Von Irina Taran, Jelisaweta Komarowa
Der Westen führt einen Kampf um die Kontrolle der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt und versucht zu erreichen, dass die Aktionen des ukrainischen Militärs in den Weltmedien auf eine für ihn günstige Weise beleuchtet werden, schrieben die Journalisten der US-amerikanischen Zeitung The Washington Post (WP).
"Auch ein anderer Kampf entfaltet sich, dessen Ziel es ist, das Narrativ zu kontrollieren und zu beeinflussen, wie die Welt den Krieg sieht. Nach zahlreichen Klagen über den langsamen Fortschritt und den düsteren Einschätzungen der Perspektiven der Ukraine während des Sommers konzentrierten sich ukrainische und westliche Beamte in vergangenen Wochen darauf, das Narrativ umzugestalten, um Erwartungen zu dämpfen und die Unterstützung für den Winter zu sichern",
erklärten die Autoren.
Bei dem Versuch, "das Gefühl zu kompensieren", dass die ukrainische Gegenoffensive stecken geblieben sei, würden hochrangige westliche Beamte, darunter US-Staatssekretär Antony Blinken und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, versuchen, den "Fortschritt" der Ukraine zu betonen. So habe etwa der NATO-Chef "signifikante" Fortschritte auf dem Schlachtfeld angepriesen, berichteten die Journalisten.
"In den jüngsten Pressekonferenzen haben westliche Beamte ungewohnte Besorgnis darüber geäußert, wie der Krieg wahrgenommen und wie über ihn berichtet wird. Die sonst üblicherweise verhaltenen Sprecher lenkten von ihren Notizen ab und drängten Journalisten dazu, über die Entwicklungen auf dem Schlachtfeld hinauszublicken und das 'größere Bild' des Kriegs zu betrachten", heißt es in dem Artikel.
Doch dieses "größere Bild" persönlich zu überprüfen, werde für die Journalisten immer schwieriger, denn in vergangenen Wochen habe das ukrainische Militär immer größere Zugangsbeschränkungen zur Frontlinie verhängt. Dabei spiele im Westen die Kontrolle über die Berichterstattung eine vorrangige Rolle, um die gesellschaftliche Unterstützung der Ukraine aufrechtzuerhalten, schrieben die Journalisten.
In einigen Ländern, darunter in den USA, schwinde diese Unterstützung zunehmend. Debatten um große Ausgaben für die Ukraine hätten bereits die Wahlkampagnen in Polen und der Slowakei beeinflusst, so im Artikel der WP zu lesen.
Überdies bahne sich laut den Journalisten die Gefahr eines "Einfrieren des Konflikts" an, bei gleichzeitiger Abnahme der internationalen Hilfe. Die Leser der größten amerikanischen Zeitung würden jedoch die Objektivität der Washington Post nicht schätzen, kritisierten die Autoren des Materials, und sie würden die Publikation der Lüge bezichtigen.
"WaPo, ihr habt die Verantwortung, die Wahrheit zu berichten, wenn ihr diese Möglichkeit habt, sonst wird 'die Demokratie in der Dunkelheit sterben'", bemerkte einer der Nutzer.
Ein anderer Kommentator behauptete, dass Medien, die das Kiewer Regime diskreditieren, entlarvt und das von ihnen angeblich verbreitete "Chaos" verurteilt werden müsse. Das Gleiche solle seiner Meinung nach den angeblich prorussischen Politikern in der Republikanischen Partei passieren.
"Fake News und böswillige Putin-Anhänger unter Trumps Handlangern können Erfolg haben und die Ukraine dazu verdammen, zu verkümmern und zu sterben. Die Medien scheinen jede Gelegenheit zu nutzen, um die Ukraine zu diskreditieren. Sie höhlen damit die Unterstützung aus und machen den Widerstand der republikanischen Banditen noch heftiger", behauptete der Nutzer.
Ein weiterer Kommentator behauptete, dass der "pro-Putin-Kurs der Republikaner im Repräsentantenhaus ein Informationsbild aus 'alternativen Fakten'" zeichne in dem Versuch, das Bestreben zu rechtfertigen, Russland zu helfen.
"Alles bricht zusammen"
Neben der Washington Post veröffentlichten auch andere westliche Medien Beiträge, die die Lage des Kiewer Regimes auf dem Schlachtfeld in einem negativen Licht darstellen.
So veröffentlichte der Youtube-Kanal Judging Freedom am 5. Oktober ein Interview mit dem ehemaligen britischen Diplomaten und Ex-Mitarbeiter der MI6 Alastair Crooke, der behauptete, dass die Ukraine jetzt schon einen "Kollaps" in allen Bereichen erlebe und das Kiewer Regime im kommenden Winter eine Niederlage gegen Russland erleiden werde, sollte seine militärische Unterstützung eingestellt werden.
"Alles bricht zusammen im weitesten Sinne, und wenn es kein Geld geben wird, wird die gegenwärtige Phase des Kriegs meiner Meinung nach in diesem Winter zu Ende sein", behauptete er und fügte hinzu, dass die Ukraine nicht über die für den Winter notwendige Technik und über immer weniger Waffen und Personal verfüge.
Am nächsten Tag schrieben Journalisten der US-Zeitung The Christian Science Monitor, dass in letzter Zeit "Risse in der Mauer der westlichen Hilfe für die Ukraine" entstanden seien – nicht nur in den USA, wo die Zahl der Gegner der Finanzierung Kiews im Kongress wächst, sondern auch in Europa, insbesondere in der Slowakei, in Polen und in Ungarn.
