Raketen und Drohnen fliegen über das Rote Meer und stören eine der weltweit wichtigsten Handelsadern und verursachen dadurch Engpässe für Energielieferungen nach Europa. Die Angriffe der jemenitischen Huthi-Bewegung im Zusammenhang mit Israels Krieg gegen die Hamas stellen eine neue Bedrohung für die Zukunft der Energielieferungen in die Europäische Union mit ihren 27 Mitgliedstaaten dar, die auf importiertes Erdgas angewiesen sind, um Fabriken zu betreiben, Strom zu erzeugen und Häuser zu heizen, analysierte die US-amerikanische AP-Agentur.
Tanker mit verflüssigtem Erdgas – das für den Transport mit dem Schiff heruntergekühlt ist – passieren regelmäßig das Rote Meer, aber nach den Huthi-Angriffen auf Schiffe wurden mehrere Lieferungen nach Europa bereits gestoppt. Das sorgt für Unruhe, zumal die EU immer noch mit den Folgen einer Energiekrise zu kämpfen hat, nachdem Europa wegen dem Ukraine-Krieg die Erdgasversorgung des Kontinents durch die Gaslieferung von Russland weitgehend eingestellt hat.
Die Huthi erklären, dass sie Schiffe angreifen, die nach Israel fahren, um die Hamas im Gaza-Krieg zu unterstützen. Allerdings greifen sie inzwischen auch andere Schiffe an, nachdem die USA sich in den Konflikt eingeschaltet haben. Als Reaktion auf die Huthi-Angriffe haben die USA und das Vereinigte Königreich seit Mitte Januar mehrfach Jemen bombardiert.
Sicherheitsbedenken haben mittlerweile die Schifffahrt und einige Energieunternehmen dazu veranlasst, ihre Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung herumzuleiten, anstatt sie durch den Suezkanal am nördlichen Ende des Roten Meeres fahren zu lassen. Dadurch verlängert sich die Reise nach Europa von Lieferanten im Nahen Osten, wie Katar, um zwei Wochen, wodurch auch die Kosten steigen. Rund 70 Prozent der LNG-Lieferungen aus Katar, die für das große italienische Terminal an der Adria bestimmt waren, wurden beispielsweise im Januar gestrichen. Im vergangenen Jahr lieferte Katar 40 Prozent des italienischen LNG.
Europa war jahrzehntelang auf Gas angewiesen, das durch Pipelines aus Russland transportiert wurde. Das LNG wurde nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs und dem Einfrieren der Beziehungen zu Moskau zum Rettungsanker. Nach der Verhängung massiver Sanktionen gegen Russland hat die deutsche Regierung eilig schwimmende LNG-Importterminals an ihrer Nordküste errichtet. Im vergangenen Jahr wurden 12,9 Prozent des europäischen LNG von Lieferanten aus dem Nahen Osten, hauptsächlich aus Katar, über das Rote Meer bezogen. Das bedeutet, dass "eine längere Unterbrechung der Route über das Rote Meer aus dem Nahen Osten ein Versorgungsrisiko für Europa darstellt", analysierte AP.
In der Zwischenzeit fließt weiterhin Pipelinegas aus Norwegen und Aserbaidschan, und Europa kauft trotz der Sanktionen russisches LNG-Gas aus Drittländern. Vor dem Winter sollen die Gasspeicher zu über 70 Prozent gefüllt gewesen sein, wobei der größte Teil der Heizsaison vorbei sei, so AP. Relativ gut gefüllte Gasspeicher seien ein "sehr guter Puffer" gegen eventuelle Unterbrechungen oder Verzögerungen bei den Gaslieferungen.
Dabei ist allerdings anzumerken, dass die USA kürzlich den Bau neuer LNG-Terminals ausgesetzt haben. Deutschland hat dabei die Wirtschaft des Landes am stärksten in Europa auf den Bezug von LNG ausgerichtet. Die Gasexporte der USA sind seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 stark angestiegen, und die Regierung Biden hat die Lieferungen nach Europa als wichtige geopolitische Waffe zur Durchsetzung der US-Interessen genutzt. Der Industrieverband Eurogas bezeichnete Bidens Vorgehen zum Baustopp neuer LNG-Exportterminals vor Kurzem als "alarmierend" und erklärte, dass US-Gasimporte "im Falle möglicher Engpässe eine entscheidende Rolle für die europäische Energiesicherheit" spielen würden.
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