Von Wiktorija Nikiforowa
Die Spiele des "gelenkten Chaos" werden für die USA immer schwieriger. Auch der Krieg in Nahost konnte nicht unter Kontrolle gehalten werden. Er breitete sich rasch aus und schlug am empfindlichsten Ort des Welthandels – dem Roten Meer – zu.
Dieser enge maritime Korridor mit zwei Flaschenhälsen – dem Suezkanal im Norden und der Straße von Bab al-Mandab im Süden – wird gegenwärtig aktiv von den Huthi aus dem Jemen beschossen. Angegriffen werden alle Schiffe, unabhängig von ihrer Flagge, die die Huthi verdächtigen, nach Israel zu fahren oder mit diesem Land in Verbindung zu stehen. Von der Küste Jemens aus feuern sie Raketen und Drohnen ab. Jeder erfolgreiche Angriff wird auf Kundgebungen in der Hauptstadt Sanaa gefeiert.
All das begann noch im November als Reaktion auf die barbarischen Angriffe der israelischen Armee im Gazastreifen. Doch mehrere Wochen lang taten alle so, als würde nichts passieren: "Geld mag Stille." Schließlich verlaufen zehn bis zwölf Prozent aller Seetransporte beziehungsweise fast ein Drittel aller Containertransporte über das Rote Meer. Pro Jahr passieren dort Waren im Wert von einer Billion US-Dollar.
Deswegen änderten die Handelsschiffe einfach stillschweigend ihre Routen – statt durch den Suezkanal fuhren sie, wie vor fünfhundert Jahren, um das Kap der Guten Hoffnung und ganz Afrika herum. Selbstverständlich hat dies die Routen verlängert und die Transporte verteuert. Genauso stillschweigend steigerten die Versicherer ihre Preise – in wenigen Wochen nahm der Preis der Versicherung von israelischen Schiffen bei Lloyd's um 250 Prozent zu.
Doch Ende der vergangenen Woche gelang es den Huthi, ein Containerschiff der deutschen Reederei Hapag-Lloyd in Brand zu setzen. Einen Tag zuvor hatte ein norwegischer Bulkfrachter nach einem Raketenangriff Feuer gefangen. Und noch früher wurde ein US-amerikanisches Kriegsschiff, der Zerstörer USS Carney, angegriffen. Jetzt haben gleich mehrere große europäische Reedereien erklärt, dass ihre Schiffe nicht über das Rote Meer fahren werden.
Alle Blicke richten sich nach Washington. Die Küste des Roten Meeres wimmelt von US-amerikanischen Militärstützpunkten. Die US-Marine positioniert sich als Garant von Frieden und Sicherheit in der Region, und nun passiert so etwas.
Der weltweit stärksten Marine stehen hier de facto Partisanen gegenüber. Die Weltöffentlichkeit hält die Huthi immer noch für "Rebellen", wobei einige, angespornt durch die USA, sie gar als "Terroristen" bezeichneten. Dabei haben sich die Huthi selbst als Jemens legitime Regierung positioniert und werden von Millionen Jemeniten unterstützt.
Momentan melden US-amerikanische und britische Kriegsschiffe munter, mehrere Drohnen abgeschossen zu haben. Doch die Drohnen und Raketen fliegen weiter, und einer der wichtigsten Korridore des Welthandels ist der Gefahr einer regelrechten Blockade ausgesetzt.
In militärischer Hinsicht erscheint die Lage wie eine Pattsituation. Die USA haben den Flugzeugträger USS Dwight D. Eisenhower in die Straße von Aden verbracht, an die Südküste Jemens. Im Mittelmeer dümpelt weiterhin der Flugzeugträger USS Gerald R. Ford, dem weitere Zerstörer zu Hilfe eilen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin will sich in den Nahen Osten begeben.