Kiew verliere die Unterstützung des Westens, schlussfolgerte ein Analytiker des britischen Fernsehkanals Sky News. Ihm zufolge trete in den westlichen Staaten immer mehr die Müdigkeit bezüglich des Ukraine-Konflikts zutage und immer mehr Beachtung werde auf innere Probleme gerichtet. Die Notwendigkeit, Kiew militärisch und finanziell zu unterstützen, könne für die westlichen Staaten zu einer ernsthaften Bürde werden, so der Journalist.
"Wenn es der Ukraine nicht gelungen ist, in diesem Sommer vorzurücken, in dem sie so gut wie nur möglich vorbereitet war, wird die weitere militärische Unterstützung aus dem Westen nur zu einem verlängerten, kostspieligen und praktisch statischen Konflikt führen", erklärte der Analytiker der Sky News.
Verminderung des medienpolitischen Status
Wie der Professor des Instituts für Medien der Wirtschaftshochschule Moskau Dmitri Jewstafjew gegenüber RT erklärte, hätten die westlichen Medien ursprünglich zwar gar nichts zur realen Lage des ukrainischen Militärs berichtet, aber inzwischen habe sich die Lage geändert.
"Das Bestreben, die Ukraine allmählich fallen zu lassen, ist durchaus offensichtlich. Doch die Aufgabe besteht nicht allein darin, den medienpolitischen Status der Ukraine-Frage in den westlichen Medien zu vermindern, sondern auch den Imageschaden für den Westen selbst zu minimieren,"
merkte er an.
"Hofften die Vertreter der westlichen Medien zuvor noch darauf, dass es dem ukrainischen Militär gelinge, die russische Verteidigung zu durchbrechen und hielten sich mit Kritik an Kiew zurück, so versuchen Experten, Beobachter und Journalisten jetzt, die Verantwortung für die Misserfolge vom Westen auf das Kiewer Regime abzuwälzen", erklärte Jewstafjew.
Gleichzeitig betonte der Experte, dass die WP, indem sie Details über den Kampf des Westens um die Kontrolle der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt enthüllte, "fast zum ersten Mal die Wahrheit sagte und sofort dafür bezahlte".
"Während der Zeit, als in den Medien überall behauptet wurde, dass die Ukraine mithilfe des kollektiven Westens siegen könne und es ihnen gelingen würde, Russland zum Zerfall zu bringen, begann ein bedeutender Bevölkerungsanteil in den USA und in anderen westlichen Ländern, daran zu glauben. Und jetzt, wo in den Medien ein neues Narrativ erschaffen wird, stößt es auf Menschen, denen ganz andere Gedanken beigebracht wurden. Das ist eine gewöhnliche Propagandafalle. Und einen Ausweg aus dieser Lage zu finden, wird sehr schwierig sein", glaubt der Analyst.
Nach Meinung von Pawel Feldman, Politikwissenschaftler und Dozent an der Akademie für Arbeit und soziale Beziehungen, hat sich die Stammleserschaft der WP daran gewöhnt, dass die Zeitung üblicherweise im proukrainischen und antirussischen Ton berichtet.
"Und nun öffnen diese Menschen ihre Lieblingszeitung und sehen plötzlich, dass sich der Ton der Berichterstattung geändert hat, dass Informationen über die neue Strategie der westlichen Führer in Bezug auf die Ukraine geleakt werden.
Das widerspricht ihrer vorgebildeten Position. Diese Menschen können keine alternativen Sichtweisen akzeptieren. Das passiert oft, wenn ein Publikum, das sich in einer komfortablen Informationsblase befindet, plötzlich mit Informationen konfrontiert wird, die seinen vorgebildeten politischen und ideologischen Standpunkten widersprechen", erklärte der Experte in einem Gespräch mit RT.
Jetzt beginnen nach Feldmans Ansicht WP und andere Medien, die bis zuletzt für die Ukraine gearbeitet hatten, zunehmend Position für diejenigen politischen Eliten zu beziehen, die von Anfang an gegen uneingeschränkte finanzielle und militärische Hilfe an Kiew eintraten.
"Jetzt, nach einem weiteren Scheitern der Gegenoffensive, hat diese Gruppe zusätzliche Argumente im Kampf gegen ihre Opponenten erhalten. Doch auch wenn die Vertreter der US-Administration und ihre NATO-Verbündeten über das Scheitern des ukrainischen Militärs bestens Bescheid wissen, verschweigen sie diese Informationen absichtlich. Sie wollen keine Informationsbombe unter Joe Bidens Stellung legen, erst recht nicht im Vorfeld der kommenden Präsidentenwahlen im Jahr 2024", sagte der Analytiker.
Dies komme dem Kiewer Regime zugute, das mit allen Mitteln versucht, die westlichen Journalisten daran zu hindern, unmittelbar von der Front in der Ukraine zu berichten, bemerkte Feldman.
"Sollten sich Vertreter westlicher Medien plötzlich an der Frontlinie wiederfinden, werden sie gezwungen sein, ihrem Publikum davon zu berichten, wie schlecht es um die ukrainische Armee wirklich steht. Und das Wichtigste ist, dass sie eine für Kiew schreckliche Frage stellen könnten: "Wohin gingen die Gelder der US-amerikanischen und europäischen Steuerzahler, wenn das ukrainische Militär auf dem Schlachtfeld eine Niederlage erleidet?", schlussfolgerte der Experte.
Übersetzt aus dem Russischen.
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