Von Roman Schumow
Nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel haben selbst diejenigen, die nicht viel über die Probleme des Nahen Ostens wussten, etwas über Gaza erfahren. Sowohl Anhänger Israels als auch jene der Palästinenser sind wütend und beschuldigen die jeweilige Gegenseite der Unmenschlichkeit. Der israelisch-palästinensische Konflikt dauert jedoch deswegen bis heute an, weil es keine einfache und eindeutige Lösung für das Problem gibt. Die Worte des britischen Historikers Thomas Carlyle sind in diesem Fall passender denn je: "Die Geschichte wird jeden betrauern, weil jeder ein bitteres Schicksal erlitten hat."
Ein blutiges Erbe
Die Geschichte der Stadt Gaza reicht mehrere Jahrtausende zurück. Gaza liegt an der Küste des Mittelmeers und ist seit der Zeit der ägyptischen Pharaonen besiedelt. Natürlich geht es uns heute in erster Linie darum, die aktuelle Krise zu verstehen, aber dazu müssen wir erst in die Vergangenheit blicken – in die Zeit des Ersten Weltkriegs, als Palästina ein abgelegener Winkel des Osmanischen Reiches war.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs lebte eine überschaubare jüdische Gemeinschaft in Palästina. Sie stellte eine Minderheit dar, war aber dennoch prominent sichtbar und vertreten. Im Allgemeinen war das jüdische Volk zu dieser Zeit harmonisch in die lokale Gemeinschaft integriert – es bewohnte dieses Land seit biblischen Zeiten und es gab lange Zeit mit der arabischen Bevölkerung keine wesentlichen Konflikte, wie sie mit den Krisen der Neuzeit vergleichbar wären.
Unterdessen richteten Frankreich und Großbritannien damals ihre Aufmerksamkeit auf den Nahen Osten, nachdem sie über die Nachkriegsstruktur der Welt nachgedacht und verhandelt hatten. Zu dieser Zeit gab es viele Projekte zum Nahen Osten, aber das wichtigste Projekt wurde vom britischen Außenminister Lord Balfour vorgeschlagen. Balfour hielt es unter anderem für wichtig, Juden eine nationale Heimat im Nahen Osten zu erschaffen.
Großbritannien erlangte nach dem Ersten Weltkrieg Einfluss über weite Gebiete, die de facto Kolonien wurden und die einst zum zerfallenden Osmanischen Reich gehört hatten. Das Territorium vom heutigen Israel wurde Mandatsgebiet Palästina genannt. Nachdem die Briten die Kontrolle über diese Gebiete erlangt hatten, bevorzugten sie im Allgemeinen die Juden, die sie als "Gegengewicht" zu den Arabern betrachteten. Jüdische Gemeinden und Einwanderer – auch die Migration wurde gefördert – waren gegenüber den Arabern im Vorteil. Allerdings wollten sich weder die Juden noch die Araber mit der britischen Herrschaft abfinden. Wie sich herausstellte, reichten mehrere Jahrzehnte dieser rücksichtslosen britischen Herrschaft aus, um die Spannungen zwischen den beiden Gemeinschaften zu verschärfen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es dann zu einer einzigartigen Situation, durch die die Gründung jüdischer und arabischer Staaten in Palästina ermöglicht wurde. Um seine imperiale Last abzuwerfen, griff Großbritannien auf einige der bestehenden Ideen für den Nahen Osten zurück. Darüber hinaus waren nach dem Völkermord am jüdischen Volk im Zweiten Weltkrieg die Ansprüche vieler Juden auf einen unabhängigen Staat völlig berechtigt.
Die Geburt Israels und die ersten Konflikte
Die Grenzen der künftigen arabischen und jüdischen Staaten wurden von der Vereinten Nationen festgelegt. Das Unterfangen erwies sich jedoch als kompletter Misserfolg. Die Vereinten Nationen hatten zunächst gute Absichten: Sie schlugen vor, jene Gebiete Palästinas mit großen jüdischen Gemeinden dem jüdischen Staat zu überlassen, während der arabische Staat die Gebiete erhalten würde, in denen die arabische Bevölkerung vorherrschend war. Da die Stadt Jerusalem für beide Gemeinschaften als heilige Stätte gilt, wurde der Stadt ein UN-Sonderstatus zuerkannt.
