Lawrow in New York: "Kreuzzug des Westens gescheitert"

Russlands Außenminister Sergei Lawrow hat in dieser Woche an Sitzungen des UN-Sicherheitsrates teilgenommen, die sich mit der Ukraine- und der Palästina-Frage befassten. Was Lawrow den Vertretern des Westens zu sagen hatte – zusammengestellt von RIA Nowosti.

Eine Analyse von RIA Nowosti

Der russische Außenminister Sergei Lawrow war in dieser Woche in New York, um an Debatten auf Ministerebene im UN-Sicherheitsrat teilzunehmen, die sich gleich mehreren aktuellen Themen der globalen Sicherheit widmeten. Eigentlich sollte die Lösung des Nahostkonflikts erörtert werden, doch Moskau hatte darauf bestanden, auch über den Ukraine-Konflikt zu sprechen. Dies war der Ausgangspunkt für die dreitägige Debatte.

Waffen und Söldner

In der Debatte über die Lage in der Ukraine wies Sergei Lawrow darauf hin, dass der Westen nicht nur Waffen in das Land liefere, sondern auch Söldner dorthin schicke. Der Westen hatte dem nichts zu entgegnen – die ganze Welt hat von dem Tod französischer "Glücksritter" in Charkow erfahren.

"Es ist ganz klar, dass der Schlüsselfaktor, der die Suche nach einer friedlichen Lösung der ukrainischen Krise behindert, die anhaltende Unterstützung des Westens für das Kiewer Regime ist", betonte der Minister.

Selenskijs Regime verfalle in Passivität und sei sicherlich nicht in der Lage, das von den westlichen Entscheidern gesteckte Ziel einer "strategischen Niederlage" Russlands zu erreichen.

Die russische militärische Sonderoperation richte sich "nicht gegen das ukrainische Volk, mit dem wir nach wie vor brüderlich verbunden sind" ("fast sieben Millionen Ukrainer haben nach 2014 Rettung in Russland gefunden"), sondern gegen "das verbrecherische Regime, das viel zu lange straffrei davonkam und trotz unserer zahlreichen und langjährigen Bemühungen nicht bereit ist, den Krieg gegen seine eigenen Bürger im Süden und Südosten der Ukraine und die Politik der totalen Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung aufzugeben", so Lawrow weiter. All das sei das Werk der Kiewer Machthaber, die sich weder an die Minsker Vereinbarungen noch an die ukrainische Verfassung gehalten haben.

Zynisches Kalkül

Die westlichen Entscheidungsträger hätten es in den letzten zehn Jahren nicht nur versäumt, die Führer der Kiewer Clique zu zügeln, sondern hätten auch "unter dem Deckmantel des Minsker Maßnahmenpakets die Ukraine heimlich aufgerüstet und auf einen Krieg gegen Russland vorbereitet", so Lawrow. Er kam zu dem Schluss, dass "der Westen einen Krieg gegen Russland mit den Händen der Ukrainer führt". Joe Biden nannte dies eine "wunderbare Investition".

Die Amerikaner handelten ausschließlich in ihrem eigenen Interesse, so der russische Außenminister. Mit der Lieferung alter Waffen bauten sie ihren eigenen militärisch-industriellen Komplex auf. Sie hätten ukrainische Fabriken und Grundstücke aufgekauft oder auf unbestimmte Zeit gepachtet.

Die Europäer müssten "aufwachen und erkennen, dass die USA mithilfe von Selenskijs Regime nicht nur einen Krieg gegen Russland führen, sondern auch die strategische Aufgabe lösen, Europa als wirtschaftlichen Konkurrenten nachhaltig zu schwächen", ist sich Lawrow sicher. Doch bisher sei die EU gehorsam dem Willen ihres "Partners" in Übersee gefolgt.

Die Waffenschwemme in der Ukraine heize den Schwarzmarkt an. Lawrow dazu:

"Entsprechende Anzeigen findet man im Darknet zur Genüge. Es ist schwer vorstellbar, dass dies ohne das Wissen und die Beteiligung westlicher Geschäftsleute geschieht."

Im Gegenzug sehe der Westen über die offensichtlichen Verletzungen der Freiheits- und Menschenrechte durch das Kiewer Regime hinweg – "selbst nachdem der amerikanische Staatsbürger und Journalist Gonzalo Lira in ukrainischen Haftanstalten zu Tode gefoltert wurde". 

Dennoch beginne die Mehrheit in der Ukraine zu erkennen, wer der wahre Feind ist. Das wird in den sozialen Medien deutlich:

"Die Wahrheit darüber, wie die Menschen auf der Krim und in anderen kürzlich mit Russland wiedervereinigten Gebieten leben, bricht durch. Im Gegensatz zu den Vorhersagen der Kiewer Propagandisten leben Russen, Ukrainer und andere Nationalitäten dort in Frieden und Harmonie."

Das werde auch nach der Umsetzung der Ziele der militärischen Spezialoperation, ob sie nun auf militärischem oder friedlichem Wege erreicht würden, überall so sein, sagte Lawrow.

Der Außenminister erinnerte daran, dass Moskau sich nie geweigert habe, zu verhandeln, sondern dies stets angeboten habe, "über die Überwindung des Erbes der verheerenden zehnjährigen Ausplünderung des Landes und der Gewalt gegen seine Bevölkerung, über die Beseitigung der Ursachen der tragischen Situation in der Ukraine". "Andere angebliche Friedenspläne, Plattformen und "Formeln", die das Kiewer Regime und seine Herren immer noch vergeblich verfolgen, hätten nichts mit Frieden zu tun und dienten nur als Deckmantel für die Fortsetzung des Krieges und die Abschöpfung von Geldern der westlichen Steuerzahler, stellte Lawrow klar:

"Je eher Washington, London, Paris und Brüssel dies erkennen, desto besser ist es sowohl für die Ukraine als auch für den Westen, für den der 'Kreuzzug' gegen Russland bereits offensichtliche Reputations- und Existenzrisiken geschaffen hat. Ich rate Ihnen, sich das genau anzuhören, solange noch Zeit ist", schloss der Minister.

