Trotz schwerer Verluste bei Gegenoffensive: Ukrainische Armee fordert 450.000 neue Soldaten

Nach der gescheiterten und verlustreichen Gegenoffensive im Sommer will das ukrainische Militär wieder Hunderttausende Soldaten mobilisieren. Doch die ukrainische Regierung ist von der Idee nicht überzeugt. Durch die Aufforderung zu einer neuen Mobilmachung will der Armeechef wahrscheinlich die Verantwortung für das Versagen der ukrainischen Armee auf Selenskij abwälzen.

Laut Präsident Selenskij ist die Mobilisierung neuer Soldaten für Kiew eine teure und politisch heikle Angelegenheit. "Die Frage der Mobilisierung ist sehr sensibel", sagte Selenskij am Dienstagabend bei einer Pressekonferenz zum Jahresabschluss. Die Armee habe 450.000 neue Soldaten angefordert. Eine zusätzliche Mobilmachung in diesem Umfang erfordere etwa 500 Milliarden Griwna (12,2 Milliarden Euro), so der ukrainische Präsident. 

Die Gegenoffensive hat ihre Ziele im Großen und Ganzen verfehlt. Bei der gescheiterten Gegenoffensive sollen rund 100.000 ukrainische Soldaten getötet worden sein. In Deutschland leben viele Ukrainer, die in der Heimat für den Krieg fehlen. Zu der offiziellen Zahl kommen nach Schätzungen noch einmal 100.000 hinzu, die sich illegal in Deutschland aufhalten.

Raketen, Panzer, Munition und anderes Kriegs- oder Katastrophenschutzgerät können ersetzt werden, zumindest teilweise – solange die westlichen Verbündeten liefern. Die Rekrutierung wehrfähiger Männer stellt für die Ukraine jedoch bereits im zweiten Kriegsjahr ein massives Problem dar. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) haben knapp 6,3 Millionen Menschen infolge des Krieges die Ukraine verlassen. Nahezu alle sind in europäische Länder geflohen, zum größten Teil handelt es sich um Frauen und Kinder. Der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge sind in den 27 EU-Staaten sowie in Norwegen, der Schweiz und Liechtenstein allerdings mehr als 650.000 ukrainische Männer im Alter von 18 bis 64 Jahren als Flüchtlinge registriert – also tausende potenzielle Soldaten.

Zugleich nehmen die Spannungen zwischen dem Armeeoberbefehlshaber und dem ukrainischen Präsidenten offenbar zu. Der Armeechef hatte kürzlich von einer "Pattsituation" im Krieg mit Russland gesprochen. Selenskij wies diese Einschätzung zurück. Insofern wird auch spekuliert, dass Saluschny den Präsidenten mittels der Aufforderung zu einer neuen Mobilmachung unter Druck setzen und die Verantwortung für das Versagen der ukrainischen Armee auf ihn abwälzen will.

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