Von Alexander Dugin
Vorwärts zum Imperium!
Das Thema "Imperium" wird unweigerlich in den Vordergrund treten. Der Begriff "Zivilisationsstaat", der von unserem Freund, dem chinesischen Denker Zhang Weiwei, in den wissenschaftlichen Sprachgebrauch eingeführt wurde, bedeutet im Wesentlichen "Imperium".
Auf der letzten Sitzung des Waldai-Clubs und in seinen früheren politischen Reden hat der russische Präsident Wladimir Putin Russland direkt als "Zivilisationsstaat" bezeichnet. Im Grunde genommen ist dies die Ankündigung eines Kurses in Richtung eines Imperiums. Nur eben nicht historisch, sondern eher technisch.
Ein Imperium ist eine Form der übernationalen politischen Organisation mit einem einzigen strategischen Entscheidungszentrum (dem Imperator) und einer Vielzahl lokaler Subjekte (von Gemeinschaften über Ethnarchien bis hin zu vollwertigen Staaten), die zusammen den "Großen Raum" bilden und eine ausgeprägte zivilisatorische (religiöse, kulturelle, ideologische) Besonderheit aufweisen.
Einem Imperium kann man friedlich beitreten, oder auch unfriedlich. Wenn Harmonie mit den Randstaaten herrscht, können sie eine gewisse Teilsouveränität behalten, wobei es in diesem Fall für das Imperium nicht so wichtig ist, ob die Grenzstaaten, die eng mit dem Imperium verbunden sind, unabhängig oder Teil des Imperiums sind. Sie sind Teil des "Großen Raums", und das ist das Wichtigste. Solange sie sich korrekt verhalten, können sie sich auch als Nationalstaaten betrachten. Wenn sie beginnen, gegen das Imperium zu rebellieren und für ein anderes Imperium zu arbeiten, ist ihr Schicksal nicht zu beneiden. Das gilt nicht nur für die Ukraine und andere postsowjetische Staaten, sondern auch für Taiwan und viele andere.
Das einzige Imperium
Die unipolare Welt wird als ein einziges Imperium betrachtet (bestehend aus den USA und ihren Satelliten, die in der NATO und anderen Blöcken organisiert sind). Niall Ferguson, ein zeitgenössischer US-amerikanischer Politikwissenschaftler, der im Auftrag der Bankiersfamilie Rothschild arbeitet, hat gezeigt, wie die imperiale Idee allmählich in den zeitgenössischen politischen Diskurs in den USA eingedrungen ist. Die Vereinigten Staaten betrachteten sich früher als Republik, und das Imperium – vor allem das Britische Empire – war etwas Negatives, etwas, das die freiheitsliebenden US-Amerikaner im Unabhängigkeitskrieg bekämpften. Später setzte sich bei den US-amerikanischen Eliten nach und nach die Idee des Weltreichs durch, bis die Neokonservativen das ersehnte Wort laut aussprachen. Die Vereinigten Staaten haben sich selbst zum "Imperium" erklärt, das die Menschheit beherrscht. Die liberalen, globalistischen Eliten auf der ganzen Welt stimmten ihnen zu.
Dies führte jedoch zur Ablehnung seitens eines anderen Teils der Eliten. Dieser andere Teil wurde allmählich so einflussreich, dass er den Punkt erreichte, an dem er die US-amerikanische Hegemonie zurückwies und sich selbst zu "Imperien", das heißt "Zivilisationsstaaten", erklärte. Genau das ist Multipolarität.
Ein kritischer Überblick über das Imperium des Westens findet sich bei den linken Autoren Michael Hardt und Antonio Negri, dem berühmten Soziologen Emmanuel Todd oder in der tiefgründigen und ungewohnten politischen Kategorisierung von Alain Soral.
Sieben Imperien: das multipolare Projekt
Die multipolare Welt ist die Koexistenz mehrerer Imperien, die vor allem im Verhältnis zu den USA – entgegen deren Forderung nach Einzigartigkeit und Universalität – und auch im Verhältnis zueinander völlig souverän sind.
Heute treten in der Welt allmählich die Merkmale einer multipolaren Heptarchie in Erscheinung. Das heißt, das Modell der sieben Imperien nimmt Gestalt an:
- das westliche Imperium (die USA und die EU mit ihren Vasallen und Untertanen);
- das eurasische Imperium (Russland und auf Biegen oder Brechen der postsowjetische Raum) – dies ist unser Zivilisationsstaat, der neu aufgebaut wird, worüber Putin in Waldai gesprochen hat;
- das chinesische Imperium (Festlandchina und Taiwan sowie eine Reihe von Staaten, die sich im Rahmen von "One Belt, One Road" nach China orientieren);
- das indische Imperium (Bharat, Nepal, Bangladesch und die südostasiatischen Staaten, die sich an Indien orientieren);
- das islamische Imperium (ein potenzieller Block islamischer Staaten, dessen größte Pole Saudi-Arabien und die sunnitischen arabischen Länder, der schiitische Iran, Pakistan, die Türkei, Indonesien, die Maghreb-Länder und alle übrigen sind);
- das lateinamerikanische Imperium (basierend auf dem Zusammenschluss von Brasilien und Argentinien mit dem Einbezug der restlichen Länder – bis hin zu den karibischen Staaten und Mexiko);
- das afrikanische Imperium (Imperium des Manden-Plateaus um Mali sowie die zentralen und südlichen Bantu-Länder, einschließlich Äthiopien und der kuschitischen Welt).
