Von Irina Alksnis
Das Szenario um die mögliche Entsendung eines offiziellen NATO-Kontingents in die Ukraine hat neue Entwicklungen erfahren. Wie Sie wissen, hat die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor einigen Tagen geäußerte Idee heftige Einwände westlicher Vertreter ausgelöst, darunter auch der Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Polens, der Tschechischen Republik, Finnlands und anderer Länder einschließlich des NATO-Generalsekretärs und der EU-Führung. Auch das französische Außenministerium sowie das Verteidigungsministerium beeilten sich zu erklären, dass der Präsident der Fünften Republik missverstanden worden sei und dass er es überhaupt nicht so gemeint habe.
Am Donnerstag erklärte Macron nun allerdings, er habe jedes Wort abgewogen, bedacht und überprüft, als er über die Möglichkeit einer Entsendung westlicher Truppen in die Ukraine sprach. Und fast gleichzeitig kamen Nachrichten von der anderen Seite des Atlantiks, wo der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bei Anhörungen im US-Kongress sagte, dass die NATO im Falle einer Niederlage der Ukraine selbst gegen Russland kämpfen müsse.
Gleichzeitig ist es in den letzten Monaten in den Medien weltweit und unter Militäranalysten üblich geworden, auf die verzweifelte und aussichtslose Lage der ukrainischen Streitkräfte hinzuweisen. Das Leitmotiv "Die Ukraine ist zum Scheitern verurteilt" ist nun überall zu hören, meist begleitet von Überlegungen, wie Kiew (und gleichzeitig auch der Westen) im Zuge von Verhandlungen mit Moskau mit minimalen Verlusten aus der Situation herauskommen könnte.
Und vor diesem Hintergrund verkündet der Chef des Pentagon nun, dass die NATO im Falle eines Zusammenbruchs der Ukraine in einen direkten militärischen Konflikt mit Russland geraten werde. Angesichts der bereits entstandenen öffentlichen Meinung klingt das natürlich nicht wirklich nach "ob" die Ukraine, sondern nach "sobald" sie fallen wird.
Ein Teil von Austins Äußerungen kann auf die innenpolitische Agenda der USA zurückgeführt werden, denn die Biden-Regierung versucht weiterhin, von den US-Parlamentariern weitere Finanzmittel für die Ukraine zu erpressen. Daher scheint ihr die Panikmache nach dem Motto "Gebt Kiew Geld, sonst müssen wir selbst in den Krieg ziehen" durchaus angebracht zu sein. Aber das ist nur ein Teil der möglichen Erklärung – und die Synchronizität von Austins und Macrons Äußerungen unterstreicht dies nur.
Beide Figuren gehören zur gleichen Gruppe des westlichen Establishments – zum liberal-globalistischen sogenannten "Tiefen Staat". Das ist auch der Grund, warum der US-Verteidigungsminister mit der bizarren Geschichte aus der Silvesternacht von seinem Krankenhausaufenthalt, über den er niemanden informierte, davonkam, während Macrons Rothschild-Banker-Vorleben allgemein bekannt ist.
Vor diesem Hintergrund wirken weder die Äußerung des Franzosen noch die des US-Amerikaners wie eine spontane persönliche Initiative, sondern vielmehr wie eine Entscheidung der transatlantischen Führungszirkel, die Situation in der Ukraine weiter zu eskalieren. Übrigens hat Lloyd Austin sehr richtig formuliert, dass die NATO (und nicht die USA) kämpfen müsse, was sehr wahrscheinlich bedeutet, dass nur Europäer auf die Schlachtbank geschickt werden sollen. Das ist logisch, denn das Ausweichen der USA vor einem direkten Konflikt mit Russland lässt die Entscheider in Washington hoffen, dass nichts von jenseits des Ozeans angeflogen kommt: In Moskau will man ebenso wie in Washington, D.C. ein direktes Aufeinandertreffen vermeiden, weil das unweigerlich einen globalen Konflikt mit Atomwaffen nach sich ziehen würde. Und sollten die Russen beschließen, den geschichtsvergessenen Europäern noch einmal eine Lektion zu erteilen und diesmal die Hälfte der Alten Welt zermürben, würde das den US-Amerikanern vielleicht ganz recht sein – sie legen bereits jetzt Europa unters Messer – und niemand zeigt Mitleid mit den Europäern, eingeschlossen die globalistisch gesinnten EU-Spitzenpolitiker, die ihre eigene Haut zu retten hoffen, indem sie ihre eigenen Länder opfern.
Vielleicht ist dies auch genau das Hauptproblem Russlands, Chinas und der gesamten nicht-westlichen Welt (und auch eines bedeutenden Teils des Westens): Wir sind mit Kräften konfrontiert, die keinerlei Zuneigung, Liebe oder Pflichtgefühl mehr gegenüber denjenigen Ländern haben, die sie führen wollen oder sollten. Sie sind davon überzeugt, dass sie persönlich in der Lage sein werden, nicht nur sich selbst zu retten, sondern sich auch in der im Entstehen begriffenen neuen Welt auf die bestmögliche Weise wieder einzurichten. Und wo spielt gar keine Rolle, denn sie sind sich sicher, dass es in Nord- oder Lateinamerika, in Australien oder Neuseeland genügend komfortable und sichere Orte für sie geben wird. Und wenn es dafür notwendig ist, Hunderttausende oder gar Millionen ihrer Mitbürger in den Tod zu schicken oder Paris russischen Raketen auszusetzen, dann soll es nun eben so sein. Von diesen Menschen kann man kein Bedauern, kein Zögern, kein Erwachen des Gewissens erwarten.
Diese Situation scheint nahezu aussichtslos. Doch es gibt noch einen Funken Hoffnung. Es ist kein Zufall, dass europäische Beamte, auch solche, die seit vielen Jahren eine konsequent antirussische Haltung vertreten, so vehement gegen Macron aufschreien. Und es ist kein Zufall, dass dort die Medien die angebliche "Drohung" Putins in seiner Rede vor der Föderalen Versammlung, Atomwaffen einzusetzen, falls westliche Truppen in die Ukraine geschickt würden, zum Hauptthema ihrer Nachrichten machten.
Es sind Macron und Austin, die glauben mögen, dass es im Flugzeug für die Evakuierung für sie einen sicheren Platz geben wird. Aber Hunderttausende von europäischen Russophobikern auf ihren Gehaltslisten – Politiker, Journalisten, Regierungsbeamte – können darauf nicht hoffen. Und sie befinden sich derzeit in einem unangenehmen Erkenntnisprozess, dass sie das Schicksal ihres Volkes werden teilen müssen, das sie selbst bis an den Rand eines Krieges mit einer atomaren Supermacht getrieben haben. Vielleicht wird das zumindest bei einigen von ihnen der Selbsterhaltungstrieb wecken, der es Europa noch ermöglichen kann, diesem Schicksal zu entgehen, das ihm seine eigenen Strippenzieher bereitet haben.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 1. März 2024.
Irina Alksnis ist eine russische Politologin und Publizistin.
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