Der in Kiew lebende Leonid Zakutenko steckt laut einer zwei Jahre langen Recherche der britischen BBC hinter einem internationalen "Express-Giftlieferdienst". Der Ukrainer ist dem Bericht zufolge auf einer Pro-Suizid-Online-Plattform aktiv und wird mit mindestens 130 Todesfällen allein in Großbritannien in Verbindung gebracht.
Die Journalisten entdeckten die ersten Spuren von Zakutenkos mutmaßlichen Aktivitäten, als sie in einem berüchtigten Online-Forum, das für Selbstmord wirbt und Zehntausende Nutzer aus der ganzen Welt anzieht, die gehäufte Erwähnung eines "ukrainischen Lieferanten" fanden. Die Journalisten verfolgten daraufhin seinen mutmaßlichen Online-Shop, seine E-Mail-Adresse und sein PayPal-Konto zurück und erhielten Daten zu seiner Identität.
Im Januar 2022 kontaktierten BBC-Journalisten den Mann online und gaben sich als potenzielle Käufer aus. Der Ukrainer bestätigte schnell, dass er eine Chemikalie liefern könne, die häufig von Menschen verwendet wird, die sich das Leben nehmen wollen. Als jedoch im Februar 2022 die militärische Eskalation zwischen der Ukraine und Russland begann, gingen sie davon aus, dass Zakutenko nicht mehr in der Lage sein würde, sein Geschäft zu betreiben.
Im Mai 2023 beschlossen sie dennoch, sich erneut mit ihm in Verbindung zu setzen, als ein anderer Gifthändler in Kanada verhaftet wurde. Damals prahlte Zakutenko angeblich damit, dass sein Geschäft inmitten des Konflikts gewachsen sei und er "fünf Pakete pro Woche" allein nach Großbritannien versende und nun auch einen "Express"-Service für diejenigen anbiete, die bereit seien, mehr zu bezahlen.
Im Januar 2024 versuchten die Journalisten, den Mann über einen ukrainischen Mittelsmann persönlich zu treffen. In der Ukraine war Zakutenko ein sogenannter "AirBnB-Superhost" und erklärte sich zunächst bereit, seine potenziellen "Giftkäufer" unter dem Vorwand zu treffen, ihnen eine Wohnung zu zeigen, so der Sender.
Der mutmaßliche Händler änderte jedoch im letzten Moment seine Pläne, und das Treffen fand nie statt. Den BBC-Reportern gelang es dennoch, ihn aufzuspüren, indem sie online eine Giftlieferung bestellten und ihn auf dem Weg aus einem Kiewer Postamt abfingen, wo er das vereinbarte Paket zusammen mit mindestens 14 weiteren Paketen an verschiedene Adressen in aller Welt verschickte.
Als er von der BBC persönlich damit konfrontiert wurde, leugnete Zakutenko seine Beteiligung am Verkauf von Gift und bezeichnete die Anschuldigungen als "eine Lüge". Der Sender alarmierte daraufhin die britischen und ukrainischen Behörden und stellte diesen die Informationen über die angeblichen Aktivitäten des Mannes und das Forum, in dem er aktiv war, zur Verfügung.
Nach Angaben der BBC war das Forum am Samstag immer noch aktiv. Noch ist unklar, ob die britischen oder ukrainischen Behörden Maßnahmen gegen den Verdächtigen ergriffen haben. Nach Angaben der BBC hat die britische Regulierungsbehörde Ofcom aufgrund des neuen Online-Sicherheitsgesetzes die Möglichkeit, die Pro-Suizid-Website vom Netz zu nehmen. Allerdings arbeitet die Aufsichtsbehörde den Berichten zufolge noch an der Umsetzung des Gesetzes, was eine schnelle Umsetzung von Maßnahmen in den nächsten Monaten unwahrscheinlich macht.
Mehr zum Thema – Der Ukrainekrieg könnte zu einem unerwarteten Ende kommen