Das erste Imperium, das immer noch den Anspruch erhebt, das einzige zu sein, wurde nach dem Zusammenbruch der UdSSR gegründet und strebt, obwohl es sich schwertut, immer noch danach, seine Hegemonie aufrechtzuerhalten. Trotz aller Krisen ist es immer noch ziemlich stark – stärker als jedes andere, allerdings nur, wenn man es separat betrachtet. Es ist jedoch dem Bündnis anderer, nicht westlicher Imperien bereits in einer Reihe von Schlüsselindikatoren unterlegen – wirtschaftlich, demografisch, ressourcenmäßig und sogar ideologisch.
Die nächsten drei Imperien (die übrigens alle eine sehr lange, jahrhundertealte und sogar jahrtausendealte Geschichte haben) – das russische, das chinesische und das indische – befinden sich in der Phase des aktiven Aufbaus. Sie sind bereits unabhängige, souveräne Pole, die ihren Einfluss verstärken und ausweiten und schließlich fertiggestellt werden.
Das islamische Imperium, dessen Zentrum logischerweise Bagdad wäre (dann wäre es eine Art neues Abbasiden-Kalifat), ist durch eine mächtige Religion und die darauf basierende Ideologie geeint, aber politisch zersplittert.
Das afrikanische und das lateinamerikanische Imperium sind noch immer Projekte, aber es werden bereits einige konkrete Schritte in Richtung eines Aufbaus unternommen.
Alle sechs Imperien mit Ausnahme des westlichen Imperiums, das heißt tatsächliche oder potenzielle Zivilisationsstaaten, sind heute in der BRICS-Struktur vereint, die nach dem Johannesburg-Gipfel erweitert wurde. Nächstes Jahr wird Russland den Vorsitz der BRICS übernehmen, und es ist höchste Zeit, die Multipolarität zu stärken und sie ideologisch, wirtschaftlich, energetisch, finanziell, politisch-militärisch und strategisch so weit wie möglich zu festigen. Damit die Multipolarität existieren kann, müssen wir alle zusammen den Anspruch des westlichen Imperiums auf Einzigartigkeit zerschlagen. Nicht das Imperium selbst soll zerschlagen werden, sondern nur sein Anspruch. Die Völker der Welt sind dazu aufgerufen, die westliche globalistische Überheblichkeit zu brechen. Das ist es, was Russland heute in der Ukraine tut.
Die militärische Sonderoperation Russlands ist der erste heiße Konflikt des Zusammenstoßes zwischen Unipolarität und Multipolarität.
Drei rein potenzielle Pole
Der Korrektheit halber können wir, rein theoretisch, von drei weiteren "Großen Räumen" ausgehen. Diese könnten sich bilden, wenn sich der Westen in die USA und Europa aufspaltet. Dann könnte die EU natürlich, nachdem sie zuerst die transatlantischen globalistischen Eliten abgeworfen und die kontinentalen Gaullisten an die Macht gebracht hat, ein eigener Pol werden. Aber das steht noch nicht auf der Tagesordnung.
Ebenso spekulativ ist es, sich eine buddhistische Zivilisation unter Japan vorzustellen. Japan ist aber völlig abhängig vom Westen und hat keine eigenständige Politik.
Der "Große Raum" Ozeaniens, der sich allmählich zu einer Zone der militärisch-strategischen Konfrontation zwischen dem chinesischen und dem US-amerikanischen Imperium entwickelt, ist ein sehr flüchtiger Faktor. Dabei hätte es auch anders sein können. Aber man kann kaum erwarten, dass die tapferen Melanesier, Papuas, australischen Aborigines und militanten Maori in der Lage sind, eine antikoloniale Revolte gegen die Angelsachsen zu starten. Es sei denn natürlich, man hilft ihnen dabei. Afrika hat es getan, und es hat funktioniert. Es ist zwar etwas komplizierter, aber einen Versuch für die anderen Pole ist es wert.
Nun, grüß dich, mein Imperium!
Wenn Imperien zurückkehren, ist es höchste Zeit, ihre historischen Wurzeln zu begreifen, ihre Ursprünge und ihre jeweilige Ideologie zu verstehen. Das ist ein höchst faszinierendes Thema, das helfen wird, viel darüber zu verstehen, wer wir Russen eigentlich sind. Und wir sind das namensgebende Volk des Imperiums. Wir waren, sind und werden es sein, ganz gleich, wie wir genannt werden oder was wir von uns denken. Die Zeit kommt und wir fangen an, uns dessen wieder bewusst zu werden. Schließlich war die UdSSR auch eine Art "Imperium" im technischen Sinne, wie wir betont haben. Und ein "Zivilisationsstaat" war sie allemal. Uns bleibt nur zu erkennen, dass dies unser Schicksal ist.
Konstantin Malofejews dreibändiges Werk "Imperium" und mein philosophisch verallgemeinerndes Werk "Dasein und Imperium" werden für eine eingehende Beschäftigung mit diesem Thema sehr nützlich sein. Und dann kann sich jeder nach der ausführlichen und erschöpfenden Lektüre in diese Richtung bewegen und die Wege frei wählen – im Westen und im Osten, in der Vergangenheit und in der Zukunft.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen auf RIA Nowosti am 6. Oktober 2023.
Alexander Dugin ist ein russischer Philosoph.
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