Naher Osten: Fehler nicht wiederholen

Der nächste Tag stand ganz im Zeichen des Nahen Ostens.

"Nicht nur Erwägungen der großen Politik, sondern auch die universelle Moral verlangen, dass wir dringend Maßnahmen ergreifen, um das Feuer einzustellen und das Leiden der Menschen in Palästina zu beenden", sagte Lawrow.

Der Sicherheitsrat habe es bisher versäumt, angemessen auf diese Herausforderung zu reagieren. Der Grund dafür sei die Position Washingtons, das abwechselnd "entweder Veto gegen Waffenstillstandsresolutionen einlegt oder zu einer 'Verringerung der Intensität' der Feindseligkeiten in Gaza aufruft". Das sein ein "Freibrief, um die kollektive Bestrafung der Palästinenser fortzusetzen", urteilte Lawrow.

Am Vorabend des Treffens legte Russland erneut einen Resolutionsentwurf vor, in dem ein sofortiger Waffenstillstand gefordert wurde. Die USA und ihre Verbündeten blockierten das Dokument.

"Die humanitären Folgen einer solchen Politik sind schrecklich. Fast 30.000 Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, sind ums Leben gekommen", bewertete Lawrow dies.

Der Norden des Gazastreifens sei fast vollständig zerstört und unbewohnbar. Die Verschärfung der Lage in Palästina habe die Situation in der gesamten Region "nicht ohne die bösartige Beteiligung der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten" verkompliziert. Lawrow nannte als Beispiel die ungerechtfertigte Aggression gegen den Jemen sowie den Beschuss Syriens durch Israel. All diese Schritte verurteilt Moskau:

"Russland akzeptiert keine terroristischen Äußerungen in irgendeiner Form. <...> Im Gegensatz zu einigen westlichen Kollegen, die mit zweierlei Maß messen, teilen wir Extremisten nicht in 'schlecht' und 'gut', die Bastarde nicht in 'eigene' und 'fremde' ein."

Lawrow skizzierte Wege aus der Sackgasse: Solidaritätsaufruf der UNO für einen Waffenstillstand, Konsultationen auf Ministerebene unter Einbeziehung regionaler Akteure und schließlich die Einberufung einer internationalen Konferenz zur Beilegung des Nahostkonflikts.

"Ihr Ziel ist die Ausrufung eines palästinensischen Staates, die Ausarbeitung von Maßnahmen zur Gewährleistung der zuverlässigen Sicherheit Israels und die Normalisierung seiner Beziehungen zu allen arabischen und allgemein muslimischen Ländern. Russland hatte vor etwa 15 Jahren die Idee, eine solche Konferenz in diesem Saal einzuberufen", erinnerte der Minister.

Einer der vorrangigen Schritte für die Umsetzung der Idee des palästinensischen Staates sei die Wiederherstellung der Einheit der Palästinenser, unterstrich Lawrow mehrmals. Hier müssten arabische Länder die Initiative ergreifen.

"Wir dürfen nicht zulassen, dass die UN-Beschlüsse zur Schaffung eines palästinensischen Staates 'begraben' werden, so wie die 2015 vom UN-Sicherheitsrat einstimmig angenommenen Minsker Vereinbarungen 'begraben' wurden, deren Garanten Frankreich und Deutschland waren, die später zugaben, dass sie nicht einmal daran dachten, sie umzusetzen. Wir können nicht zulassen, dass sich solche kriminellen Handlungen gegen das palästinensische Volk wiederholen", forderte Lawrow.

Keine Illusionen

Offene Debatten führen in der Regel nicht zu allgemeinen Beschlüssen wie Dringlichkeitssitzungen. Und doch gibt es ein Ergebnis für Moskau. Es geht nicht nur darum, dass Lawrow detailliert die Wege zur Lösung der wichtigsten Konflikte skizziert und dem Westen seine Doppelmoral, Fehler und offenkundigen Fälschungen vorgehalten hat.

Das Programm des Außenministers in New York war umfangreich. Neben Reden auf Tagungen hielt der Minister mehrere bilaterale Treffen mit ausländischen Kollegen ab und erörterte die Weltlage in einem Einzelgespräch mit Generalsekretär António Guterres. Dem amerikanischen Fernsehsender CBS gab er ein umfassendes Interview, in dem er ausführlich über die russische Sicht der Weltlage und die Inkonsequenz Washingtons sprach.

Die Fernsehjournalistin interessierte sich besonders für die Frage nach den Erwartungen Moskaus an die Wahl des amerikanischen Präsidenten im November. Lawrow antwortete klar und deutlich: Die Beziehungen Russlands zu den Vereinigten Staaten seien noch in der Amtszeit von George W. Bush jr. in die Brüche gegangen, auf dessen Initiative. Nun kümmere es den Kreml wenig, was mit den Eliten in Übersee geschehe. Es bestehe auch keine Notwendigkeit, Washington besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

"Es gibt kein einziges Land im Globalen Süden oder der Weltmehrheit mit Ausnahme der Bahamas, das sich den antirussischen Sanktionen angeschlossen hat", erklärte der Minister.

Russland habe also genug Verbündete.

Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist am 25. Januar 2024 auf ria.ru erschienen. 

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