr 2022 eine Mobilmachung ausgerufen. Bis auf einige Ausnahmen dürfen Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren das Land nicht verlassen. Trotzdem flohen Wehrfähige in Massen.
Die Union (CDU/CSU) will nun den Druck auf die Ukrainer in Deutschland erhöhen: Die ukrainische Regierung habe wehrfähige Männer zur Rückkehr aufgerufen, sagt der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion Florian Hahn der Berliner Zeitung. "Gleichzeitig haben die wehrfähigen Ukrainer in Deutschland vollständigen Anspruch auf Bürgergeld, und über 125.000 beziehen dieses."
Der CSU-Abgeordnete meint: "Diese Bürgergeldzahlungen konterkarieren indirekt die ukrainischen Verteidigungsanstrengungen und befinden sich auch mit unserem Verständnis von Wehrpflicht und Verteidigung des eigenen Landes nicht im Einklang." Auch erwartet Hahn von der Bundesregierung "in Abstimmung mit der ukrainischen Regierung eine schnelle Umsetzung und fortgesetzte Unterstützung, unter anderem durch Amtshilfeleistungen bei der Zustellung der Einberufungsbescheide".
"Nach Angaben der Statistik der Bundesagentur für Arbeit gab es im November 2023 rund 126.000 männliche Regelleistungsberechtigte nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Alter von 18 bis unter 60 Jahren mit ukrainischer Staatsangehörigkeit", teilt das Arbeits- und Sozialministerium auf Anfrage des Abgeordneten Bystron mit. Der AfD-Politiker hält es für "bezeichnend", dass der französische Präsident Emmanuel Macron eine Debatte über westliche Soldaten in der Ukraine ausgelöst habe, aber niemand die "Rückführung" wehrpflichtiger Ukrainer in Deutschland fordere. Die Ampelregierung spricht sich gegen einen Bürgergeldentzug für Ukrainer aus.
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