Allerdings war keine der beiden Seiten mit den Vorschlägen zufrieden. Erstens wurden beide Nationen auseinandergerissen und bestanden fortan ausschließlich aus verstreuten Enklaven. Zweitens wurden dem künftigen Staat Israel Gebiete mit weiterem Raum für Expansion zugeteilt. Angesichts der zu erwartenden Massenzuwanderung von Juden aus Europa erhielten diese Israelis mehr Land als jene große Zahl von Arabern, die umsiedeln mussten. Natürlich waren diese Araber aufgebracht. Und keine Seite wollte einen Kompromiss eingehen. 1947 brach ein bewaffneter Konflikt mit dem Ziel einer Grenzrevision aus. Jordanien, Ägypten und andere arabische Staaten schlugen sich auf die Seite der Araber. Die Israelis konnten sich jedoch erfolgreich wehren und besetzten sogar einige der von den Vereinten Nationen eigentlich den Arabern zugewiesenen Gebiete. Die übrigen Teile im arabischen Palästina wurden jedoch nicht zu einem eigenständigen Staat, sondern wurden teils sogar von benachbarten arabischen Nationen besetzt. Jordanien etwa übernahm die Kontrolle über das Westjordanland und Gaza wurde von Ägypten besetzt.
Wenn Gaza einfach ein Teil Ägyptens geworden wäre, wäre die Situation nicht besonders schlimm gewesen. Aber die Situation erwies sich tatsächlich als noch viel schlimmer. Im Jahr 1947 zählte Gaza lediglich 80.000 Einwohner. Doch anschließend strömten arabische Flüchtlinge in die Region und das kleine Gebiet musste bis zu 300.000 Araber unterbringen. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte man die Situation als humanitäre Katastrophe bezeichnen können, da den Menschen in Gaza selbst das Nötigste fehlte.
Ägypten betrachtete Gaza allerdings nicht als sein eigenes Territorium, weshalb die Bewohner des Gazastreifens nicht die ägyptische Staatsbürgerschaft annehmen durften. Ägypten nutzte Gaza vielmehr lediglich als eigenen Puffer gegen Israel. Mit Ägyptens Hilfe wurden in der Enklave Fedajin-Brigaden – bewaffnete Freiwilligenverbände – gebildet, um einen Guerillakrieg gegen Israel zu führen.
Gleichzeitig gründeten die Vereinten Nationen das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, die United Nations Relief and Works Agency (UNRWA) for Palestine Refugees in the Near East, die bis heute aktiv ist. Diese Agentur der Vereinten Nationen trug dazu bei, die Lebensumstände in Gaza zu verbessern. Dank der UN-Bemühungen wurden aus den Flüchtlingslagern nach und nach veritable Städte, und das Leben allgemein in Gaza – auch wenn es weiterhin schwierig war – wurde erträglicher. Damals hofften und dachten viele Menschen, das Problem würde bald gelöst sein, indem der Status von Gaza bald geändert werde.
Menschen ohne Staat
Die Situation in Gaza änderte sich tatsächlich gravierend. 1967 führten Streitigkeiten zwischen dem jüdischen Staat und den arabischen Nachbarstaaten Ägypten, Jordanien und Syrien zum Sechstagekrieg, der mit der Besetzung der Sinai-Halbinsel und des Gazastreifens durch Israel endete. Zu diesem Zeitpunkt lebten bereits fast 400.000 Menschen in Gaza, 60 Prozent davon waren Binnenvertriebene.
Israel versuchte, das Gebiet zu integrieren, allerdings unter eigenmächtig bestimmten Bedingungen. Genauso wie den Einwohnern von Gaza die ägyptische Staatsbürgerschaft verweigert wurde, konnten sie auch die israelische Staatsbürgerschaft nicht erhalten. Israels Politik im Gazastreifen war von Widersprüchlichkeiten geprägt. Einerseits bot Israel Arbeitsplätze, was äußerst wichtig war, da etwa die Hälfte der gesamten arbeitenden Bevölkerung von Gaza in Israel arbeitete. Araber führten üblicherweise Arbeiten als Ungelernte mit niedrigem Lohn aus, aber sie verdienten dabei immer noch mehr, als sie in Gaza selbst hätten erwarten können.
