Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij hat eingeräumt, dass sein russischer Amtskollege Wladimir Putin ihn im Jahr 2019 explizit gedrängt habe, die Feindseligkeiten der Kiewer Führung im Donbass einzustellen. Selenskij fügte hinzu, er habe damals große Bedenken gehabt, dass Diplomatie den Konflikt einfrieren, aber nicht lösen würde.
Auf einer Pressekonferenz am Sonntag berichtete Selenskij über sein persönliches Treffen mit Putin in Paris im Dezember 2019, das einige Monate nach seiner Wahl stattfand.
Laut Selenskij hatte er ein langes Gespräch mit Putin, der "ständig das Thema Waffenstillstand ansprach". Der ukrainische Präsident sagte, er habe dem russischen Präsidenten geantwortet, dass dies auf lange Sicht nicht funktionieren würde, was sich ja schließlich als richtig erwiesen habe.
Selenskij meinte, sich daran zu erinnern, dass er während des Gesprächs mit Putin seine Zweifel an den Minsker Vereinbarungen geäußert habe – mit denen ja ebenfalls die Feindseligkeiten im Donbass beendet werden sollten –, "weil ... der Rückzug der Truppen entlang der Kontaktlinie nicht funktioniert" hätte.
Er behauptete, Putin Daten gezeigt zu haben, die belegten, dass die Fortschritte zu gering und zu langsam seien: "Ich habe ihm gezeigt, dass wir 20 Jahre brauchen würden, um unsere Truppen zurückzuziehen.
Selenskij sagte weiter, dies hätte bedeutet, dass der Donbass-Konflikt für viele Jahre eingefroren geblieben wäre, und fügte hinzu, dass er und Putin lange Zeit über dieses Thema "gefeilscht" hätten.
Die mit von Deutschland und Frankreich vermittelten Minsker Abkommen von 2014 und 2015 zielten darauf ab, die Feindseligkeiten im Donbass zu beenden und den Regionen Donezk und Lugansk einen Sonderstatus innerhalb des ukrainischen Staates zuzusichern.
Das Treffen zwischen Selenskij und Putin im Jahr 2019 fand im sogenannten Normandie-Format statt, an dem folglich auch die deutsche und die französische Führung teilnahmen. Bei den Verhandlungen wurden einige Fortschritte erzielt, indem sich beide Seiten auf den Abzug der Truppen im Donbass und den Austausch von Gefangenen einigten.
Russland warf der Ukraine jedoch stets vor, die Minsker Vereinbarungen von 2014/2015 nicht umgesetzt zu haben, und nannte dies einen der Hauptgründe für den Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine.
Der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte früher bereits zugegeben, dass das Hauptziel Kiews darin bestand, mit dem festgefahrenen Situation an der Kontaktlinie im Donbass Zeit zu gewinnen, um in der Ukraine "mächtige Streitkräfte zu schaffen", ein Eingeständnis, das später nachträglich auch von der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem ehemaligen französischen Präsidenten Francois Hollande öffentlich gemacht wurde.
Im Herbst 2022, einige Monate nach Beginn des Ukraine-Konflikts, stimmten die beiden Donbass-Regionen sowie zwei weitere ehemalige ostukrainische Gebiete in Volksabstimmungen mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss an die Russische Föderation.
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