Nachdem die französische Journalistin Ariane Lavrilleux bereits im Jahr 2021 über geleakte Dokumente berichtet hatte, wonach der französische Geheimdienst von Ägypten genutzt wurde, um Schmuggler an der libyschen Grenze anzugreifen und Zivilisten zu töten, hat diese Berichterstattung nun auch Konsequenzen – allerdings für die Journalistin.
Nach einer Razzia in der Nacht zum 19. September musste Lavrilleux mehr als 40 Stunden in Untersuchungshaft verbringen und wurde im Rahmen einer Untersuchung des französischen Inlandsgeheimdienstes DGSI wegen einer möglichen "Gefährdung der nationalen Sicherheit" verhört.
Gemäß dem Bericht von Lavrilleux fanden zwischen 2016 und 2018 mindestens 19 Bombenanschläge auf Zivilisten statt, die mit französischen Geheimdienstinformationen an Kairo in Verbindung gebracht wurden.
Die französische Webseite für investigativen Journalismus Disclose, welche die Artikel von Lavrilleux ursprünglich veröffentlicht hatte, erklärte bei der Publikation bereits, dass der Bericht sensible Details zur nationalen Sicherheit enthalte. Eine Veröffentlichung sei jedoch "im Namen eines Grundprinzips der Demokratie, nämlich des Rechts auf Information", erforderlich gewesen. Auch das Konzept, dass einige Informationen als geheim eingestuft werden müssen, könne "nicht herangezogen werden, um eine Kampagne willkürlicher Hinrichtungen gegen Zivilisten zu schützen", so die Argumentation von Disclose.
Die Anwältin Virginie Marquet, die sowohl Lavrilleux als auch Disclose vertritt, sagte kurz nach der Verhaftung der Journalistin, dass die Ermittlungen "das Risiko bergen, die Vertraulichkeit der Quellen von Journalisten ernsthaft zu untergraben". Die französischen Behörden erklärten jedoch in einer offiziellen Anklage, die nach den Berichten eingereicht wurde, Lavrilleux und Disclose hätten "nationale Verteidigungsgeheimnisse" verletzt und einen "geschützten Agenten" gefährdet. Mittlerweile hat sich auch die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, sehr deutlich zur Verhaftung der Journalistin geäußert:
"Es ist erschreckend, dass fast zwei Jahre nach den Enthüllungen, dass Frankreich angeblich an den außergerichtlichen Hinrichtungen von Hunderten von Menschen in Ägypten beteiligt war, ausgerechnet die Journalistin, die diese Gräueltaten aufgedeckt hat, ins Visier genommen wird, anstelle der Verantwortlichen", so Callamard.
Bei der Angelegenheit gehe es "nicht nur darum, einer einzelnen Journalistin einen Maulkorb zu verpassen und die Vertraulichkeit ihrer Quellen zu bedrohen".
"Diese Maßnahmen sind Teil eines umfassenderen Angriffs auf Journalisten, die im öffentlichen Interesse tätig sind und versuchen, die undurchsichtigen Aktivitäten der französischen Geheimdienste aufzudecken."
Die Leichen an der ägyptischen Grenze zu Libyen hätten "die Leichen im Keller Frankreichs ans Licht gebracht". Diese "deuten auf ein grausames und geheimes Muster französischer Komplizenschaft bei schweren Menschenrechtsverletzungen durch missbräuchliche Regime in der gesamten Region hin".
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