Es ginge um die bessere Inklusion und wirtschaftliche Teilhabe armer Menschen, heißt es zur Erläuterung des jüngsten Projekts der Bill & Melinda Gates Stiftung auf deren Webseite. Unter der Überschrift: "Digital IDs are an effective Tool against Poverty"- (auf Deutsch: Digitale Identitäten sind eine effektive Maßnahme zur Armutsbekämpfung) verspricht Bill Gates, mittels digitaler Identität die Lebensqualität der armen Menschen, insbesondere in Afrika zu verbessern.
Den Angaben auf der Stiftungswebseite zufolge, gäbe es 850 Millionen arme Menschen auf diesem Erdball, die bislang keine rechtlich gültige Identität nachweisen könnten. Dabei würde die digitale "Identität" es "den Armen" ermöglichen, "in vollem Umfang am Wirtschaftsleben teilzunehmen." Zudem würde die digitale Identität den Zugang zu Beschäftigung und Bildung erleichtern. Schließlich könnten arme Menschen damit auch Bankgeschäfte tätigen und kämen in den Genuss einer staatlichen Gesundheitsfürsorge. Für all die armen Menschen ohne digitale Identität, stelle die Gates-Stiftung jetzt "glücklicherweise eine beeindruckende Lösung" kostenlos zur Verfügung: ein Open-Source- und anpassbares digitales ID-System namens Modular Open Source Identity Platform (MOSIP).
Zur Finanzierung dieses digitalen Identitäts- und Zahlungsverkehrssystems suche Bill Gates nun finanzielle Unterstützung, schreibt Reclaim The Net am Donnerstag. Das IT-Fachportal kommentiert das neue Projekt der US-Stiftung kritisch. Demnach suggeriere die Gates-Stiftung mit dem Schlagwort "Wirtschaftliche Inklusion armer Menschen", dass sie in philanthropischer, humaner Absicht, für große Bevölkerungsgruppen die digitale Identität einführen wolle. So heißt es bei Reclaim The Net:
"Finanzielle Inklusion scheint das Schlagwort zu sein, das die Befürworter von digitalen IDs, Zahlungen und Datenaustausch für ihre PR-Parolen gewählt haben, um etwas zu fördern, das objektiv sehr umstritten ist."
Diese umstrittene Technik könne man am besten an denjenigen testen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht viel zu sagen hätten – wie der Bevölkerung in afrikanischen Ländern. Dass sie hier die grundsätzliche Einführung der digitalen Identität testen wollen, würden Giganten, wie Mastercard oder die (Bill-)Gates-Stiftung, niemals offen zugeben. Zudem könne man mit der ID-Technik auch "den Globalen Süden" in Schach halten – also die Menschen und deren politisches Engagement überwachen. Unter anderem deshalb wolle man in den Entwicklungsländern digitale Infrastrukturprojekte, einschließlich digitaler Ausweise, so weit wie möglich durchsetzen.
Das sei der wahre Grund, obwohl uns sowohl Mastercard als auch die Gates Stiftung erklärten, dies sei Teil ihres "selbstlosen globalen Kampfes gegen die Armut und andere Übel, die die Menschheit plagen." Bis 2027 wolle Mastercard 15 Millionen Menschen in Afrika mittels einem sogenannten "Community Pass" (Gemeinschaftspass) oder einem "Farm Pass" (Bauernpass) registrieren. In Ländern wie Uganda, Kenia, Tansania, Mauretanien könne Mastercard mittels dieser Digitaltechnik auch gleich den "Grad der finanziellen Verzweiflung dieser Bauern" testen.
Michael Wiegand, Direktor für Finanzdienstleistungen für die Armen bei der Bill & Melinda Gates Foundation fände das sehr aufregend: "Es ist Zeit für einen neuen Ansatz zur finanziellen Inklusion, der über grundlegende Bankdienstleistungen hinausgeht (…) Einer der aufregendsten Fortschritte in der globalen Entwicklung ist die Ausweitung der Finanzdienstleistungen." Reclaimthenet erinnert ironisch an das Gutmenschentum, womit sich der Milliardär Bill Gates bekanntermaßen auch immer selbst darstellt:
"Schließlich steckt hinter den Milliarden, wenn nicht gar Billionen von Dollar, die sie bisher angehäuft haben, echte Sorge um andere Menschen, Gerechtigkeit, Gleichheit und Freundlichkeit, oder?"
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