Das Schiedsgericht von Sankt Petersburg hat der Klage der Brauerei Baltika gegen einen Zweig des Carlsberg-Konzerns – Carlsberg Kasachstan – stattgegeben. Es erklärte die Übertragung einer Exklusivlizenz für geistiges Eigentum im Zusammenhang mit Baltika-Produkten und -Marken auf Carlsberg Kasachstan für ungültig.
Die Klage des russischen Unternehmens war gegen zwei ausländische Firmen gerichtet – Carlsberg Kasachstan und die schwedische Carlsberg Sverige Aktiebolag, berichtet die Nachrichtenagentur TASS. Das russische Unternehmen beantragte die vollständige Nichtigerklärung des Lizenzvertrages vom 19. Juli 2023, mit dem Carlsberg eine Exklusivlizenz für geistiges Eigentum im Zusammenhang mit Baltika-Produkten und -Marken zur Verwendung in Kasachstan, Kirgisistan, der Mongolei, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan und der Ukraine (einschließlich der Rechte an geistigem Eigentum an Bestandteilen und Varianten des Markendesigns, des Know-hows und der Warenzeichen) gewährt worden war. Eine ähnliche Klage, allerdings gegen das weißrussische Unternehmen Vista BiWay Co. und die dänische Carlsberg Breweries A/S, wurde im Dezember des Jahres 2023 von einem Schiedsgericht in Sankt Petersburg ebenfalls zugunsten von Baltika entschieden.
Bereits im November 2023 hatte ein Sankt Petersburger Gericht Anton Rogatschewski, einen Topmanager der Baltika-Brauereien, und Denis Scherstennikow, den ehemaligen Präsidenten des Unternehmens, verhaftet. Beiden wird "Betrug in besonders großem Umfang" vorgeworfen. Beide Vereinbarungen über den Verkauf der russischen Biermarke – sowohl mit dem kasachischen als auch mit dem weißrussischen Unternehmen von Carlsberg – tauchen in den Unterlagen des Strafverfahrens gegen die beiden Baltika-Manager auf.
Was war also passiert und warum ist das für die russische Wirtschaft so wichtig?
Die Nachrichtenagentur Interfax schreibt dazu:
"Den Ermittlungen zufolge haben die Angeklagten und nicht identifizierte Mitverschwörer, darunter auch Mitarbeiter von Baltika, bis zum 17. Juli 2023 'durch Betrug zugunsten von Carlsberg Kasachstan und Vista BiWay Co. ein geistiges Eigentumsrecht von Baltika im Wert von mindestens 295,6 Millionen Rubel erworben'. Das Recht sah die Möglichkeit vor, Produkte der Baltika-Brauereien nach Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan, in die Mongolei und nach Weißrussland zu exportieren."
Pikant an der Situation ist, dass der "Deal" von Carlsberg ohne die Beteiligung des Geschäftsführers von Baltika durchgeführt wurde – wenige Tage vor dem illegalen Verkauf der Markenrechte hatte Taimuras Bollojew diese Position wieder übernommen. Es war einst Bollojew, der Baltika zu dem machte, was es heute ist. Er war es, der an den Anfängen der berühmten Marke stand, und dann wurde er von ausländischen Investoren versetzt. Außerdem wurde der Deal von Personen abgewickelt, deren Befugnisse bei Baltika einige Tage vor dem Geschäftsabschluss erloschen waren – das heißt, sie hatten gar kein Recht, irgendetwas im Namen des Konzerns zu unterschreiben.
Baltika ist das zweitgrößte Brauereiunternehmen in Russland und betreibt acht Brauereien. Nach Schätzungen von Marktteilnehmern produzierte das Unternehmen im Jahr 2022 197,4 Millionen Dekaliter Bier und Biergetränke.
Die Geschichte der Marke begann unter den Sowjets, als in den letzten Jahren des Bestehens der UdSSR die Baltika-Brauerei nach dem Plan des Instituts Gipropischeprom-2 gebaut wurde. Das Portal Birra.ru schreibt:
"Im Jahr 1992 begann die Privatisierung des Unternehmens, bei der es in eine offene Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Die Baltic Beverage Holding AB (BBH) wurde zum größten Inhaber von Baltika-Aktien. BBH besitzt 85,6 Prozent der Aktien von Baltika. Etwa zur gleichen Zeit begannen die Schaffung einer eigenen Marke und die Umstrukturierung des Unternehmens. Taimuras Bollojew, der Generaldirektor der Brauerei, hat die Brauerei, die die Krise nach dem Zusammenbruch der UdSSR überstanden hatte, buchstäblich aus Ruinen auferstehen lassen."
