Der Angriff auf die Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 am 26. September 2022 ist vom US-Präsidenten Joe Biden bewilligt worden und richtete sich mehr gegen Deutschland als gegen Russland. Diese Ansicht äußerte der US-amerikanische Investigativjournalist Seymour Hersh. In einem am Freitag veröffentlichten Beitrag in seinem Blog gab er an, dass die Ursache der Sprengung Washingtons Befürchtungen waren, dass Deutschland der Politik der USA im Rahmen des Ukraine-Konflikts nicht folgen würde.
Hersh gab an, dass die Sabotage der Gasleitungen mehrere Wochen vor dem Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine angeordnet wurde. Die Verantwortlichen aus den USA hätten geglaubt, Moskau damit abschrecken zu können. Ende Mai sei alles für den Anschlag bereit gewesen, allerdings hätte Biden den Angriff kurzfristig abgesagt, so Hersh weiter.
Nach Angaben des Journalisten erhielt das für die Sabotage der Pipelines verantwortliche Team den Auftrag, Sprengsätze an den Rohren anzubringen, die zu einem späteren Zeitpunkt ferngezündet werden konnten. Der Zeitpunkt der tatsächlichen Sprengung lege laut Hersh den Schluss nahe, dass sich der Angriff eher gegen Deutschland als gegen Russland richtete. Hersh schrieb dazu:
"Es scheint, dass der von Biden gewählte Zeitpunkt auf den Bundeskanzler Scholz abzielte. Nach Meinung einiger CIA-Mitarbeiter fürchtete sich der US-Präsident, dass Scholz, dessen Wähler bei Unterstützung der Ukraine zaghaft waren, sich angesichts des kommenden Winters auf Geschwätz beschränken und zum Schluss kommen könnte, dass die Wärme der eigenen Leute und der Wohlstand der eigenen Industrie wichtiger als die Unterstützung der Ukraine gegen Russland sei."
Hersh betonte, dass die Zerstörung der Pipelines eine wichtige Rolle bei Deutschlands wirtschaftlichen Problemen spielte und einen Prozess in Gang setzte, "den manche als rapide Deindustrialisierung bezeichnen". Wirtschaftsprobleme hätten auch unter anderem zur steigenden Beliebtheit der AfD beigetragen. Dennoch werde der Angriff auf Nord Stream bei der Analyse der Probleme der deutschen Wirtschaft weiterhin ausgeblendet. Hersh schrieb:
"Während der zehn Monate, seit ich meinen ersten Bericht über die Sabotage der Nord Stream veröffentlichte, haben die deutsche und die US-amerikanische Regierung und die Medien ihn entweder ignoriert oder alternative Erklärungen vorgelegt, wie und warum die Pipelines zerstört wurden. Die Idee, dass ein amtierender US-Präsident mutwillig die lebenswichtige Energiequelle eines nahen Verbündeten zerstören würde, bleibt, um Freud zu zitieren, ein Tabu."
Hersh hatte seine erste detaillierte Untersuchung der Sprengung von Nord Stream am 8. Februar 2023 veröffentlicht, wobei er sich auf anonyme Quellen "mit unmittelbarer Kenntnis der Einsatzplanung" berief. Washington stritt die Anschuldigungen ab. Russlands Präsident Wladimir Putin gab indessen an, dass er Hershs Analyse völlig zustimme und verwies darauf, dass der Angriff Washington einen Vorteil im Wettbewerb um die Gasversorgung Europas brachte.
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