Andererseits behinderte diese Regelung die wirtschaftliche Entwicklung Gazas. Die Araber waren Wanderarbeiter – und das schien gut zu funktionieren, da die Einkommen in Gaza allmählich stiegen. Doch gleichzeitig stagnierte die Wirtschaft in Gaza. Die Rechte arabischer Arbeiter wurden nicht auf die gleiche Weise geschützt wie die der Israelis, und als Bürger eines noch immer nicht existierenden Staates blieben die Bewohner Gazas praktisch politisch völlig in der Schwebe. Die Bevölkerung von Gaza aber wuchs rapide. Zusätzlich wurde die Situation wurde durch den Bau israelischer Siedlungen im Gazastreifen erschwert. Zeitweise nahmen diese Siedlungen bis zu einem Drittel des ohnehin bereits überbevölkerten Streifens ein. Darüber hinaus zeigten viele jüdische Siedler die Mentalität von "Eroberern" und verhielten sich dementsprechend. Dies trug nicht zum friedlichen Zusammenleben zwischen der arabischen und der jüdischen Gemeinschaft bei.
Nach dem Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel erst im Jahr 1979 nahmen diese beiden Länder friedliche Beziehungen auf, und die Grenze zwischen Gaza und Ägypten wurde somit erneut geöffnet. Allerdings betrachtete Ägypten die Araber des Gazastreifens weiterhin nicht als ihre Brüder, und es wurde auch nur ein einziger Grenzübergang eingerichtet.
Eine Zeit zum Tunnelbau
Die "Tunnelwirtschaft" des Gazastreifens reicht bis in die 1980er Jahre zurück, als Tunnel gegraben wurden, die sowohl nach Israel als auch nach Ägypten führten. Heute hören wir von diesen Tunneln vor allem als Teil einer terroristischen Infrastruktur, damals wurden sie jedoch aus rein wirtschaftlichen Gründen erstellt. Bei diesen Tunneln handelt es sich um ausgebaute unterirdische Bauwerke samt Elektrizität, Belüftung und sogar mit Schienen für Loren, die für den Warenschmuggel genutzt wurden. Viele dieser Tunnel wurden genossenschaftlich gebaut – sie wurden direkt von der Bevölkerung finanziert und diese Gelder wurden über Moscheen gesammelt. Jeder Tunnel wurde zu einem eigenständigen Wirtschaftsunternehmen, wobei die Gewinnmargen teilweise unglaublich waren – ein neuer Tunnel konnte sich so beispielsweise in nur einem Monat amortisieren.
Unterdessen verschlechterte sich die politische Lage weiter. Der Kampf gegen Israel wurde von der Fatah angeführt, der Partei von Jassir Arafat. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre entstand dann die Hamas-Bewegung. Sie wurde in Abgrenzung zur Fatah gegründet auf der geistlichen Grundlage einer der radikalsten und unversöhnlichsten islamistischen Gruppen, der Muslimbruderschaft. Die Hamas war von Anbeginn entschlossen, Krieg gegen Israel zu führen und es vollständig zu zerstören.
Im Jahr 1987 begann dann die Erste Intifada, die auch "Steinintifada" genannt wird. Die Araber lösten Massenunruhen aus und griffen israelische Siedlungen im Gazastreifen an. Die Konfrontation war schwerwiegend und forderte viele Todesopfer. Israel konnte die Unruhen schließlich niederschlagen, erlitt jedoch dadurch einen schweren Schaden im internationalen Ruf. Anfang der 1990er Jahre stimmte Israel Verhandlungen zu. Dies führte zur Unterzeichnung des Oslo-Abkommens von 1993, das die Schaffung einer Palästinensischen Autonomiebehörde und die Rückkehr zum Projekt der Schaffung eines künftigen palästinensischen Staates sicherstellte. Dieses Zwei-Staaten-Konzept schien eine gute künftige Lösung zu werden. Die Israelis übergaben den Gazastreifen an die Palästinenser und errichteten entlang der Grenze zur Enklave Barrieren.
