Von Marinko Učur
Nur zwei Monate nachdem Bulgarien Transitsteuern für russisches Gas nach Serbien und Ungarn eingeführt hatte, musste Sofia diese Erpressungsabsicht aufgeben. Am Montag wurde diese Entscheidung auf einer Sitzung der dortigen Regierung ausgesetzt. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hatte ein "Ass aus dem Ärmel" gezogen und Sofia mit einer Blockade für den Beitritt des Landes zum Schengen-Raum gedroht. In Serbien und Ungarn sind die Verbraucher erleichtert, weil russisches Gas weiterhin über die Pipeline "Balkan Stream", einen Zweig des Systems "Turkish Stream", ankommen wird.
Bekanntlich hatte Bulgarien kürzlich zusätzliche Steuern auf den Transit von russischem Gas durch sein Hoheitsgebiet eingeführt, etwa 10 Euro pro Megawattstunde. Diese Entscheidung verärgerte Budapest und Belgrad, die in einer gemeinsamen Erklärung Sofias Vorgehen als "feindlichen Schritt" bezeichneten. Obwohl der Beschluss des bulgarischen Parlaments am 13. Oktober in Kraft trat, fand er operativ keine Anwendung, da Ungarn eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission einlegte. In Anbetracht des ungarischen Appells, aber auch der Bedrohung der europäischen Einheit, sprach Brüssel die einzig mögliche Empfehlung aus, nämlich dass Sofia seine Absicht aufgeben möge. Daraus lässt sich leicht schließen, dass Bulgarien dem Druck nachgegeben hat. Nachdem sich Premierminister Orbán gegen die Absicht seiner EU-Partner eingesetzt hatte, den Krieg in der Ukraine mit noch einmal 50 Milliarden Euro weiter zu finanzieren, zeigte er bei Entscheidungen, die sein Land betreffen, erneut seine weiche Macht und sein beneidenswertes Potenzial, politischen Druck auszuüben. Belgrad verschwendete auch keine Zeit, sondern wandte sich an die Europäische Energiegemeinschaft, deren Mitglied Serbien ist. Dieser Verband leitete schließlich die serbischen Bemerkungen und Befürchtungen an die Europäische Kommission weiter.
Energieexperten neigen dazu zu behaupten, Bulgariens Absicht, Transitsteuern einzuführen, sei unbedacht gewesen, "weil wir mit Erpressungen seitens bestimmter Verbündete von Aleksandar Vučić rechnen mussten." Und damit spielten sie wohl auf Viktor Orbán, aber auch auf angeblich freundschaftliche Beziehungen Serbiens zu Österreich an.
Interessant ist, dass die Bulgaren mehrfach versucht hatten, ihre ungarischen Kollegen davon zu überzeugen, dass die Absicht, Steuern einzuführen, nicht gegen sie gerichtet sei. Es stellt sich jedoch die Frage, gegen wen die Steuern gerichtet waren. Die Antwort ist nicht schwer zu finden: Offensichtlich gegen Serbien, obwohl das offizielle Sofia das nirgendwo offen bekundet hat. Dennoch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass Bulgarien auf Anraten von jemandem aus der Europäischen Union versucht hat, Serbien seine Muskeln zu zeigen – wohl wegen des Bestrebens der serbischen Regierung, die Verhängung von Sanktionen gegen die Russische Föderation zu vermeiden.
Und dass es sich hierbei um einen versteckten Versuch Brüssels handelte, durch bestimmte EU-Mitglieder ein Signal an Belgrad zu senden, dass es an der Zeit sei, "aufzuhören, zwischen den Stühlen zu sitzen" und seine Außenpolitik an den Forderungen der europäischen Bürokraten auszurichten. Dank Ministerpräsident Viktor Orbán und seiner Regierung hatte diese Form der Erpressung keinen Erfolg, was die Regierung in Belgrad offenbar besonders zu schätzen weiß: Sie wies unlängst darauf hin, dass sich die Beziehungen zwischen Serbien und Ungarn auf einem historischen Höhepunkt befinden.
Was die bulgarische Regierungskoalition dazu bewogen hat, diese unpopulären Maßnahmen zu verabschieden und dann wieder aufzuheben, ist unklar. Viele bringen dies mit den Absichten des Balkanstaates in Verbindung, sich Brüssel als glaubwürdiger Partner für den Zugang zum Schengen-Raum zu empfehlen, da zahlreiche EU-Länder Zweifel an der Bereitschaft Bulgariens für den Beitritt zu diesem erlesenen Club geäußert haben. Im Zuge der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine konnte festgestellt werden, dass Serbien vollständig von russischem Gas abhängig war – von Gas also, das zuvor über einen anderen Korridor, über die Ukraine, Rumänien und Ungarn, geliefert wurde. Selbst heute kommen noch zwei Drittel des Gases aus Russland, über die Pipeline Turkish Stream, von der Ungarn und Serbien sich so viel erhoffen. Und deshalb hat man in Belgrad und Budapest die bulgarische Drohung auch als Alarmsignal ersten Ranges verstanden.
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