Von Jewgeni Krutikow
Seit dem Jahr 2014 hat das ukrainische Militär im Kokswerk von Awdejewka Kilometer von Tunneln gegraben, Minen gelegt und Betonbunker gebaut. All das machte den befestigten Raum von Awdejewka zu einem besser geschützten Objekt als sogar die unterirdischen Anlagen von Mariupol.
Im Jahr 2022 gelang es nicht, diese Befestigungen zu überrumpeln. Seitdem galt Awdejewka als ein wenig aussichtsreicher Frontabschnitt für eine Offensive.
Alles änderte sich um fünf Uhr morgens am 10. Oktober 2023, als ukrainische Positionen von über 200 Artilleriegeschützen und Solnzepjok-Raketenwerfern unter Feuer genommen wurden. Noch bedeutender waren die Abwürfe von schweren Fliegerbomben FAB-500 und FAB-1500 mit Steuerungsmodulen. Das sind Waffen von einer großen Zerstörungskraft, die unter anderem zur Vernichtung unterirdischer Anlagen bestimmt sind. Zuvor waren die Luftstreitkräfte an diesem Frontabschnitt fast nicht zum Einsatz gekommen.
Awdejewka wurde für mehrere Tage mit dichtem schwarzem Rauch überzogen. Doch weil es keine Truppenbewegungen am Boden gab, wurde der Angriff auf die Bunker nur zu einer weiteren Episode in einer Reihe von ständigen Artillerieduellen.
Am frühen Morgen des 10. Oktober stellte es sich plötzlich heraus, dass ukrainische Verbände begonnen haben, sich aus der Stadt zurückzuziehen. Im Umland des 9. Stadtbezirks – des Hochhauswohngebiets von Awdejewka, das dem Donezker Flughafen und dem Dorf Opytnoje am nächsten liegt – brach in den Reihen des ukrainischen Militärs eine Panik aus.
Russische Sturmverbände, darunter Storm Z und jene Einheiten, die auf der Grundlage des 1. Donezker Armeekorps und des Bataillons "Somali" aufgestellt wurden, nahmen in einem Zug die ersten zwei von drei ukrainischen Schützengrabenlinien und einige Befestigungen ein.
Nordwestlich von Awdejewka wurde beim Kokswerk die wichtigste Halde besetzt, nämlich die Höhe 260. Das ist die Hauptposition, von der aus nicht nur das Werk und das Stadtzentrum kontrolliert werden können, sondern auch die einzige Straße, über die die ukrainische Garnison von Awdejewka versorgt wird.
Etwas später rückten die russischen Spitzen an die Ortsränder der winzigen Siedlung Berdytschi wenige Kilometer nordwestlich des Kokswerks ein. Dabei übertraten die Aufklärer die Eisenbahnlinie, die damit vom ukrainischen Militär nicht mehr als Verteidigungslinie genutzt werden kann. Obwohl das aus drei kleinen Straßen bestehende Dorf selbst nicht besetzt wurde, schuf der Vorstoß in dieser Richtung Voraussetzungen für eine operative Einkesselung von ganz Awdejewka. Am Abend des 10. Oktobers wurde das Ausräumen der Halde fortgesetzt. Bemerkenswerterweise gelang es jahrelang nicht, diese Halde zu erobern, während nun alles in wenigen Dutzend Minuten bewerkstelligt wurde.
Im Süden entwickelte sich der russische Vorstoß aus den Ausgangsstellungen bei Wodjanoje und Opytnoje aus objektiven Gründen langsamer, doch auch dort blieben bis zu den vordersten ukrainischen Positionen beim Dorf Tonenkoje etwa 600 Meter. Die Versorgungsroute von Awdejewka verläuft durch das Dorf Orlowka, bis zu dem noch etwa ein Kilometer übrig bleibt und das faktisch jetzt schon von russischen Streitkräften beschossen werden kann.
Das ukrainische Militär begann umgehend, an den Frontabschnitt Awdejewka die letzten Reserven aus der 93., 41., und der 81. Brigade zu verlegen. Doch zum Mittag des 10. Oktobers wurden die Straßen nach Awdejewka bereits durchschnitten, und es gelang dem ukrainischen Militär nicht, einen Gegenangriff zu organisieren. Kiew war auf eine solche Entwicklung gänzlich unvorbereitet.