Der Konflikt konnte jedoch nicht vollständig gelöst werden, denn Tel Aviv weigerte sich, einige entscheidende Zugeständnisse zu machen. Auch konnten sich die Araber und die Juden nicht über den Status Jerusalems einigen – und Arafat forderte eine Entschädigung für die arabischen Binnenflüchtlinge. Infolgedessen folgte die noch viel blutigere Zweite Intifada. Die Palästinenser verübten Selbstmordattentate, blutige Angriffe und feuerten selbstgebaute Raketen auf israelische Städte ab. Israel reagierte darauf mit aller Härte. Infolge dieser Intifada wurden etwa 1.000 Juden und 3.000 Araber getötet. Die Zweite Intifada traf jedoch nicht nur die Menschen, die direkt darunter litten. Nach dem Konflikt wurden entlang des Gazastreifens weitere Grenzbefestigungen errichtet. Nur zwei Ausgänge führten noch aus der Enklave: einer nach Ägypten, der andere nach Israel. Niemand konnte mehr das Gebiet ungehindert verlassen, während die See- und Luftwege von Israel völlig blockiert wurden.
Das war der Beginn einer regelrechten Blockade. Dabei ist wichtig anzumerken, dass Israel Gaza als eine Brutstätte des Terrorismus betrachtete, aber dasselbe unterstellte auch Ägypten, das den Bewohnern des Gazastreifens ebenfalls den Zugang zu seinem Territorium versperrte.
Doch das Schlimmste sollte noch kommen
Im Jahr 2005 zog sich Israel vollständig aus dem Gazastreifen zurück. Israelische Siedlungen wurden aufgelöst, Israel zog seine Truppen ab und die Enklave wurde weiter isoliert. Als Folge der Kriege und der Blockade sank der Lebensstandard in Gaza. Die meisten Bewohner wollten nicht um des Dschihad willen Selbstmordattentäter werden. Der Deckel des "Dampfkessels" Gaza war jedoch fest verschlossen und sein Inhalt erreichte den Siedepunkt. Im Jahr 2006 gewann die Hamas die Wahlen in Gaza, gab sich jedoch nicht mit diesem durch ein demokratisches Verfahren herbeigeführten Sieg zufrieden. In Gaza brach daraufhin ein Bürgerkrieg aus. Die gemäßigtere Fatah wurde schließlich bezwungen, einige ihrer Führer flohen aus dem Gazastreifen, andere wurden getötet. Das Gebiet des gescheiterten Konzepts eines palästinensischen Staates wurde in das Westjordanland und den Gazastreifen gespalten – nicht nur geografisch, sondern somit auch politisch. Während Israelis und Araber im Westjordanland wackelige Wege fanden, zusammenzuleben, war der Gazastreifen völlig isoliert. Die Arbeitslosenquote stieg auf 50 Prozent, und die Aktivisten der Hamas – eine blutrünstige und fanatische extremistische Bewegung – erlangten unangefochtene Macht. All dies wurde von Terroranschlägen aus Gaza heraus und der rachedurstigen Bombardierung der Enklave durch die Israelis begleitet. Bereits zu diesem Zeitpunkt war die Gaza-Frage äußerst schwer zu lösen.
Eine chronische Krankheit
Die meisten Menschen in Gaza würden einfach gerne in Frieden leben. Aber niemand fragt sie, was sie wollen. Die Menschen können nicht fliehen – sowohl Ägypten als auch Israel halten sie allesamt für potenzielle Terroristen – und es trifft zu, dass es unter der Bevölkerung eine beträchtliche Anzahl echter Terroristen gibt. Jeder in Gaza ist gezwungen, sich mit der Hamas auseinanderzusetzen – einfach, weil es keine andere Regierung gibt und weil so gut wie jeder bei der Hamas Freunde, Verwandte oder Bekannte hat. Die Menschen auf beiden Seiten der Grenzbefestigung haben aufgrund des langen, schmerzhaften Konflikts mittlerweile auch reichlich Grund, sich gegenseitig zu hassen: Die Bewohner Gazas leiden unter Bombenangriffen, während Israelis unter Terroranschlägen leiden. Und das schon seit Jahrzehnten.
