Von Alex Männer
Angesichts des nahenden Kollapses der Ukraine zeigt sich in den USA und in Europa inzwischen eine Trendwende, was die finanzielle Unterstützung des osteuropäischen Krisenlandes durch den Westen betrifft. Die Bereitschaft der westlichen "Partner", sowohl den ukrainischen Haushalt mitzufinanzieren als auch ihre Waffenlieferungen aufrechtzuerhalten, ist nicht zuletzt seit dem militärischen Fiasko Kiews und den neuesten Korruptionsvorwürfen gegen die ukrainische Führung in den vergangenen Wochen deutlich gesunken.
Aus Sicht der Ukraine würde das Ausbleiben eines Großteils der westlichen Hilfsgelder im Grunde einer wirtschaftlichen Katastrophe gleichen. Denn die seit mehr als anderthalb Jahren in die Ukraine fließenden Finanzmittel, die hauptsächlich mit US-amerikanischen und europäischen Steuergeldern finanziert werden, garantieren nicht nur die Auszahlung von Gehältern, Renten und sozialen Zahlungen an die ukrainischen Bürger, sondern auch das Funktionieren des Staates.
Dafür setzt sich vor allem die EU ein und stellt der ukrainischen Regierung ein Hilfspaket in Höhe von 50 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre bereit. In diesem Rahmen wurden bereits 15 der für dieses Jahr vorgesehenen 18 Milliarden Euro ausgezahlt.
Insgesamt bekam die Ukraine 2023 bislang knapp 33 Milliarden Euro beziehungsweise 35 Milliarden Dollar an ausländischer Finanzierung, wobei die Gesamtsumme am Jahresende fast 43 Milliarden Dollar ausmachen soll.
Der ukrainische Finanzminister Sergej Marchenko sprach bereits davon, dass sein Land auch im kommenden Jahr eine finanzielle Hilfe in Höhe von etwa 43 Milliarden Dollar benötigen werde, weil der Krieg gegen Russland schließlich weitergehe und die Ukraine daher auf die westlichen Zahlungen angewiesen sei.
Ohne die Unterstützung des Westens droht der Ukraine 2024 ein riesiges Haushaltsloch, das laut Marchenko 29 Milliarden Dollar betragen wird. Dabei warnte der Minister in einem kürzlichen Interview mit dem US-Magazin Politico, dass eine Wirtschaftskrise nicht nur für die Ukrainer, sondern auch für die Europäer "sehr, sehr traumatisch" wäre, weil die Probleme der Ukraine durch Migration und Inflation, insbesondere bei den Lebensmittel- und Energiepreisen, schnell auf das übrige Europa übergreifen würden.
Offensichtlich befürchtet man in Kiew, dass die westlichen Staaten die Finanzierung der Ukraine bald massiv kürzen könnten. Deutliche Anzeichen dafür gibt es bereits reichlich: Da wären zum Beispiel die Vereinigten Staaten, wo die Aspekte Waffenlieferungen und Finanzhilfen an die Ukraine sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten bereits laut infrage gestellt werden. Am Dienstag gab das Weiße Haus bekannt, die USA hätten bereits 96 Prozent der für alle Bereiche der Unterstützung der Ukraine zugeteilten Mittel, einschließlich Waffenlieferungen, ausgegeben. In Washington hatte man übrigens zuvor schon angekündigt, den Umfang der US-Militärhilfe reduzieren zu wollen, da die vom Kongress zugeteilten Mittel zu Ende gingen.
Abgesehen von den Differenzen in der US-Politik bestehen da noch diverse Unstimmigkeiten in der EU. Zwei ihrer Mitglieder – Ungarn und die Slowakei – haben ihre Unterstützung für Kiew bereits eingestellt und andere könnten ihnen folgen. Nicht zu vergessen ist, dass die EU-Volkswirtschaft sich in einer ernsthaften Wirtschaftskrise befindet – allein ihr Motor, die Bundesrepublik, steckt nach wie vor in einer Rezession.
Trotzdem hofft die Kiewer Führung, dass die westlichen Hilfsgelder auch weiterhin in die Ukraine fließen werden. Womöglich wird die Finanzierung im kommenden Jahr an bestimmte Bedingungen geknüpft werden und aufgrund der grassierenden Korruption im Land wird das Geld, das die Ukrainer erhalten, letztendlich auch stärker kontrolliert werden. Ebenso ist davon auszugehen, dass der Umfang der Hilfe deutlich reduziert wird, allerdings nicht so weit, dass der Ukraine ein Finanzkollaps drohen könnte. Denn offenbar hat der Westen dieses krisengebeutelte Land beim Kampf gegen Russland noch nicht abgeschrieben.
Mehr zum Thema – Ungarischer Außenminister: EU-Aufnahme der Ukraine würde Krieg bringen