Washington versucht, eine Koalition zur Bekämpfung der neuen Bedrohung zu schmieden, doch die alten Verbündeten haben es nicht eilig, ihr beizutreten. Selbst Saudi-Arabien, das vor Kurzem noch gegen die Huthi Krieg führte, mahnt Washington zur Zurückhaltung. Die Huthi warnten Riad, dass sie als Reaktion auf US-amerikanische Angriffe Ölbohrlöcher in Saudi-Arabien sprengen würden. Und dann ist da auch noch Iran, mit dem Saudi-Arabien in letzter Zeit seine Beziehungen normalisiert.
Angriffe auf Jemen werden die Öffentlichkeit nur noch weiter verärgern, aber zu keinem Ergebnis führen. Um die Attacken auf Schiffe zu stoppen, wäre eine Bodenoperation vonnöten. Doch die würde einen vollwertigen Krieg in der Region nach sich ziehen: Die Huthi werden nämlich von Iran unterstützt. Irans Verteidigungsminister Mohammad-Reza Ashtiani nannte entsprechende Pläne der USA "irrational" und warnte, dass Washington im Falle eines Versuchs, sie umzusetzen, "außerordentliche Probleme" erwarten würden:
"Niemand kann Manöver in einer Region durchführen, in der wir dominieren."
In dieser Lage erscheinen sogar die Flugzeugträger nicht etwa als beeindruckende Bedrohung, sondern als interessante Ziele. Ein Angriff mit einem Schwarm von Kamikaze-Drohnen könnte zu einem spannenden und preiswerten Versuch werden, die Schwächen einer Trägerkampfgruppe zu testen. Und selbst ein minimaler Erfolg dabei würde zu einem tödlichen Schlag für den Ruf der US-Marine werden.
Deswegen sind die USA dazu verdammt, im Roten Meer vor sich hin zu dümpeln und der ganzen Welt ihre Hilflosigkeit zu demonstrieren. All die Mantras vom Schutz der Verbündeten sind zusammengebrochen.
In politischer Hinsicht zeigt die Krise im Roten Meer, dass Wladimir Putin ein weiteres Mal recht hatte. Es gibt keine andere Lösung für den palästinensisch-israelischen Konflikt als einen Waffenstillstand und die Schaffung eines palästinensischen Staats. Alle weiteren Optionen werden nur zu einer Eskalation des Konflikts führen, die tatsächlich vor unseren Augen stattfindet.
Den wirtschaftlichen Effekt der Angriffe der Huthi kann jede Hausfrau vorhersagen. Natürlich wird alles teurer werden. Sehr wenig wird wohl der Ölpreis ansteigen – über das Rote Meer verlaufen nur etwa fünf Prozent des weltweiten Ölhandels. Doch die Transporte werden beträchtlich teurer werden, was sich auch in den Supermarktpreisen niederschlagen dürfte. Besonders beeinträchtigt werden dadurch Europa und Asien – der amerikanische Handel hängt vom Roten Meer praktisch nicht ab.
Das Hauptfazit der Geschehnisse besteht indessen darin, dass heute beliebige Handelswege, die die USA zu kontrollieren versuchen, zu einer Gefahrenquelle geworden sind. Nach dem Roten Meer ist die Taiwanstraße an der Reihe. Im Januar werden in Taiwan Wahlen stattfinden. Sollte dort ein proamerikanischer Kandidat gewinnen, könnte er einen Konflikt mit Peking ausgerechnet in einem Gewässer provozieren, wo die Handelsschifffahrt in ihrer Dichte dem Feierabendverkehr ähnelt.
Im Übrigen steht es auch um den Panamakanal nicht besonders gut. Wegen einer Dürre nahm dort der Transit um ein Viertel ab, und diese Lage wird sich wohl bis 2025 halten.
Die Schlussfolgerung ist einfach. Der einzige Seeweg, der heute von den USA, ihren Proxys und Provokateuren frei ist, ist die Nordostpassage. Hier gibt es ausgebaute Häfen und die gesamte notwendige Infrastruktur, aber vor allem einen sicheren Schutz vor jedweden militärischen Unannehmlichkeiten. Willkommen in Russland!
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.
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