Im Jahr 2006 entführten Militante aus Gaza einen israelischen Soldaten, der mehrere Jahre in Gefangenschaft verbrachte. Er wurde schließlich gegen 1.000 palästinensische Gefangene, darunter militante Aktivisten, ausgetauscht. Unterdessen flogen weiterhin aus Gaza abgefeuerte Raketen über die Grenze nach Israel. Zu diesem Zeitpunkt übernahm Israel das Konzept des "Rasenmähens": Nach jeder Eskalation würde Israel Gaza bombardieren, um das Kampfpotenzial der Hamas zu dezimieren. Zwischen 2008 und 2009 führten die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) die Operation "Gegossenes Blei" durch und drangen tief in den Gazastreifen vor – die IDF erlitten zwar geringfügige Verluste, waren aber im Großen und Ganzen erfolgreich. Anschließend entwickelte sich die Situation nach und nach wieder in die Richtung, wie sie vorher war. Die nächste große Operation namens "Wolkensäule" folgte im Jahr 2012. Zu diesem Zeitpunkt betrachteten die Israelis die ständigen Angriffe auf ihr Territorium als eine unvermeidliche Katastrophe. Aber auch israelische Angriffe auf Gaza waren zur Routine geworden.
Nach und nach setzten die Israelis ihren "Iron Dome" ein – ein effektives und zuverlässiges Raketenabwehrsystem, was die Schäden durch den Beschuss aus Gaza erheblich reduzierte. Im Jahr 2014 folgte eine erneute Eskalation – die Operation Unzerstörbarer Felsen –, bei der Israel zwar 66 Soldaten verlor, aber einige Gebiete im Gazastreifen durch schweres Artilleriefeuer völlig "plattgemacht" wurden. Die Verluste während dieser Operation sorgten in Israel für heftige Diskussionen in der Öffentlichkeit. Danach versuchten die IDF für lange Zeit nicht mehr, tiefer in die Enklave einzudringen.
Doch nach den Kämpfen von 2014 fanden die Israelis dem Anschein nach ein Gleichgewicht. Der "Iron Dome" schützte sie erfolgreich vor Raketen aus Gaza. Der gesamte Perimeter des Gazastreifens wurde von der israelischen Gaza-Division bewacht, und die Verteidigung stützte sich stark auf fortschrittliche Technologien – Überwachungskameras und Türme mit ferngesteuerten Maschinengewehren wurden entlang dem Perimeter postiert. In den kommenden Jahren nahmen die Spannungen an der Grenze ab und das Gefühl der Gefahr unter den Israelis ließ nach. Kampfbereite Einheiten wurden von der Grenze zum Gazastreifen abgezogen und die IDF wurden nach und nach wieder zu einer Armee in Friedenszeiten.
Das grundlegende Problem blieb jedoch bestehen. Auf der anderen Seite der von den Israelis errichteten Grenzbefestigung befand sich eine riesige Enklave, in der zwei Millionen Menschen ohne Arbeit, Zukunftsperspektive und Geld lebten und die von einer Terrororganisation regiert wurden. Doch während die Wachsamkeit der Israelis nachließ, beobachteten die Führer der Hamas aufmerksam, was auf der anderen Seite der Grenzbefestigung geschieht.
Am 7. Oktober dieses Jahres wurde klar, dass es keine gute Option war, den Gazastreifen einfach zu vergessen. In die Grenzbefestigungen wurden Schneisen gesprengt, und hunderte Militante der Hamas fielen in Israel ein.
Der arabisch-israelische Konflikt und insbesondere die Probleme in Gaza werden oft als Ergebnis der Bosheit der einen oder anderen Seite angesehen. Doch tatsächlich wird das Schicksal Gazas seit über hundert Jahren durch Entscheidungen bestimmt, die damals bisweilen vernünftig oder gar menschlich schienen, sich in Wirklichkeit aber als lächerlich und unverantwortlich herausstellten. Böswilligkeit, wohlmeinende Inkompetenz, Grausamkeit und Chauvinismus spielten alle eine Rolle – aber sie waren nicht ausschließlich einer bestimmten Seite vorbehalten, auch nicht allein den Führern Israels und Palästinas. Das Drama im Nahen Osten zeigt deutlich, wie einfach es ist, den Geist der Gewalt und des Hasses aus der Flasche zu lassen, und wie schwer es ist, ihn jemals wieder zurückzudrängen.
Bis heute ist es niemandem gelungen, den Geist wieder in die Flasche zu zwingen – selbst nach einem Jahrhundert vieler Bemühungen nicht.
Übersetzt aus dem Englischen.
Roman Schumow ist ein russischer Historiker, der sich auf Konflikte und internationale Politik konzentriert.
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