Die Wahlen auf der Insel mit 19 Millionen Wahlberechtigten erhalten überproportionale Aufmerksamkeit, weil dort ein möglicher weiterer globaler Konflikt entstehen könnte. Der Wahlsieger Lai Ching-te von der Demokratischen Fortschrittspartei ließ auch sofort erkennen, wie eng er den Vereinigten Staaten verbunden ist:
"Wir teilen der internationalen Gemeinschaft mit, dass wir zwischen Demokratie und Autoritarismus auf der Seite der Demokratie stehen."
Er gewann die Wahl mit 40,05 Prozent oder 5.586.019 Stimmen vor seinen Mitbewerbern Hou Yu-ih mit 33,9 Prozent und Ko Wen-je mit 26,46 Prozent. Die Wahlbeteiligung betrug 70 Prozent. Die Amtsperiode des neuen Präsidenten beginnt am 20. Mai.
US-Präsident Joe Biden äußerte sich nach Meldung der Nachrichtenagentur Reuters nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses beschwichtigend:
"Wir unterstützen die Unabhängigkeit nicht."
Das könnte mit dem Besuch von Liu Jianchao, dem Vorsitzenden des internationalen Komitees der chinesischen KP, in Washington vor wenigen Tagen zu tun haben, bei dem dieser sich mit dem nationalen Sicherheitsrat der Biden-Regierung traf. Dabei soll er die "roten Linien" Chinas und "die Bedeutung von Frieden und Stabilität entlang der Straße von Taiwan und dem südchinesischen Meer" noch einmal betont haben.
Der Sprecher des Staatsrats für die Fragen Taiwans der Volksrepublik China Chen Binhua erklärte, die Ergebnisse zeigten, dass die Demokratische Fortschrittspartei nicht die Meinung der Mehrheit vertrete. Die Wahlen würden die grundlegende Entwicklung über die Straße von Taiwan hinweg und die gemeinsamen Bestrebungen der Landsleute nach engeren Beziehungen nicht ändern und könnten die unvermeidliche Entwicklung hin zu Chinas Wiedervereinigung nicht behindern.
"Wir werden uns an den Konsens von 1992 halten, der für das Ein-China-Prinzip steht und werden uns klar gegen separatistischen Aktivitäten hin zu einer 'Unabhängigkeit Taiwans' wie auch gegen ausländische Einmischung stellen."
Umfragen bei Wählern in Taiwan ergaben, dass zwar 17 Prozent sich Sorgen wegen der Volksrepublik machen, aber bei doppelt so vielen die Wirtschaft im Fokus der Aufmerksamkeit steht. In den vergangenen Jahren haben sich enge Wirtschaftsbeziehungen zum Festland entwickelt.
In deutschen Medien wird der neue taiwanesische Präsident vielfach als "China-Kritiker" tituliert. Der Spiegel übergeht vor Begeisterung gleich die Tatsache, dass auch Deutschland wie die USA mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Volksrepublik China das Ein-China-Prinzip anerkannt hat, und erklärt die Zuordnung Taiwans zu China zur Meinung einzig der chinesischen KP:
"Die Kommunistische Partei in Peking zählt Taiwan zum Territorium Chinas, obwohl sie die Insel im Indopazifik bislang nie regierte und Taiwan seit Jahrzehnten eine unabhängige, demokratisch gewählte Regierung hat."
Der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer hat in einem vor Bekanntwerden des Wahlergebnisses geführten Interview aufgefordert, dem "überbordenden Machtanspruch Pekings" nicht nachzugeben, um nicht "zum Vasall Pekings" zu werden. Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell begrüßte den Verlauf der Präsidentschaftswahlen. Taiwan und die EU vereine das Bekenntnis zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.
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