Bollojew ist übrigens nicht bloß irgendein Beamter oder ein Manager. Er ist sowohl von Beruf als auch von seiner Ausbildung her Bierbrauer. Ihm ist es gelungen, aus einer lokalen Brauerei ein föderales Brauereiunternehmen zu machen, ein Vertriebsnetz aufzubauen, eine Marke zu etablieren und viele Brauereien zu gründen. Er braute auch das erste alkoholfreie Bier in Russland. Unter seiner Führung wurde Baltika innerhalb weniger Jahre zur führenden Biermarke in Russland. Und dann die einzige Verbrauchermarke aus Russland, die auf allen fünf Kontinenten anerkannt ist. Ziemlich schnell interessierten sich finnische und schwedische Investoren für die Marke. Und dann ereignete sich eine für das postsowjetische Russland typische Geschichte: Man versuchte, das Unternehmen komplett zu übernehmen – als ob es keine lange Geschichte gäbe, als ob es Baltika nicht schon zu Zeiten der Sowjetunion gegeben hätte.
Im Jahr 2013 wurde Bollojew "versetzt" und der neue Direktor übergab praktisch 100 Prozent des Konzerns an Carlsberg. Seit dem Jahr 2015 wird Baltika fast ausschließlich von Ausländern geführt. Und siehe da: Mit Beginn der russischen Sonderoperation in der Ukraine drohte Carlsberg damit, Russland zu verlassen, Finanzmittel abzufordern und so weiter und so fort – so wie alle anderen großen westlichen Unternehmen auch. Sowohl die russische Marke Baltika als auch eine große Zahl von Fabriken und Arbeitsplätzen waren dadurch gefährdet. Gleichzeitig scheiterte der Deal zum Verkauf von Baltika durch Carlsberg im Inland.
Aus diesem Grund unterzeichnete der russische Präsident Wladimir Putin am 16. Juli 2023 einen Erlass über die Übertragung der Vermögenswerte der Carlsberg-Gruppe in Russland auf die vorübergehende Verwaltung der Föderalen Agentur für die Verwaltung des Staatseigentums (Rosimuschestwo). Später schlug der Leiter der Baltika-Brauereien, Taimuras Bollojew, vor, das Unternehmen ganz zu verstaatlichen. In einem Brief an Rosimuschestwo schrieb er damals:
"Die dänische Carlsberg-Gruppe hat den Vorschlag der russischen Seite für ein mögliches Geschäft mit mehr als annehmbaren Bedingungen sowohl in Bezug auf die finanzielle Abwicklung als auch auf die für beide Seiten vorteilhafte Nutzung der Marken nach der Übergabe von Baltika an die vorübergehende Leitung von Rosimuschestwo nicht akzeptiert."
Möglicherweise wollte die Carlsberg-Gruppe alle Rechte an der russischen Marke allein besitzen – wozu sie in Wirklichkeit kein Recht hatte. Und deshalb griff der Konzern zu einem betrügerischen Plan, um die Marken zu stehlen – der wegen der Position des russischen Schiedsgerichts nun nicht aufgegangen ist.
Eine vergleichbare Geschichte des Diebstahls einer erfolgreichen russischen Marke spielte sich in den späten 1990er Jahren im Falle des berühmten russischen Wodkas Stolichnaya ab.
Damals nutzte der russische Oligarch Juri Schefler die Situation, in der Staatsvermögen wild und wahllos an ausländische Investoren und Interessenten verkauft wurde, und ließ eine Tarnfirma registrieren, deren Name die Bezeichnung des staatlichen Unternehmens kopierte, dem die Wodka-Marke Stolichnaya gehörte. Dann verkaufte er unter dem Deckmantel dieser Gesellschaft alle Rechte an Stolichnaya in den Westen – zunächst für eine lächerlich geringe Summe an das niederländische Unternehmen Spirit International, später wurde es an das britische Unternehmen Allied Domecq weiterverkauft. Russland kämpfte fast dreißig Jahre lang um das Recht, die legendäre sowjetische Marke zurückzuerlangen, die durch die UdSSR vorangetrieben worden war. Erst im Januar 2020 entschied der Oberste Gerichtshof der Niederlande, dass die Rechte an der Wodka-Marke Stolichnaya Russland zustehen. In anderen Ländern gehen die Rechtsstreitigkeiten über die Rechte an Stolichnaya jedoch weiter. Und sehr wahrscheinlich steht Baltika nun eine ähnliche Situation bevor, wobei die russische Seite dieses Mal deutlich schneller gehandelt hat.
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