Erfolge gibt es sogar am geraden Abschnitt zwischen dem Stadtrand von Donezk und dem Einfamilienhaus-Wohngebiet von Awdejewka, obwohl keine Frontalangriffe über das verminte und bestrichene Terrain unternommen wurden. Dabei setzten Russlands Streitkräfte bisher keine Reserven im Kampf ein, es sind ausschließlich lokale Sturmverbände, die nach Awdejewka vorrücken und die Stadt einkesseln. Dies gelang dank der sorgfältigen Planung der Operation und der abgestimmten Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Waffengattungen. Auch das Oberhaupt der Donezker Volksrepublik, Denis Puschilin, bestätigte, dass bei Awdejewka neue Stellungen erreicht wurden.
Der Erfolg bei Awdejewka muss ausgebaut werden, und eine endgültige Wende an diesem Frontabschnitt ist noch nicht passiert. Russlands Streitkräfte müssen sich noch an Stellungen westlich und nordwestlich der Stadt und des Kokswerks befestigen. Die Fläche des Werkgeländes entspricht ungefähr der Fläche der Wohngebiete der Stadt. Knapp zwei Drittel der Häuser in Awdejewka sind einstöckig. Das Ziel der unerwarteten Operation bei Awdejewka ist offensichtlich die Einkesselung des ganzen befestigten Raums von Awdejewka und dessen anschließende Liquidierung. Bei einer weiteren Entwicklung der Offensive kann dies mindestens zwei Wochen in Anspruch nehmen.
Nicht weniger überraschend war eine Reihe von erfolgreichen russischen Angriffen an anderen Frontabschnitten.
Insbesondere rückten die russischen Truppen vor wenigen Tagen am Frontabschnitt Kupjansk vor und erzielten dabei ebenfalls sichtbare Erfolge. Das ukrainische Militär brachte dorthin dringend Verstärkung und die Front stabilisierte sich, doch insgesamt bleibt der Druck der russischen Streitkräfte dort bestehen. Dabei vernichten die Luftstreitkräfte mit den bereits erwähnten FAB-Bomben die Übergänge über den Fluss Oskol und Stellungen beim Bahnhof Kupjansk-Uslowoi, was eine Versorgung der ukrainischen vordersten Linien erschwert.
In der vergangenen Woche gingen Verbände der im Jahr 2023 neu aufgestellten 25. Armee des Zentralen Wehrkreises überraschend zum Angriff am Frontabschnitt Swatowo über. Sie rückten schnell einige Kilometer in Richtung des Dorfs Makejewka vor, das ebenfalls für die Versorgung der ukrainischen vordersten Truppen wichtig ist. Dabei wurden die ukrainischen Befestigungen nicht gestürmt. Verbände der 25. Armee umgingen sie, kesselten sie ein und eliminierten sie erst danach. Kiews Militär war gezwungen, dringend Reserven an den Frontabschnitt Swatowo zu verlegen.
Darüber hinaus wurden südlich von Marjinka wichtige Höhen bei Nowomichailowka besetzt. Sollte sich der Druck an diesem Frontabschnitt fortsetzen, wird Nowomichailowka selbst bedroht, das vom ukrainischen Militär als Knotenpunkt zur Organisation der Kämpfe am Frontabschnitt Süd-Donezk genutzt wird. Das Vorrücken der russischen Streitkräfte am Frontabschnitt Ugledar wurde wegen der Verlegung eines Teils der Sturmverbände nach Norden vorerst eingestellt.
Zu einer weiteren Überraschung für das ukrainische Militär wurden die Angriffe der Verbände der 58. Armee am Frontabschnitt Orechow (Saporoschje) bei Pjatichatki. Russische Truppen unternahmen mehrere aufeinanderfolgende Stürme und schlugen Kiews Militär fast aus allen Positionen, die zuvor als "graue Zone" galten, zurück. Praktisch alle Ergebnisse der ein halbes Jahr langen ukrainischen Offensive wurden durch zwei Infanterieangriffe des Wladikawkas-Regiments zunichtegemacht. Etwas Ähnliches geschah in der vergangenen Woche beim benachbarten Dorf Werbowoje, wo russische Verbände das ukrainische Militär aus der während der sechs Monate der "Gegenoffensive" entstandenen "grauen Zone" zurückschlugen.
Natürlich erscheint all dies bisher als lokale taktische Operation. Dennoch ist es wichtig, dass Russlands Streitkräfte das ukrainische Militär gleich an mehreren Schlüsselabschnitten unter Druck setzt. In jedem konkreten Fall variieren die russischen Truppen ihre Taktik und gehen von Besonderheiten der ukrainischen Verteidigung und der eigenen Möglichkeiten aus. Wir sollten die Ereignisse nicht vorgreifen, doch es ist möglich, dass wir Anzeichen einer größeren russischen Militäroperation, als nur eine Offensive bei Awdejewka, beobachten.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.
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